LG Berlin: Porträtfotos dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden

veröffentlicht am 19. April 2012

LG Berlin, Urteil vom 18.09.2008, Az. 27 O 870/07
§ 823 BGB, § 1004 BGB; Art. 2 GG, Art. 1 GG; § 23 KunstUrhG, § 22 KunstUrhG

Das LG Berlin hat entschieden, dass Porträtfotos, die von einem Modefotografen angefertigt wurden, von diesem nur mit Einwilligung des Abgebildeten für kommerzielle Zwecke veröffentlicht werden dürfen. Bestehe keine Absprache, könne diese Einwilligung nicht unterstellt werden. Auch eine konkludente Einwilligung scheide aus, wenn der Kläger – wie vorliegend – davon ausgehen dürfe, dass die Fotos lediglich für interne Casting-Zwecke angefertigt würden. Dass sonst keine Absprachen mit potentiellen Modellen getroffen werden mögen, sei vorliegend nicht von Bedeutung, weil der Kläger, wie der Beklagte gewusst haben dürfte, kein Modell gewesen sei und ihm daher die in der Branche üblichen Gepflogenheiten nicht bekannt gewesen sein dürften. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Berlin

Urteil

1.
Der Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

ohne Einwilligung des Klägers die nachfolgend abgebildete Fotografie, die den Kläger in einem Wald stehend zeigt, selbst und/oder durch Dritte zu vervielfältigen, zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wie auf Seite 29 (ohne Zählung des Deckblatts) in der Beilage “ … , the … …book / purple / janvier“ (publisher: … Z) zu dem Modemagazin „The … Fashion …“, Ausgabe Nr. ./2006, sowie wie auf den Internetseiten www. … .com/2006/… .html und www. … .com/h..2005/… .html :

Abb.

2.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 Euro hinsichtlich des Tenors zu 1) und im Übrigen in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht wegen der Veröffentlichung seines Bildnisses einen Unterlassungsanspruch geltend.

Der Beklagte ist Fotograf und Modedesigner.

Im April 2005 sprach der Mitarbeiter des Beklagten B den Kläger abends in einem Club an, ob er am darauf folgenden Tag für Fotos des Beklagten im Tiergarten als Modell zur Verfügung stehen wolle und übergab dem Kläger bei dieser Gelegenheit eine Visitenkarte, auf der es hieß: „… D, C, Casting D H …“. Zu diesem Zweck nahm Hr. B die Kontaktdaten des Klägers auf, der am nächsten Tag angerufen und gebeten wurde, sich in den Tiergarten zu begeben, um dort fotografiert zu werden. Dort, im Tiergarten stand der Kläger in seiner eigenen Kleidung Modell, wobei u. a. das streitgegenständliche Foto angefertigt wurde. Eine Vergütung erhielt der Kläger hierfür nicht.

Im Juli 2006 erfuhr der Kläger davon, dass das streitgegenständliche Foto im Internet im Rahmen einer sog. Flash-Animation auf der Seite „www. … .com/h..2005/… .html“ veröffentlicht war. Auf das Foto wurde außerdem von der Seite „www. … .com/2006/… .html“ verlinkt. Das Foto wurde ferner veröffentlicht in der Beilage „…, the …slimane book/purple/janvier“ zu dem Modemagazin „The … Fashion …“, Ausgabe Nr. ./2006.

Der Kläger behauptet, Hr. B habe ihm, als er ihn ansprach, gesagt, die zu fertigenden Fotos sollten nur „intern“ für eine Casting-Kartei des Beklagten verwendet werden. Sollte der Kläger in der Zukunft einmal als geeignet angesehen werden, solle ein professionelles Foto-Shooting stattfinden.

Die Veröffentlichungen seien auch in einem werblichen Kontext erfolgt und hätten nicht etwa nur künstlerischen Charakter, da die Printveröffentlichung einer kommerziellen Modezeitschrift beigelegen habe und die Internetveröffentlichung bei D F. erfolgt sei. Im Jahr 2005 sei der Beklagte als Künstler nahezu unbekannt gewesen.

Er meint, der Unterlassungsanspruch beruhe auf der ausdrücklichen mündlichen Absprache, dass das Foto nur zu internen Zwecken habe verwendet werden dürfen. Dass er in seiner eigenen Kleidung fotografiert worden sei, habe aus seiner Sicht dafür sprechen müssen, dass das Foto nicht veröffentlicht werden sollte. Zudem habe er wegen der ihm überreichten Visitenkarte davon ausgehen müssen, dass es sich um ein Shooting für „D“ handele. Der Anspruch ergebe sich aber auch aus §§ 22 f. KUG. Insbesondere komme keine Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG in Betracht.

Der Kläger beantragt, nachdem er seine weitergehende Klage zurückgenommen hat,

wie im Tenor zu 1) erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, über den Zweck der angefertigten Fotos habe es keine Absprachen gegeben. Dem Kläger sei niemals gesagt worden, die Fotos sollten in eine Modell-Kartei von D F. aufgenommen werden. Sein Fotowerk sei nicht der Mode, sondern der künstlerischen Fotografie zuzuordnen, wobei sein Schwerpunkt die Club- und Rockszene sei. Er habe davon ausgehen können, dass es nicht als Model-Casting missverstanden werde, wenn er jemanden in einem Club bitten lasse, sich ungeschminkt und in Alltagskleidung für Freiluftaufnahmen zur Verfügung zu stellen. Es sei absurd anzunehmen, dass er, der Beklagte, der an der Spitze der Modeindustrie stehe, sich selbst um die Erst-Castings kümmere. Im Übrigen sei es in der Model-Branche völlig unüblich, über die Verwendung von Fotos Absprachen zu treffen, weil es das Ziel aller Models sei, bekannt zu werden. Der Zweck der Überreichung der Visitenkarte habe sich in der Bekanntgabe einer Kontaktadresse erschöpft. Der Kläger habe auch erkannt, dass er vom Beklagten persönlich habe fotografiert werden sollen.

Der Kläger habe sich gegenüber dem Zeugen B mit jedweder Veröffentlichung der Lichtbilder durch die Firma D und/oder den Beklagten einverstanden erklärt.

Er meint, mangels ausdrücklicher Verwendungsabrede sei der Zweck der Fotografien aus den Umständen zu schließen. Der Kläger habe erkennen können, dass es um eine künstlerische Fotografie gehe, da er, der Beklagte, keinerlei Einfluss auf sein äußeres Erscheinungsbild genommen habe. Indem der Kläger die Fotos durch ihn gestattet habe, der dem Kläger, zumindest aber den hier maßgeblichen Verkehrskreisen als Kunstfotograf bekannt sei, habe er in die Veröffentlichung der Aufnahmen zu künstlerischen Zwecken eingewilligt. Dass die Fotos auch auf der Internetseite „… .com“ veröffentlicht seien, stehe ihrem künstlerischen Charakter nicht entgegen.

Im Übrigen sei die Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG zulässig.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten hinsichtlich seines Bildnisses aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB, § 22 f. KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses rechtswidrig war.

Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder zur Schau gestellt werden. An einer solchen fehlt es.

Soweit der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 7. Juli 2008 erstmals hat vortragen lassen, der Kläger habe Hr. B erklärt, er sei mit jedweder Veröffentlichung von Fotos durch „D“ und/oder den Beklagten einverstanden und sich zum Beweis auf Hr. B beruft, geht dies ins Leere. Es fehlt zunächst an jeglicher Erklärung durch den Beklagten, weshalb er mit all seinen Schriftsätzen im vorangegangenen Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat vorbringen lassen, es habe keinerlei ausdrückliche Abrede über die Verwendung der Fotografien und entsprechend auch keine ausdrückliche Einwilligung des Klägers gegeben, weshalb der insofern nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger geänderte Vortrag Zweifeln begegnet. Davon unabhängig, ist dieser Vortrag aber auch in tatsächlicher Hinsicht derartig unsubstantiiert, dass er kaum erwiderungsfähig ist. Es bleibt völlig unklar, wann und wo der Kläger sein generelles Einverständnis erklärt habe soll, bei welcher Gelegenheit und aus welchem Anlass dies geschehen sein soll. Auch dem Beweisangebot des Beklagten war aus diesem Grund nicht nachzugehen, da es sich um eine unzulässige Ausforschung des Zeugen handelte. Die erheblichen Umstände der angeblich umfassend und ohne jede Einschränkung erteilten Einwilligung, die der Beklagte offenbar nicht kennt, müssten nämlich vom Gericht ermittelt werden.

Aber auch von einer konkludent erteilten Einwilligung ist nicht auszugehen. Eine konkludente aus den Umständen zu entnehmende Einwilligung könnte dann anzunehmen sein, wenn nach dem objektiven Empfängerhorizont für den Kläger erkennbar der Beklagte davon hätte ausgehen müssen, dass der Kläger mit den streitgegenständlichen Veröffentlichungen einverstanden wäre. Dabei ist es im Streitfall Sache des Beklagten, als desjenigen, der sich auf eine solche Einwilligung beruft, diese Umstände darzulegen und zu beweisen.

Solche Umstände, die auf eine konkludente Einwilligung hindeuten würden, sind vorliegend im Ergebnis nicht ersichtlich. Dabei braucht sich die Kammer nicht näher mit der Frage zu befassen, ob, wie vom Beklagten geltend gemacht, den Aufnahmen ein ausschließlicher oder jedenfalls überwiegender künstlerischer Charakter beizumessen ist.

Es steht fest, dass der Kläger zu dem Fototermin gebeten wurde, indem ihm eine Visitenkarte von „D“ überreicht wurde. Dass dies nur zum Zweck der Nennung einer Kontaktadresse geschehen war, um den Beklagten nicht der Gefahr von Stalking auszusetzen, wurde dem Kläger jedenfalls nicht mitgeteilt, weshalb sich für den Kläger der Eindruck aufdrängen musste, der Fototermin habe jedenfalls etwas mit der Modefirma „D“ zu tun. Umgekehrt ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte meint, der Kläger habe wissen müssen und deshalb darin eingewilligt, dass die Fotos in der streitgegenständlichen Weise veröffentlicht würden. Dass der Beklagte die Fotos selbst angefertigt hat, besagt insofern nichts. Dass Model-Castings sonst bei „D“ anders ablaufen mögen, besagt ebenfalls nichts, weil nicht erkennbar ist, weshalb der Kläger dies hätte wissen sollen. Dass der Beklagte ein bekannter künstlerischer Fotograf sein mag und dies die vom Beklagten angesprochenen „maßgeblichen Verkehrskreise“ wissen mögen, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls irrelevant, da nicht ersichtlich ist, dass der Kläger dies gewusst hätte, zumal ebenfalls unklar ist, welche eindeutigen dem Beklagten günstigen Schlüsse der Kläger hieraus hätte ziehen sollen, da der Beklagte doch unstreitig auch für ‚“D“ gearbeitet hat. Dass sonst keine Absprachen mit potentiellen Modellen getroffen werden mögen, ist vorliegend nicht von Bedeutung, weil der Kläger, wie der Beklagte gewusst haben dürfte, nicht Modell war und ihm daher die in der Branche üblichen Gepflogenheiten nicht bekannt gewesen sein dürften.

Schließlich war eine Einwilligung auch nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG entbehrlich. Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil die Fotografie auch über die Internetseite von „D“ durch einen dort gesetzten Link angesehen werden konnte. Es handelt sich daher gerade auch im Hinblick auf die frühere Tätigkeit des Beklagten für die Firma D jedenfalls um keine kunstgemäße Verbreitung im Sinne der zitierten Vorschrift, weil nämlich davon ausgegangen werden kann, dass die Internetseite von „D“ jedenfalls auch den kommerziellen Interessen der Firma „D“ dient. Da die genannte Vorschrift als Ausnahme von der grundsätzlich einzuholenden Einwilligung des Abgebildeten eng auszulegen ist, sind solche Arten der Verbreitung jedenfalls nicht von der Vorschrift erfasst, so dass sich der Beklagte insgesamt nicht darauf berufen kann.

Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

I