LG Berlin: Verschleierte Internet-Werbung, die Kinder durch ein Spiel auf Werbeseiten lockt, ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 16. Januar 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Berlin, Urteil vom 23.03.2012, Az. 96 O 126/11
§ 4 Nr. 3 UWG

Das LG Berlin hat entschieden, dass eine Werbung auf einem Internet-Portal, bei der Kinder aufgefordert werden, ein Spiel zu spielen und kurz nach Beginn des Spiels auf eine Werbeseite weitergeleitet werden, wettbewerbswidrig ist. Durch die Aufforderung zum Spiel werde die Aufmerksamkeit der jungen Nutzer derart in Beschlag genommen, dass ein Hinweis „Werbung“ oder „Anzeige“ unter dem Spielfeld nicht ausreichend sei, um auf den Werbecharakter hinzuweisen. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Berlin

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die Kammer für Handelssachen 96 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 23. März.2012 durch … für Recht erkannt:

1.
Die einstweilige Verfügung vom 21. Dezember 2011 wird bestätigt.

2.
Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Gemäß § 2 seiner Satzung bezweckt der Krager, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, In dem er u.a. Verstöße gegen das UWG und das UKLAG in Verbindung mit anderen Verbraucherschutzgesetzen durch geeignete und erforderlichenfalls auch gerichtliche Maßnahmen sowohl national als auch international unterbindet.

Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Intemetseite unter der Adresse ww.kindercampus.de. Diese Seite beinhaltet neben einem Spiel- und Quizangebot auch die MöglichkeIt zum Abruf von Nachriohten oder anderen Informationen, u.a. zu den Themen „Schule und lernen“, „Pflanzen und Tiere“ und „Stars und Sternchen“, Die Seite wendet sich an eine als „Kinder und Preteens ab sieben Jahren“ beschriebene Zielgruppe. Auf der Intemetseite erscheint in einer Winterlandschaft ein Elch, der dem Nutzer einen Schneeball entgegen wirft. Anschließend erscheint die Aufforderung „Klick und wirf zurück“. Daraufhin taucht der Elch immer wieder an unterschiedlichen Positionen innerhalb der Winterlandschaft auf. Sobald der Nutzer mit dem Mauszeiger aber einen auf der Seite befindlichen Werbebanner fährt, erscheint eIn Fadenkreuz, mit dem der Spieler die Richtung markiert, in die ein Schneeball geworfen werden soll. So kann der Nutzer mit der Maus zielen und durch klicken den Ball abwerfen. Ziel ist es, den Elch zu treffen, Nach drei Wurfversuchen wird der Nutzer auf die Seite „www.ecke-des-monats.de“•der Firma Müller weitergeleitet, in der für das Produkt „Joghurt mit der Ecke“ geworben wird. Unter dem Feld, auf dem der Elch zu sehen ist, befindet sich das Wort „Werbung“. Mit Beschluss der Kammer vom 21. Dezember 2011 wurde der Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, im Geschäftsverkehr auf der Webseite www.kindercampus.de innerhalb eines an Kinder und sogenannte Preteens ab sieben Jahren gerichteten Angebots mit der Bezeichnung „spielen“ in der nachfolgend auszugsweise und in den Granden des Beschlusses näher dargestellten Weise ein Werbebanner einzublenden, mit dem der Nutzer zur Teilnahme an einem animierten Spiel aufgefordert wird, bei dem ein Elch innerhalb des Banners mit Schneebällen beworfen werden soll:

Abb.

Den weitergehenden Antrag hat die Kammer zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde derVerfügungsklägerin hat das Kammergericht mit Beschluss vom 24, Januar 2012 (5 W 10/12) zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 21. Dezember 2011 aufrecht zu erhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,
unter Aufhebung der einstweiligen Vertagung vom 21. Dezember 2011 den Antrag der Verfügungsklägerin vom 8. Dezember 2011 zurück zu weisen.

Sie macht geltend, die ausreichende Erkennbarkeit der Werbung folge schon aus der Bezeichnung als „Werbung“. Die Interaktivität der Werbung lenke die angesprochenen Verbraucherkreise nicht vom Werbecharakter ab. Auch seien Jugendliche bereits daran gewöhnt, Werbung im Internet vorzufinden, die in dem Content integriert ist und oftmals mit einem Spiel gekoppelt ist. Die angesprochenen Kinder und Jugendlichen verfügten Ober eine ausreichende Medienkompetenz. Ferner behauptet die Verfügungsbeklagte unter näherer Darlegung im Einzelnen, nur ein geringer Teil der angesprochenen Zielgruppe surfe ohne Aufsicht eines Erwachsenen im Internet.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1.
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil ihr Erlass auch nach dem weiteren Vorbringen der Parteien gerechtfertigt ist. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist, soweit ihm mit Beschluss der Kammer vom 21. November 2011 stattgegeben worden ist, begründet. Dle beanstandete Werbung verstößt gegen das Verschleierungsgebot des § 4 Nr. 3 UWG. Insoweit wird zunächst auf die Grunde des Beschlusses vom 21. November 2011 Bezug genommen. Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsschrift rechtfertigt keine andere Entscheidung. Ob bei einer gezielten Werbung gegenüber Minderjährigen, wie sie hier vorliegt, eine Verschleierung des Werbecharakters von geschäftlichen Handlungen im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG vorliegt, beurteilt sich nach dem Informationsstand der Aufmerksamkeit sowie Kritikfähigkeit eines durchschnittlichen Angehörigen dieser Zielgruppe (OLG Frankfurt, WRP 2010. 157 ff. m.w.N.). Kinder und Jugendliche sind nicht in gleicher Weise wie Erwachsene in der Lage, redaktionelle Beiträge von Werbung zu unterscheiden. Daher sind an die erforderliche deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil und bezahlten Anzeigen besondere Anforderungen zu stellen (OLG Frankfurt, a.a.O.). Das Gericht verkennt nicht, dass die Angehörigen der von der Verfügungsbeklagten angesprochenen Zielgruppe heute über ein erhebliches Maß an Medienkompetenz verfügen. Auch die Lesekompetenz der angesprochenen Zielgruppe zieht das Gericht nicht grundsätzlich Zweifel. Gleichwohl sind bei der Frage, ob hinreichend deutlich zwischen Werbung und redaktionellem Teil getrennt wird, die Besonderheiten kindlichen Verhaltens zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall misst das Gericht den Umstand, dass die an den Nutzer der Seite gerichtete, ansprechend gestaltete Aufforderung zum SpIel bei Angehörigen der angesprochenen Zielgruppe die Aufmerksamkeit so stark in Anspruch nimmt, dass andere Überlegungen vollständig zurücktreten. Sowie bei dem Kind, das von den Belehrungen seiner Eltern oder aus dem Verkehrsunterricht im Zweifel weiß, dass es die Fahrbahn nicht gefahrlos betreten kann, wenn es sich nicht vorher davon überzeugt hat. dass sich keine Kraftfahrzeuge nähern, gleichwohl aufgrund seines Spieltriebes einem Ball folgend unbedacht auf die Straße tritt, besteht bei Angehörigen der angesprochenen Zielgruppe die Gefahr, dass sie sofort auf den abgebildeten Elch werfen wollen, ohne in der konkreten Situation zu bedenken, dass sie in der Folgezeit ungewollt auf die Werbeseite der Firma Müller weitergeleitet werden. Allein die in Relation zur übrigen Gestaltung der Seite klein gedruckte Angabe „Anzeige“ oder „Werbung“ am oberen oder unteren Bildrand ist nicht ausreichend, um dieser Gefahr entgegen zu wirken (vgl. OLG Frankfurt B.a.O.; LG Berlin. GRUR-RR 2011, 332 ff). Auch der Umstand, dass ein Teil der Angehörigen der angesprochenen Zielgruppe nicht allein sondern nur unter elterlicher Aufsicht Im Internet surfen, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Abgesehen davon, dass auch nach dem eigenen Vorbringen der Verfügungsbeklagten immerhin 12 % der 8 – 9 jährigen das Internet ohne Erwachsenenbegleitung nutzen, ist zu berücksichtigen, dass etwa vorhandene AUfsichtspersonen naturgemäß nicht mit ununterbrochener Aufmerksamkeit die Aktivitäten der Kinder am Computer verfolgen.

2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Auf das Urteil hingewiesen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv, hier).

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