LG Bonn: Bank darf für die Gewährung eines Darlehens kein „Bearbeitungsentgelt“ per AGB-Klausel erheben

veröffentlicht am 30. April 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Bonn, Urteil vom 16.04.2013, Az. 8 S 293/12
§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB

Das LG Bonn hat entschieden, dass die Erhebung eines „Bearbeitungsgeldes“ im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Vergabe eines Darlehens unwirksam ist. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Bonn

Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 30.10.2012 (Az. 108 C 271/12) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist für die Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Kläger begehren von der Beklagten Rückzahlung eines sogenannten Bearbeitungsentgelts in Höhe von 1.200,00 EUR nebst Zinsen, das die Beklagte den Klägern im Rahmen eines Verbraucherdarlehensvertrages berechnet hat.

Die Parteien schlossen im März 2012 – spätestens am 10.03.2012 – über das Internet einen Online Kreditvertrag mit einem Nettokreditbetrag in Höhe von 40.000,00 EUR bei einem Gesamtdarlehensbetrag von 49.129,71 EUR (vgl. Anlage L1, Bl. 11 ff. GA). Dazu hatten die Kläger die von der Beklagten vorgefertigte und auf deren Internetseite eingestellte Vertragsmaske, die u.a. folgenden Abschnitt enthielt:

Bearbeitungsentgelt EUR

Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestandteil des Kreditnennbetrages. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrages fällig und in voller Höhe einbehalten.

… Die Höhe des Bearbeitungsentgelts war von der Beklagten mit 1.200,00 EUR berechnet und in das Vertragsformular eingesetzt worden.

Bei Abschluss des Kreditvertrags erhielten die Kläger eine Ausfertigung der von der Beklagten erstellten sogenannten „Europäische(n) Standardinformationen für Verbraucherkredit“ (Anlage L 1, Bl. 19, 20, 12, 13 und 14 GA), in der das Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1.200,00 EUR unter der Rubrik „Sonstige Kosten im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag“ ausgewiesen war (vgl. Bl. 13 GA).

Unmittelbar nach Vertragsschluss zahlten die Kläger das Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1.200,00 EUR an die Beklagte.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Kläger haben im ersten Rechtszug beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 1.204,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 205,87 EUR Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug beantragt, die Klage abzuweisen.

Durch das der Beklagten am 31.10.2012 zugestellte Urteil vom 30.10.2012 hat das Amtsgericht die Klage weit überwiegend zugesprochen und die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.204,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 1.200,- EUR seit dem 31.07.2012 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 205,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2012 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, den Klägern stehe ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, weil es für die Zahlung des Bearbeitungsentgelts an einem Rechtsgrund fehle. Die Bestimmung über die Bearbeitungsgebühr sei eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB, die als Preisnebenabrede kontrollfähig im Sinne des § 307 Abs. 1 und 2 BGB und nach § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 27.11.2012 eingelegten und am 28.12.2012 begründeten Berufung.

Sie ist der Auffassung, das in dem Darlehensvertrag ausgewiesene Bearbeitungsentgelt sei keine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Dieses sei auf Grundlage des von den Klägern vorgetragenen Darlehenswunsches einzelfallbezogen ermittelt worden.

Selbst wenn das Bearbeitungsentgelt als allgemeine Geschäftsbedingung im Rechtssinne anzusehen wäre, sei es jedenfalls als Preisabrede der Inhaltskontrolle entzogen. Das Bearbeitungsentgelt sei in Funktion und Rechtsqualität einem Disagio gleichzusetzen. Zudem ergebe sich aus dem Wortlaut des streitgegenständlichen Kreditvertrages, dass das Bearbeitungsentgelt für die Kapitalüberlassung erhoben worden sei. Die Kapitalüberlassung stelle – neben der Kapitalbelassung – aber die Hauptpflicht des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag dar. Vor diesem Hintergrund könne das Bearbeitungsentgelt rechtlich nur als Zins und damit als nicht-kontrollfähige Hauptleistung eingeordnet werden.

Jedenfalls aber könne nicht von einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB ausgegangen werden. Es sei ihr als Bank unbenommen, den Bearbeitungsaufwand – statt ihm im Wege eines separaten Entgelts auf den Kunden umzulegen – in den Sollzins einzukalkulieren. Dies würde aber letztlich zu einer Verteuerung des Kredits für den Verbraucher führen.

Aber auch bei Unwirksamkeit der Bestimmung sei ein Erstattungsanspruch der Kläger ausgeschlossen. § 306 Abs. 2 BGB regele, dass sich bei unwirksamen Bestimmungen der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richte. Fehlten diese – wie hier -, sei die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. An die Stelle der unwirksamen Klausel trete die Regelung, welche die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der AGB bewusst gewesen wäre. Davon ausgehend habe sie einen Anspruch auf Aufhebung bzw. Anpassung des vertraglich vereinbarten Sollzinssatzes, dies bis zu einer Höhe, die das weggefallene Bearbeitungsentgelt vollständig kompensiere.

Jedenfalls stünde dem klägerischen Rückzahlungsbegehren der Einwand des § 814 BGB entgegen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bonn – 108 C 271712 – vom 30.10.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und sind der Ansicht, bei der Bestimmung über die Bearbeitungsgebühr handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB. Diese Allgemeine Geschäftsbedingung unterliege gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, denn bei der Klausel über das Bearbeitungsentgelt handele es sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Die Erhebung eines solchen Bearbeitungsentgelts sei dabei gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da die Kreditbearbeitung keine Leistung für den Kunden darstelle, sondern im eigenen Interesse der Bank erfolge.

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1.
Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB auf Rückzahlung des Bearbeitungsentgeltes in Höhe von 1.200,00 EUR. Das haben die Kläger unstreitig an die Beklagte gezahlt, also durch eine Leistung an die Beklagte erbracht.

a)
Die Beklagte hat von den Klägern – wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz übereinstimmend erklärt haben – unstreitig „etwas erlangt“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S.1 BGB, namentlich das Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1.200,00 EUR.

b)
Die Zahlung auf das Bearbeitungsentgelt ist dabei ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt. Die Erhebung des Bearbeitungsentgelts ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

aa)
Bei dem in dem Verbraucherkreditvertrag enthaltenen Bearbeitungsentgelt handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Eine Allgemeine Geschäftsbedingung liegt nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bei allen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen vor, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Zwar ist in dem hiesigen Fall, anders als in den zahlreich ergangenen oberlandesgerichtlichen Entscheidungen (etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2011 – 6 U 162/10; OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.05.2011 – 17 U 192/10; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.07.2011 – 17 U 59/11; OLG Dresden, Urt. v. 29.09.2011 – 8 U 562/11; OLG Celle, Beschl. v. 13.10.2011 – 3 W 86/11; OLG Hamm, Urt. v. 17.09.2012 – 31 U 60/12; sämtliche zitiert nach juris), nicht dargelegt, dass eine bestimmte (bezifferte) Bearbeitungsgebühr in einem Preis- und Leistungsverzeichnis, in einem Preisaushang oder aber in sonstigen Geschäftsbedingungen vorgesehen ist. Vielmehr ist das Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1.200,- EUR für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag konkret berechnet worden.

Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei dem Bearbeitungsentgelt dennoch um eine vorformulierte, von der Beklagten gestellte Vertragsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Denn vorformuliert ist eine Vertragsbedingung auch dann, wenn sie nicht schriftlich fixiert worden und lediglich im „Kopf“ des Verwenders gespeichert ist (vgl. dazu Grüneberg, in: Palandt, 71. Aufl., § 305 Rn 8). Dies ist hier festzustellen. Dem klägerischen Vortrag, die Beklagte berechne bei Verbraucherkreditverträgen pauschaliert eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% des Kreditauszahlungsbetrags, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Im Gegenteil hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 22.08.2012 (Bl. 36 GA) selbst dargelegt, die Höhe des Bearbeitungsentgelts pauschaliert aus dem Bruttokreditbetrag zu ermitteln. Der vorgenannte Sachvortrag war demnach als unstreitig zu behandeln, § 138 Abs. 3 ZPO.

Überdies führt die Beklagte auf ihrer Internetseite – wie sich aus dem von den Klägern vorgelegten Screenshot (Anlage L5, Bl. 67 GA) ergibt – unter der Rubrik „Privatkredit“ ein Berechnungsbeispiel mit einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3 % auf. Auch dies lässt erkennen, dass die Beklagte bei Verbraucherkreditverträgen regelmäßig ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 3 % des Kreditnennbetrags in Ansatz bringt.

Es ist auch unstreitig, dass nicht die Kläger als Kunden die Gebühr nach freier Entscheidung bemessen haben, sondern die Beklagte die Lücke in dem Antragsformular in ihrem Sinne ausgefüllt hat. Eine Einflussmöglichkeit der Kläger hierauf bestand nicht. Es gibt damit kein Aushandeln dieses Bearbeitungsentgelts, sondern lediglich eine Vorformulierung, was dazu führt, dass das berechnete Bearbeitungsentgelt insgesamt als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB anzusehen ist (vgl. hierzu Grüneberg, in: Palandt, 71. Auflage, § 305 Rn. 8; BGH, Urt. v. 23.06.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431).

bb)
Das streitgegenständliche Bearbeitungsentgelt ist als Preisnebenabrede unter dem Gesichtspunkt des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

(1)
Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Gemäß § 307 Abs. 3 BGB sind zwar nur solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kontrollfähig, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Die Rechtsprechung unterscheidet insofern zwischen „Preisabreden“ und „Preisnebenabreden“. Kontrollfreie Preisabreden sind Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung und Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Regelungen, die kein Entgelt für erbrachte Sonderleistungen zum Gegenstand haben, sondern Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse, stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften und damit der AGB-Kontrolle unterworfene Preisnebenabreden dar (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2009 – XI ZR 78/08; BGH, Urt. v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96; beide zitiert nach juris). Ob eine Klausel eine kontrollfreie Preisabrede oder aber eine kontrollfähige Preisnebenabrede enthält, ist im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 145/12, juris).

Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass es sich bei dem hier streitgegenständlichen Bearbeitungsentgelt um eine kontrollfähige Preisnebenabrede handelt. Das von der Beklagten verlangte Bearbeitungsentgelt hat keinen zinsähnlichen Charakter, sondern bepreist Leistungen, die von ihr als Kreditinstitut ohnehin zu erbringen sind.

(a)
Leistung und Gegenleistung des Darlehensvertrages sind in § 488 BGB geregelt. Hauptpflicht des Darlehensgebers ist es, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen; im Gegenzug ist der Darlehensnehmer verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Entgelt für die Gewährung eines Darlehens ist somit der vom Schuldner zu zahlende Zins (OLG Dresden, Urt. v. 29.09.2011 – 8 U 562/11, juris). Der Zinsbegriff des § 488 BGB entspricht dabei demjenigen des § 246 BGB (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 488 Rn 14). Zinsen im Rechtssinn sind gewinnunabhängige und umsatzunabhängige, aber von der Laufzeit bestimmte geldliche Vergütungen für den Gebrauch eines überlassenen Kapitals (BGH, Urt. v. 24.01.1992 – V ZR 267/90, NJW-RR 1992, 591 ff.).

Bei dem hier vereinbarten Bearbeitungsentgelt handelt es sich nicht um einen solchen laufzeitabhängigen Zins im Sinne des § 488 Abs. 1 BGB.

Dies folgt zwar – wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat – nicht allein schon daraus, dass das Bearbeitungsentgelt als anfängliches Einmalentgelt verlangt wird und nicht ratierlich – wie ein Zins – anfällt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Klauselverwender in der konkreten Ausgestaltung seines Preisgefüges grundsätzlich frei und er kann seine Leistung zu einem Pauschalpreis anbieten oder aber in mehrere Preisbestandteile aufteilen (vgl. ausführlich dazu Schmieder, WM 2012, 2358 ff.). Dementsprechend ist auch anerkannt, dass der Darlehensgeber neben dem Zins ein Disagio als Teilentgelt für die zeitweilige Kapitalüberlassung erheben kann, das als Bestandteil der laufzeitabhängigen Zinskalkulation verstanden wird (dazu BGH, Urt. v. 29.05.1990 – XI ZR 231/89; juris). Das hier gegenständliche Bearbeitungsentgelt enthält indessen kein solches zinsähnliches Teilentgelt. Der Auffassung der Beklagten, das Bearbeitungsentgelt sei wie ein Disagio als Teil der Gegenleistung für die Überlassung des Geldes an den Darlehensnehmer zu verstehen, das heißt als ein einmaliges Entgelt, das zu Beginn des Vertragsverhältnisses zu bezahlen ist, vermag die Kammer nicht zu folgen.

In der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 29.05.1990 (BGH, Urt. v. 29.05.1990 – XI ZR 231/8, juris Rz 12) stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass sich Funktion und Rechtsqualität des Disagios in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich verändert hätten. Während ein Disagio früher in aller Regel der Abgeltung der mit der Kreditbeschaffung und -gewährung zusammenhängenden Aufwendungen gedient und somit die laufzeitunabhängigen Kosten des Darlehensgebers zu decken gehabt habe, sei es heute weitgehend zu einem integralen Bestandteil der – laufzeitabhängigen – Zinskalkulation geworden. Angesichts dessen sei das Disagio als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzins anzusehen und könne daher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung anteilig zurückverlangt werden (BGH, Urt. v. 29.05.1990 – XI ZR 231/8, juris Rz 13). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung eine Vertragsauslegung nicht gebilligt, nach der ein Disagio im Regelfall dem Darlehensgeber unabhängig von Laufzeit und Durchführung des Vertrags endgültig verbleiben soll, wenn die Vereinbarung keine ausdrückliche Rückzahlungsregelung für den Fall vorzeitiger Vertragsbeendigung enthalte und das Disagio der Höhe nach die bei etwa 10% anzusetzende Grenze des Marktüblichen nicht überschreite (BGH, Urt. v. 29.05.1990 – XI ZR 231/8, juris Rz.10).

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.12.2012 (Seite 8, Bl. 117 GA) indes selbst vorgetragen, dass das Bearbeitungsentgelt ein laufzeitunabhängiges Entgelt sei und es im Falle vorzeitiger Beendigung nicht anteilig an den Kunden erstattet werde. Damit stellt es nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade kein Disagio, mithin keinen Zins, also keine Hauptleistung im Sinne des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB dar (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 04.08.2010 – 3 U 78/10; juris Rz 30).

Zudem konnten die Kläger – anders als bei einem Disagio, wo der Kunde die Wahl hat, ob er ein Darlehen mit demselben Nennbetrag entweder mit einem geringen Disagio, aber höheren Zinsen oder mit einem höheren Disagio, aber niedrigeren Zinsen aufnehmen will – hier keine freie Entscheidung treffen. Die Beklagte hat den Klägern das Bearbeitungsentgelt allein auf Grundlage des Kreditnennbetrages berechnet, ohne diesen eine Wahlmöglichkeit bezüglich der Höhe des Zinssatzes einzuräumen. Einen zinsähnlichen Charakter – wie das Disagio – weist das Bearbeitungsentgelt auch deshalb gerade nicht auf.

Überdies kann hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagte mit dem Bearbeitungsentgelt die laufzeitabhängige Nutzungsmöglichkeit des Darlehenskapitals hat vergüten lassen. Zwar wird das Bearbeitungsentgelt ausweislich des Darlehensformulars für die „Kapitalüberlassung“ erhoben. Bei sachgerechter Auslegung aus dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) kann die Klausel in ihrer Gesamtheit aber nur so verstanden werden, dass sich das Kreditinstitut durch die Erhebung der zusätzlichen Bearbeitungsgebühr ihren Bearbeitungsaufwand für die Auszahlung der Darlehensvaluta ergänzend zur gesetzlichen Regelung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB vergüten lässt. Denn es wird ausdrücklich die Bezeichnung „Bearbeitungsentgelt“ gewählt.

Für diese Auslegung spricht auch der Umstand, dass das Bearbeitungsentgelt in den von der Beklagten zusammengestellten „Europäische(n) Standardinformationen für Verbraucherkredit“ (Anlage L 1, Bl. 19, 20, 12, 13 und 14 GA) unter der Kategorie „Sonstige Kosten im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag“ eingeordnet ist. Es wird damit gerade nicht als Hauptleistung bezeichnet, sondern den sonstigen Kosten zugeordnet, wozu Bearbeitungskosten üblicherweise zählen.

Im Übrigen könnte die Klausel selbst dann, wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, durch das Bearbeitungsentgelt werde die Kapitalnutzung anteilig mitvergütet, nicht als kontrollfreie Preisabrede eingeordnet werden. Lässt eine Klausel mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, ist nach Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB für die Auslegung davon auszugehen, dass die Bearbeitungsgebühr der Abgeltung eines einmaligen Verwaltungsaufwandes diente und keine Entgeltfunktion aufweist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 27.07.2011 – 17 U 59/11; Schmieder, WM 2012, 2358 [2361]).

(b)
Bei der Bearbeitungsgebühr handelt es sich auch nicht um ein Entgelt für eine neben die Kapitalbelassung tretende, rechtlich selbstständige Leistung. Denn die Zurverfügungstellung der Darlehenssumme – wofür das Bearbeitungsentgelt nach sachgerechter Auslegung verlangt wird – dient der Erfüllung der gesetzlichen Hauptleistungspflicht aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist damit nicht gesondert vergütungsfähig (vgl. ausführlich Schmieder, WM 2012, 2358 [2362]).

(2)
Die Vereinbarung des Bearbeitungsentgelts benachteiligt die Kläger unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. dazu etwa OLG Bamberg, Urt. v. 04.08.2010 – 3 U 78/10; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.02.2011 – 4 U 174/10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2011 – 6 U 162/10; OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.05.2011 – 17 U 192/10; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.07.2011 – 17 U 59/11; OLG Dresden, Urt. v. 29.09.2011 – 8 U 562/11; OLG Celle, Beschl. v. 13.10.2011 – 3 W 86/11; OLG Hamm, Urt. v. 17.09.2012 – 31 U 60/12; Schmieder, WM 2012, 2358 ff.). Wie bereits ausgeführt, kann nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Kreditinstitut als Entgelt für die Darlehensgewährung ausschließlich den laufzeitabhängig bemessenen Zins beanspruchen, den es zur Deckung anfallender Kosten zu verwenden hat. Nicht aber kann ein gesondertes Entgelt für den im eigenen Interesse und in Erfüllung gesetzlicher Pflichten angefallenen Bearbeitungsaufwand verlangt werden. Die unangemessene Benachteiligung wird daher durch den gegebenen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung indiziert (BGH, Urt. v. 18.05.1999 – XI ZR 219/98, juris, Rz 32).

Gründe, die die Klausel gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Denn der durch die Bearbeitungsgebühr abzugeltende Aufwand der Beklagten stellt keine Dienstleistung gegenüber dem Kunden dar, sondern dient vielmehr vordringlich der Wahrung eigener Interessen der Beklagten. Die Beklagte ist zu dem von ihr betriebenen Aufwand – der Darlehensauszahlung – gesetzlich verpflichtet.

Die Angemessenheit der Klausel ergibt sich auch nicht deshalb, weil – wie die Beklagte meint – es ihr als Bank unbenommen sei, den Bearbeitungsaufwand in den Sollzins einzukalkulieren, was aber letztlich zu einer Verteuerung des Kredits für den Verbraucher führen würde. Die geringere Höhe des Entgelts ist grundsätzlich keine Rechtfertigung für unangemessene AGB. Solche preiskalkulatorischen Erwägungen sind nicht statthaft; es müssen die Verwender ihre Preise nach solchen Bedingungen kalkulieren, die sich mit den Geboten von Treu und Glauben vereinbaren lassen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.05.1980 – VII ZR 166/79, juris; Grüneberg, in: Palandt, 71. Aufl. § 307 Rn 18).

(3)
Ein Recht der Beklagten auf Erhebung einer Bearbeitungsgebühr lässt sich auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) herleiten. Es kann dahinstehen, ob hier eine ergänzende Vertragsauslegung deswegen in Betracht kommt, weil sich die mit dem Wegfall der unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Die ergänzende Vertragsauslegung scheitert im vorliegenden Fall jedenfalls daran, dass nicht feststeht, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die von der Beklagten vorgegebene Bearbeitungsgebühr unwirksam ist. Denn kann eine Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen (vgl. nur BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 397/03; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 157 Rn 10 m.w.N.).

c)
Einem etwaigen Rückforderungsbegehren steht auch nicht die Vorschrift des § 814 BGB entgegen. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete zwar dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Dies kann im vorliegenden Fall indes nicht deshalb angenommen werden, weil die Kläger sich zur Begründung ihrer Rechtsansicht auf Urteile verschiedener Oberlandesgerichte aus den Jahren 2010 und 2011 stützen. Wie die Beklagte selbst betont hat, liegt bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Wirksamkeit von Bearbeitungsentgelten vor. Von einer eindeutigen Rechtslage kann demnach nicht ausgegangen werden. Bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld stehen der für § 814 BGB erforderlichen positiven Kenntnis aber nicht gleich. Sie genügen nur ausnahmsweise dann, wenn die Leistung in der erkennbaren Absicht erfolgt ist, sie auch für den Fall der Nichtschuld zu bewirken (Sprau, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 814 Rn 3). Letzteres kann indes mangels entsprechenden Vortrags oder dahingehender Anhaltspunkte nicht festgestellt werden.

2.
Die Kläger haben gegen die Beklagte zudem einen Anspruch gemäß §§ 818 Abs. 1 Hs. 1, 246 BGB auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 4,59 EUR, ausgehend von einem Zins in Höhe von 4%, gerechnet ab dem spätesten Zeitpunkt des unstreitigen Vertragsschlusses am 10.03.2012 bis zum 13.04.2012. Die Pflicht zur Herausgabe des Erlangten erstreckt sich auch auf die vom Bereicherten gezogenen Nutzungen. Dass die Beklagte aus dem Geld tatsächlich Nutzungen gezogen hat, wird aufgrund ihrer Stellung als Geldinstitut vermutet (Sprau, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 818 Rn 10).

3.
Der zugesprochene Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Mit dem Schreiben der Kläger vom 15.03.2012 ist die Beklagte vergeblich zur Rückerstattung der Bearbeitungsgebühr aufgefordert worden und befand sich sodann mit der Leistung in Verzug, § 286 Abs. 1 BGB. Aus dem Verzugsgesichtspunkt heraus haben die Kläger einen Anspruch auf Erstattung der zur Rechtsverfolgung notwendigen Rechtsanwaltskosten.

4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

5.
Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 1 ZPO). Die Frage der Wirksamkeit von Bearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen ist eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist.

Wert des Berufungsverfahrens: 1.200,00 EUR

I