LG Bonn: Eine Werbung für Zahnimplantate mit günstigem Pauschalpreis ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 23. Oktober 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Bonn, Urteil vom 21.04.2011, Az. 14 O 184/10
§ 8 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; § 2 GOZ, § 4 GOZ, § 5 GOZ, § 15 GOZ

Das LG Bonn hat entschieden, dass eine Zahnarztpraxis nicht mit einem Pauschalpreis für zahnärztliche Leistungen werben darf (hier: Zahnimplantate). Der Beklagte habe mit seiner Werbung gegen die Preisvorschriften der GOZ verstoßen und damit wettbewerbswidrig gehandelt. Sein Verhalten sei nicht von § 2 Abs. 1 GOZ gedeckt. Danach könne durch Vereinbarung eine von dieser Verordnung (GOZ) abweichende Höhe der Vergütung festgelegt werden, wobei gem. § 2 Abs. 2 GOZ die Vereinbarung in einem Schriftstück zu treffen sei. Die Dispositionsfreiheit sei also auf die „abweichende Höhe der Vergütung“ beschränkt; nur insoweit könnten die in den Vorschriften der GOZ enthaltenen Berechnungsregelungen grundsätzlich abbedungen werden. Die Zahlung eines pauschalen Honorars genüge den Anforderungen nicht. Eine Abrechnung auf Basis eines Pauschalpreises könne der Beklagte auch nicht fällig stellen (vgl. § 10 Abs. 1, 2 Nr. 2 GOZ). Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Bonn

Urteil

I.

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung es vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben Zahnimplantate zum Pauschalpreis zu bewerben:

( Abbildung der wiedergegebenen Werbung der Zahnimplantate )

II.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.01.2011 zu zahlen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

IV.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar:

a)

zu Ziffer I. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 €,

b)

zu Ziffern II. und III. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten, der in T eine oral-chirurgische Fachpraxis betreibt, wegen der im Tenor unter Ziffer I. wiedergegebenen Anzeige im „S U“ vom ##.10.20## (Anlage 1 = Bl. # d.A.) auf Unterlassung in Anspruch, weil

die hervorgehobene und reißerische Werbung für Zahnimplantate mit einem Pauschalpreis von nur 888,00 € einen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf den angesprochenen Verkehr ausübe (§ 4 Nr. 1 UWG),
die Werbung gegen § 5 Abs. 2 GOZ verstoße (§ 4 Nr. 11 UWG).

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Anzeige nicht für berufswidrig und „reißerisch“, zumal zunächst einmal ein Beratungstermin dazu stattfinde, ob es im konkreten Fall sinnvoll, zahnmedizinisch indiziert und überhaupt möglich sei, ein Implantat einzusetzen. Der geforderte Preis von € 888,- sei nicht besonders günstig, weil er innerhalb der von der GOZ vorgegebenen Spanne liege; wegen der Einzelheiten wird auf Seiten 7 ff der Klageerwiderung (Bl. ## ff d.A.) und 2 f der Duplik (Bl. ### f d.A.) verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten den Unterlassungsanspruch und den Aufwendungsersatzanspruch, wie tenoriert.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG, 5 GOZ.

a)

Der Kläger ist auf Grund seiner Mitgliederstruktur umfassend verbandsklagebefugt für das gesamte Bundesgebiet und kann deshalb den Unterlassungsanspruch geltend machen, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, 29. Aufl. 2011, UWG Einl Rn. 2.29).

b)

Der Kläger hat den Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG, weil der Beklagte eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 UWG vorgenommen hat, die geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Die Werbung des Beklagten war eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, nämlich ein Verhalten vor einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Die geschäftliche Handlung war unlauter, weil der Beklagte einer gesetzlichen Vorschrift zuwider gehandelt hat, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Gem. § 15 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde sind in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) „Mindest- und Höchstsätze“ für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Gem. § 1 Abs. 1 GOZ bestimmt sich die Vergütung für die beruflichen Leistungen der Zahnärzte nach dieser Verordnung (der GOZ), nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 GOZ nach den im Gebührenverzeichnis genannten Gebührensätzen. Dabei ist gem. § 5 Abs. 2 GOZ der Gebührenrahmen unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen (der Zahnärzte) zu bemessen. Diese Bestimmungen zielen darauf ab, einen (ruinösen) Preiswettbewerb um Patienten im Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens zu verhindern und gleiche rechtliche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen (vgl. BGH NJW 2006, 1897, Tz. 15; KG GRUR-RR 2008, 24; Köhler a.a.O., Rn. 11.142 zu § 4 Nr. 11 UWG). Daher ist auch die durch die Anwendung der GOZ bewirkte Einschränkung der freien Honorarvereinbarung mit Artikel 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie erhöht im Interesse der zahlungspflichtigen Patienten die Transparenz der Liquidation und zielt auf eine angemessene, leistungsgerechte Vergütung, dient damit dem Verbraucherschutz und einem vernünftigen Gemeinwohlgrund in geeigneter Weise (vgl. BGH a.a.O., Tz. 14, 15).

Der Beklagte hat mit seiner Werbung gegen die o.a. Preisvorschriften der GOZ verstoßen und damit wettbewerbswidrig gehandelt. Sein Verhalten war nicht von § 2 Abs. 1 GOZ gedeckt. Danach kann durch Vereinbarung eine von dieser Verordnung (GOZ) abweichende Höhe der Vergütung festgelegt werden, wobei gem. § 2 Abs. 2 GOZ die Vereinbarung in einem Schriftstück zu treffen ist. Die Dispositionsfreiheit ist also auf die „abweichende Höhe der Vergütung“ beschränkt; nur insoweit können die in den Vorschriften der GOZ enthaltenen Berechnungsregelungen grundsätzlich abbedungen werden. Die Zahlung eines pauschalen Honorars genügt den Anforderungen nicht (vgl. BGH a.a.O., Tz. 16; Lieboff/Raff/Wissing, GOZ-Kommentar-Allgemeiner Teil, § 2, Rn. 6, 8). Eine Abrechnung auf Basis eines Pauschalpreises könnte der Beklagte auch nicht fällig stellen (vgl. § 10 Abs. 1, 2 Nr. 2 GOZ).

c)

Der Beklagte hat auch deshalb unlauter gehandelt (§ 3 UWG), weil er eine irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen hat, die zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Dienstleistung, wie Risiken und Zusammensetzung enthielt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Die Anzeige erweckt den Anschein eines Pauschalpreises. Unter einem Pauschalpreis oder einem Festpreis verstehen die angesprochenen Verkehrskreise den Preis, der sämtliche Leistungen zur Nutzung der Dienstleistung und/oder zum Erwerb der beworbenen Ware umfasst. Der Beklagte hat zwar mit Hilfe eines Sternchenhinweises positiv die Leistungen beschrieben, die in dem Preis von € 888,- enthalten sind; der Verbraucher weiß jedoch nicht, dass „der Knochenaufbau und die Prothetik beim Hauszahnarzt liegen“ (Seite 2 der Klageerwiderung = Bl. ## d.A.) und dadurch weitere Aufwendungen entstehen. Der Verbraucher weiß ferner nicht, dass die Vereinbarung eines Pauschalhonorars unwirksam sein kann (vgl. BGH NJW 1992, 746; LG Stuttgart NJW 1985, 688) und es deshalb auch Schwierigkeiten mit der Erstattung durch die Krankenkassen geben kann, weil deren Leistungspflicht nicht weiter geht als die Zahlungsverpflichtung des Versicherten, so dass selbst durch die Begleichung der Rechnung durch den Versicherten kein Erstattungsanspruch ausgelöst wird. Der Versicherte würde auf seinen Kosten „sitzen bleiben“ (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.1999, L 5 KR 101/98, BeckRS 9999, 01572).

II.

Der Aufwendungsersatzanspruch zu Ziffer 2. des Tenors folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG; der Kammer ist aus vielen wettbewerbsrechtlichen Verfahren bekannt, dass er in dieser Höhe angemessen ist (§ 287 ZPO).

III.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus § 291 BGB, die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: bis 15.000,00 €.

I