LG Bonn: Headhunter müssen sich zu erkennen geben, anderenfalls liegt eine unzumutbare Belästigung vor

veröffentlicht am 9. Juli 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Bonn, Urteil vom 03.01.2013, Az. 14 O 165/12
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr.1 UWG, § 3 UWG, § 7 Abs. 1 UWG

Das LG Bonn hat entschieden, dass ein sog. Headhunter, der Mitarbeiter eines anderen Unternehmens abwerben möchte, seine Identität gleich zu Beginn eines Gesprächs zu erkennen geben muss. Werde bei einem Anruf ein Mitarbeiter der Telefonzentrale über die Identität im Unklaren gelassen oder getäuscht, um die Weiterleitung zu einem Mitarbeiter zu erreichen, liege ein unzumutbare Belästigung und damit eine unlautere geschäftliche Handlung vor. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Bonn

Urteil

1.
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,

bei geschäftlichen Handlungen

Mitarbeiter der Klägerin unter Rufnummern mit der Kennung ####/$$-xxxx anzurufen oder anrufen zu lassen oder sich zu einer solchen Nummer verbinden zu lassen, sofern der Anrufer wörtlich oder sinngemäß darauf verweist, er rufe von oder im Auftrag der Firma P an.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

3.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Antragstellerin, ein Systementwickler für Softwarelösungen auf dem Gesundheitsmarkt, der vor allem IT-Dienstleistungen für gesetzliche Krankenkassen erbringt, begehrt von der Antragsgegnerin, die im Bereich der Unternehmens- und der Personalberatung tätig ist, u. a. die Unterlassung von Anrufen mit dem Verweis, der Anrufer rufe von oder im Auftrag der Firma P an.

Am 09.11.2012 gegen 10:15 Uhr rief ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin, nach deren Angaben der als Werkstudent tätige C, bei der Antragstellerin an, um deren Mitarbeiter L zu sprechen. Gegenüber diesem meldete er sich mit seinem Vor – und Nachnamen sowie mit der Firma der Antragsgegnerin. Er war durchgestellt worden von der Mitarbeiterin der Telefonzentrale, Frau I T. Zu dem Dialog zwischen dieser und Herrn C gibt es unterschiedliche Darstellungen:

Die Antragstellerin behauptet dazu:

Der Anrufer habe sich bei der Frau I T als „Herr C2″ von der Firma „P“ vorgestellt und darum gebeten, mit dem Mitarbeiter L verbunden zu werden.

Die Antragsgegnerin behauptet dazu:

Ihr Mitarbeiter C habe sich vorgestellt: „Schönen guten Morgen, mein Name ist C, ich hätte gerne Herrn L gesprochen“. Sodann habe die Telefonistin, die sich selbst namentlich nicht vorgestellt habe, ihn „entweder danach gefragt, was er von Herrn L wollte oder von welcher Firma er anriefe“. Der Mitarbeiter C habe der Mitarbeiterin der Antragstellerin darauf „einen Firmennamen genannt“ – ob es sich dabei um den Namen „P“ gehandelt habe, könne er nicht mehr sagen.

Die Antragstellerin behauptet, ihre Mitarbeiter würden häufig von sogenannten „Headhuntern“ am Arbeitsplatz kontaktiert, was zu erheblichen Belästigungen in ihrer Arbeitsorganisation führe. Daher sei die Telefonzentrale angewiesen, keine Anrufe durchzustellen, die erkennbar von Personalvermittlungsunternehmen stammen. Sie habe ihre Mitarbeiter sensibilisiert und gebeten, unerwünschte Kontaktaufnahmen zu melden.

Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht, dass die Mitarbeiterin der Telefonzentrale für das bloße Verteilen von Anrufen in einem Unternehmen von fast 500 Mitarbeitern zuständig sei und sie deshalb das Unternehmen, in dessen Namen, der Mitarbeiter C angerufen habe, also ihre, der Antragsgegnerin, Firma, nicht zu interessieren hatte. Es komme insoweit auf die Sicht des Anrufers an, ob dieser mit der Telefonzentrale oder einem Callcenter einerseits oder mit der Sekretärin oder Assistentin des Zieladressaten andererseits verbunden werde (Vortrag in der mündlichen Verhandlung).

Der Mitarbeiter der Antragsstellerin habe vor dem Auflegen ihrem, der Antragsgegnerin, Mitarbeiter C noch seine private E-Mail-Adresse überlassen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

I.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin den Unterlassungsanspruch, wie im ersten Satz des Tenors, gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr.1; 3; 7 Abs. 1 UWG.

a.
Der Mitarbeiter C der Antragsgegnerin versuchte, mit dem Mitarbeiter L der Antragstellerin zu telefonieren, um den Umsatz der Antragsgegnerin zu steigern; es handelte sich dabei um eine geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 2 Nr. 1; 3 UWG.

b.
Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von §§ 2 Nr. 3 UWG; 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, denn sie konkurrieren auf dem Nachfragemarkt für Personal (vgl. Köhler/Bornkamm, 30 Aufl., Rdn. 39, 96h zu § 2 UWG).

c.
Ein Unterlassungsanspruch ist gemäß § 8 Abs.2 UWG gegen die Antragsgegnerin begründet, denn die Zuwiderhandlungen (unten unter d.) im Sinne von §§ 3; 7 UWG sind in ihrem Unternehmen durch ihren Mitarbeiter C begangen worden.

d.
Die von dem Werkstudenten C vorgenommene geschäftliche Handlung belästigte die Antragstellerin in unzumutbarer Weise und war deshalb gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 UWG unzulässig.

Nicht jedes Ansprechen eines vertraglich an einen Konkurrenten gebundenen Mitarbeiters ist unzulässig. Der volkswirtschaftlich erwünschte Leistungswettbewerb bedarf eines möglichst ungebundenen Spiels der Kräfte auch auf dem Arbeitsmarkt. In Ansehung des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften einerseits und der Berufsausübungsfreiheit für Personalvermittler andererseits, ist zur Bewertung der Frage, ob das auf Abwerbung zielende Verhalten eine wettbewerbswidrige Eigenart aufweist, eine Abwägung der Interessen aller beteiligten Marktteilnehmer notwendig (Köhler a.a.O., Rdn 175 zu § 7 UWG m.w.N.). Bei der Bewertung ist ein Kriterium die Anwendung verwerflicher Mittel und Methoden (Köhler, a.a.O. Rn. 10.104 zu § 4 UWG). Die Kammer hat schon in anderer Sache die Auffassung vertreten, dass die Grenze zu einer unzulässigen Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG überschritten wird, wenn der Anrufer einen Mitarbeiter des Arbeitgebers über seine Identität täuscht (Rechtsgedanke aus §§ 6 TMG, 5 a Abs. 3 Nr. 2; 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG). Entsprechendes gilt für die Subsumtion unter § 7 Abs.1 UWG: Bei einer Identitätstäuschung wird der Arbeitgeber auch unzumutbar belästigt, denn es ist ein elementarer Grundsatz wettbewerblichen Anstands, dass der Wettbewerbsteilnehmer sich offen zu seiner Identität bekennt und diese nicht verbirgt (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2004, 25 – zu §§ 1,3 UWG a.F., 35 a GmbHG).

e.
Diese Überlegungen sind im vorliegenden Fall nicht deshalb hinfällig, weil es sich bei dem getäuschten Mitarbeiter der Antragstellerin „nur“ um eine in der Telefonzentrale Beschäftigte handelte.

aa.
Die Täuschung und die daraus folgende Irreführung dieser Beschäftigten sind, unterstellt, das Bestreiten der Antragsgegnerin wäre erheblich (§§ 138 Abs.4, 3 ZPO), hinreichend glaubhaft gemacht. Sie hat die Äußerungen des Mitarbeiters C der Antragsgegnerin in diesem Sinne zum Gegenstand einer eidesstattlichen Versicherung gemacht. Deren Inhalt ist präzise und in einem Teil sogar unstreitig, auch dahingehend (wie im Termin erörtert), dass der Werkstudent C sich jedenfalls nicht im/unter dem Namen der Antragsgegnerin gemeldet hat. Wenn er sich an den Namen des von ihm benannten Unternehmens nicht erinnern kann, ist die eidesstattliche Versicherung jedenfalls für die Überzeugungsbildung der Kammer ausreichend, dass er sich als für die Firma P anrufend vorgestellt hat.

bb.
Es kann dahinstehen, ob Aufgabe der in der Telefonzentrale tätigen Mitarbeiter „in der Regel ausschließlich die bloße interne Weiterleitung und Vermittlung der Anrufer an den gewünschten Ansprechpartner, nicht aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Anliegen der einzelnen Anrufern“ ist. Der Kammer ist diese Regel so nicht bekannt. Nach ihrer Kenntnis sind die Mitarbeiter am Telefon vielfach als die erste Kundenansprache diejenigen, die als erste mit den Sorgen und Wünschen der Kunden konfrontiert werden. Daher vermitteln sie dem Kunden den ersten Eindruck vom Unternehmen. Je qualifizierter die Mitarbeiter in der Telefonzentrale des kontaktierten Unternehmens sind, umso besser ist der Eindruck und umso besser und qualifizierter kann dem Kunden geholfen werden kann, auch zur Entlastung der (nachgeschaltet) zuständigen Sachbearbeiter des Unternehmens. Weil das so ist, werden häufig solche erfahrenen Mitarbeiter eingesetzt, die, im Rahmen der Vorgaben der Unternehmensleitung, auch die notwendigen Auskünfte über das Unternehmen und/oder entweder dem Kunden Auskunft erteilen und Hilfestellung bieten oder – aufgrund ihrer Wissensprofile – die Kunden direkt an den zuständigen Sachbearbeiter weiterleiten können.

Auch bei der Handlung des Mitarbeiters der Antragsgegnerin war die in der Telefonzentrale tätige Mitarbeiterin willens und in der Lage, sich mit dem Inhalt des von dem Anrufenden Gesagten zu beschäftigen, ihn zu verstehen und das Gesagte zu verarbeiten. Sie konnte deshalb aufgrund der Täuschungshandlung des Werkstudenten C in die Irre geführt werden. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Abteilungsleiterin Personal und Organisationsentwicklung der Antragstellerin ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiter der Telefonzentrale ausdrücklich angewiesen worden waren, Anrufe von Personalvermittlern und „Headhuntern“, Identern oder ähnlichen Dienstleistern nicht zu den Mitarbeitern durchzustellen, auch solche Anrufe nicht durchzustellen, bei denen der Anrufer sich nicht identifizierte, ferner unerwünschte Kontaktaufnahmen zu melden. Dementsprechend hat die Telefonistin, Frau I T, den Vorgang vom 09.11.2012 nicht nur gemeldet, sondern sie hat, aufgrund des Irrtums, der durch die falsche Benennung des Auftraggebers des Anrufers C, „Fa. P“ (Täuschungshandlung), entstanden ist, den Anruf an den Mitarbeiter L der Antragstellerin weitergeleitet. Dieses geschah gegen den ausdrücklich erklärten Willen der maßgeblichen Mitarbeiter des Unternehmers, der Antragstellerin, denn hätte C wahrhaftig erklärt, für wen er anrufe, hätte sie den Anruf nicht weitergeleitet. Es besteht also kein Zweifel, dass auch Mitarbeiter der Telefonzentrale – für ihren Arbeitgeber relevant – durch Identitätstäuschung in die Irre geführt werden können. Eine solche Irreführung ist wegen der Schranke der §§ 3, 7 UWG nicht durch das Grundrecht der Berufsausübung (Art.12 Abs. 1 GG) gedeckt.

II.

Die Wiederholungsgefahr wird vermutet.

III.

Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 2 UWG ist nicht entfallen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

V.

Streitwert: € 50.000,-

I