LG Bonn: Unlautere Einflussnahme auf Kunden der Konkurrenz ist wettbewerbswidrig / Die „vorsorgliche Konto-Abbuchung“

veröffentlicht am 14. Dezember 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLandgericht Bonn, Urteil vom 10.11.2009, Az. 11 O 150/08
§§ 3; 4 Nr. 10; 8; 11 UWG

Das LG Bonn hat wenig überraschend entschieden, dass die rüde Überrumpelung von Kunden der Konkurrenz nicht im Einklang mit dem geltenden Wettbewerbsrecht steht. Die Parteien dieses Verfahrens waren Wettbewerber auf dem Gebiet der Stromversorgungsleistungen für Verbraucher. Die Beklagte schickte „drei Herren“ aus, welche bei einer Kundin der Klägerin klingelten und dieser erklärten: „Wir kommen von [Klägerin] und [Klägerin] wird dieses und das Nebenhaus nicht mehr beliefern. Sie müssen zu der Firma [Beklagte] wechseln„. Die eingeschüchterte Kundin der Klägerin unterschrieb in der Not einen Versorgungsvertrag mit der Beklagten. Einem anderen Kunden der Klägerin widerfuhr das Gleiche, wobei ihm eine Bedenkzeit eingeräumt wurde, die allerdings wenig wert war, da die Beklagte umgehend versuchte, Abschlagszahlungen von seinem Konto abzubuchen. Das LG Bonn mochte beides nicht:


Zum Abbuchungsversuch erklärte es, der ohne jede bindende Absprache vorgenommene Abbuchungsversuch sei in dem damit beabsichtigten Erfolgsfalle geeignet gewesen, für Kunden der Klägerin vollendete Tatsachen im Sinne einer faktischen vertraglichen Bindung an die Beklagte zu schaffen. Damit verstoße diese Verhaltensweise gegen das Verbot der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Ziffer 10. UWG) durch unlautere Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit ihrer Vertragskunden (vgl. auch BGH GRUR 2007, 987, 989 Rd.25 – Änderung der Voreinstellung; BGH GRUR 2005, 603, 604 – Kündigungshilfe; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 4 UWG Rd.10.32ff. jeweils m.w.N.).

Soweit der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit bei versehentlichen Vertragsverletzungen eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs.1 Ziffer 1. UWG verneint habe, hätten dem besondere Sachverhalte zugrunde gelegen, die eine enge Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches erforderten. Anders als die in begründeten Einzelfällen möglicherweise als versehentliche Verletzung von reinen Vertragspflichten einzustufenden Verhaltensweisen (so BGH, Urteil vom 05.02.2009 – I ZR 119/06BeckRS 2009 22023 – „Änderung der Voreinstellung II“; BGH GRUR 2007, 987, 988 Rd.24f. – „Änderung der Voreinstellung“; vgl. dazu auch BGH GRUR 2009, 685, 689 Rd.37ff. – „ahd.de“; Isele GRUR 2009, 727, 728), erfasse der vorliegende Fall indes einen erkennbar ohne jede vertragliche Grundlage vorgenommenen Eingriff in die Rechte eines Kunden der Klägerin als Mitbewerberin der Beklagten. Eine einschränkende Auslegung auch des weitgefassten Begriffs der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs.1 Ziffer 1. UWG n.F. sei in diesem Fall nicht geboten, sondern würde im Ergebnis zu einer mit dem Schutzzweck des UWG nicht zu vereinbarenden Privilegierung von Unternehmen führen, die sich einer Vielzahl von werbenden Mitarbeitern oder – wie hier – Vertriebspartnern bedienten. Vielmehr sei an dem auch § 8 Abs. 2 UWG zugrundeliegenden Rechtsgedanken, dass die arbeitsteilige Organisation eines Unternehmens dessen Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen solle (vgl. BGH GRUR 2007, 994, 995 Rd.19 – „Gefälligkeit“; OLG Köln GRUR-RR 2006, 205, 206), festzuhalten. Gleichzeitig stehe damit fest, dass die Verhaltensweisen des „Pushers“ der Beklagten auch unter Berücksichtigung der vorgetragenen Stellung dieser Person als Vertriebspartner zuzurechnen seien.

Zum Streitwert von 50.000,00 EUR erklärte die Kammer: Die Festsetzung des Streitwertes ergebe sich aus dem Klägerinteresse an der Anspruchsverwirklichung (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO., § 12 Rd.5.3ff.). Dabei sei entsprechend § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs.1 und Abs.2 GKG insbesondere auf die wirtschaftliche Bedeutung der zu unterbindenden Handlungen abzustellen gewesen, die in Anbetracht der zu diskutierenden Vertragsvolumen auch unter Berücksichtigung der bei Klageeinreichung bestehenden Wiederholungsgefahr keine höhere Wertfestsetzung rechtfertigt habe.

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