LG Dortmund: Keine Dringlichkeit für einstweilige Verfügung, wenn Wettbewerbsverstoß grob fahrlässig über 4 Jahre nicht erkannt wurde

veröffentlicht am 26. Oktober 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Dortmund, Urteil vom 02.09.2010, Az. 13 O 85/10
§§ 12 Abs. 2 UWG, 5 UKlaG

Das LG Dortmund hat entschieden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Dringlichkeit unzulässig ist, wenn die von einem Berufsverband monierten Klauseln einer Rahmenvereinbarung bereits seit 4 Jahren in Benutzung sind. Dies deute darauf hin, dass der Verfügungskläger es gerade nicht eilig gehabt habe. Dies sei der Fall, da er längere Zeit untätig geblieben sei, obwohl er vom Wettbewerbsverstoß und der Person des Verstoßenden Kenntnis gehabt habe. Der positiven Kenntnis stehe dabei die grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Zwar gebe es keine Marktbeobachtungspflicht, jedoch müsse die grob fahrlässige Unkenntnis berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Wettbewerbsverstoß begangen wird. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Dortmund

Urteil

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung des Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Verfügungskläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Verfügungskläger, ein eingetragener Verein, ist Gewerkschaft und Berufsverband für angestellte und freie Journalisten in der BRD, die dem Verfügungskläger über Landesverbände mittelbar oder unmittelbar als Mitglieder angehören. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrnehmung und Förderung aller beruflichen, rechtlichen und sozialen Interessen der hauptberuflich in Presse, Hörfunk, Fernsehen und anderen Puplikationsmittel tätigen Journalisten sowie die Beratung und Unterstützung der Landesverbände in diesen Fragen. Auf die Satzung des Verfügungsklägers in der Fassung vom 07./08.11.2006, Blatt 204 bis 216 d. A., wird Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte gehört zur Unternehmungsgruppe Medienhaus M, in der verschiedene Zeitungen verlegt werden. Sie produziert im Auftrag der Unternehmensgruppe redaktionelle Beiträge und Fotos und erwirbt hierzu von freien Journalisten deren Wort- und Bildrechte zum Zwecke der Verwertung. Sie gestaltet seit 2006 die Zusammenarbeit mit ihren freien Mitarbeitern über eine Internet-Plattform, an der sich freie Mitarbeiter nur beteiligen können, wenn sie eine Rahmenvereinbarung mit der Verfügungsbeklagten schließen. Die Rahmenvereinbarung enthält u. a. Regelungen über die Honorarvereinbarung und die Einräumung von Nutzungsrechten. Zum genauen Inhalt der Rahmenvereinbarung wird auf Blatt 217 bis 220 d. A., verwiesen.

Der Verfügungskläger erwirkte gegen verschieden Verlage und Rechtserwerbsgesellschaften von Verlagen Urteile, mit denen die Verwendung bestimmter Vertragsbedingungen untersagt wurde. Auf die Urteil der Landgerichte Rostock, Berlin, Hamm und Hamburg und des Kammergerichts Berlin vom 31.07.1999, 05.06.2007, 26.03.2010, 04.05.2010 und 01.06.2010, Blatt 221 bis 293 und Blatt 437 bis 444 d. A, wird Bezug genommen.

Der Verfügungskläger nimmt auch die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der Verwendung verschiedener Klauseln ihrer Rahmenvereinbarung in Anspruch. Er mahnte die Verfügungsbeklagte ab mit Anwaltsschreiben vom 21.07.2010. Die Verfügungsbeklagte bot an, über einzelne Punkte zu sprechen. Sie hinterlegte unter dem 26.07.2010 beim Landgericht Bochum Schutzschrift vom 22.07.2010. Zum Inhalt dieser Schreiben wird auf Blatt 349 bis 359 d. A. Bezug genommen.

Mit Antrag vom 30.07.2010 beantragte der Verfügungskläger einstweiligen Rechtsschutz beim für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen Landgericht Bochum. Er stützte das Unterlassungsgebot betreffend bestimmte Klauseln auf Verstöße gegen das UKlaG und das UWG und beantragte nach gerichtlichem Hinweis unter dem 02.08.2010 Verweisung an das Landgericht Dortmund. Mit Beschluss vom 03.08.2010 wurde das Verfahren an das nach dem UKlaG zuständige Landgericht Dortmund verwiesen. Auf Antrag der Verfügungsbeklagten vom 12.08.2010 wurde mit Beschluss vom 13.08.2010 der Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen verwiesen.

Der Verfügungskläger hält sich für aktivlegitmiert. Er behauptet, ca. 38.000 Mitglieder zu haben, die zum großen Teil selbständige, insbesondere vor allem freiberufliche Unternehmer und im Übrigen Arbeitnehmer für Zeitungsverlage und Zeitschriftenverlage seien. Er ist der Auffassung, in den Honorarregelungen der Verfügungsbeklagten enthaltene Bestimmungen seien gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam und verstießen in besonders grobem Maße gegen das Urhebervertragsrecht. Die Regelungen seien zum Teil vollkommen intransparent und unverständlich, zum Teil schlicht mit den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes nicht zu vereinbaren. Die Verfügungsbeklagte lasse sich frei übertragbare Nutzungsrechte, die weit über das gesetzliche Maß hinaus gingen, übertragen und verschaffe sich hiermit einen Vorsprung durch Rechtsbruch. Dies habe nicht nur einen gefährlichen Nachahmungseffekt, sondern verzerre im großen Maße den Wettbewerb zu Gunsten der Verfügungsbeklagten, dies nicht nur zu Lasten der andern Verlage, sondern auch zu Lasten seiner Mitglieder, zu denen die Verfügungsbeklagte als nunmehrige Händlerin von Nutzungsrechten in Wettbewerb trete.

Der Verfügungskläger hält die Angelegenheit für dringlich. Die Dringlichkeitsvermutung der §§ 12 UWG, 5 UKlaG sei nicht widerlegt. Er behauptet, er habe erstmals am 08.07.2010 von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsbeklagten erfahren durch eine e-mail des Justiziars seines nordrheinwestfälischen Landesverbandes. Dieser habe seinerseits erst am 08.07.2010 Kenntnis erlangt durch ein Mitglied. Es sei auch allein auf tatsächliche Kenntniserlangung abzustellen und nicht darauf, ob möglicherweise Kenntnis hätte bestehen können.

Der Verfügungskläger beantragt,

der Verfügungsbeklagten es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten, eine „Rahmenvereinbarung über freie Mitarbeit“ mit den nachfolgend wiedergegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber freien Mitarbeitern zu verwenden oder sich gegenüber freien Mitarbeitern auf diese Klauseln zu berufen:

4.5 Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, die Gutschriftrechnung unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwände hiergegen spätestens innerhalb von 3 Monaten schriftlich gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen. Bei verspäteter Geltendmachung ist die Gesellschaft dazu berechtigt, die Erfüllung zu verweigern.

4.6 Die Gesellschaft behält sich vor, Leistungen aus inhaltlichen, qualitativen oder rechtlichen Gründen nicht oder nicht vollständig abzunehmen, insoweit entsteht kein Honoraranspruch. Bei einem vereinbarten Zeilenhonorar ist allein der Umfang der tatsächlich veröffentlichten Zeilen für die Berechnung des Honorars maßgeblich.

4.7 Die Bezahlung eines über die vereinbarten Honorare hinausgehenden Honorars für die Erstellung außergewöhnlichen (Recherche-)Aufwand setzt voraus, dass sich die Vertragsparteien über die besondere Honorierung und deren Höhe vor Erstellung der Leistung in Schrift- oder Textform (z. B. per Fax/Email) geeinigt haben.


§ 6 Urheberrecht

6.1 Der freie Mitarbeiter überträgt der Gesellschaft ein im Rahmen des Vertragsgegenstandes nach § 1 nutzbares ausschließliches, zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht an seinen Leistungen (Text, Fotos oder Illustrationen) und den damit zusammenhängenden Urheber- und Leistungsschutzrechten für alle Nutzungsarten. Die Einräumung umfasst die Befugnis, die Rechte im In- und Ausland in körperlicher Form zu nutzen oder in unkörperlicher Form wiederzugeben, und zwar insbesondere

* in Printmedien (z. B. Tageszeitungen, Beilagen, Sonderveröffentlichungen, Zeitschriften, Bücher),
* in Kommunikations- und Informationsdiensten (z. B. Radio, Internet, SMS, MMS, UMTS, Archive, Datenbanken),
* für Offline-Medien (z. B. CD-Rom, DVD),
* in der Werbung und für Werbemittel (z. B. Plakate, Werbefilme, POS-Werbeformen,
* für Merchandising-Produkte (z. B. T-Shirts, Tassen),
* (entgeltlichen) Leserfoto-Service

ungeachtet der jeweiligen Übertrags- und Trägertechniken.

6.2 Das Eigentum an Manuskripten, Illustrationen und Bildern, einschließlich der Negative geht mit Ablieferung an die Gesellschaft über.

6.3 Die Gesellschaft hat das Recht zur Bearbeitung und Umgestaltung.

6.4 Der Gesellschaft wird das Recht eingeräumt, diese Rechte im In- und Ausland auch durch Dritte unter Übertragung der entsprechenden Nutzungs- und Verwertungsrechte nutzen zu lassen und/oder Dritten diese Nutzungs- und Verwertungsrechte einzuräumen.

6.5 Die Urheberpersönlichkeitsrechte des freien Mitarbeiters an seinen Beträgen bleiben ansonsten unberührt. Der freie Mitarbeiter wird seine Urheberpersönlichkeitsrechte nicht in einer Weise geltend machen, die einen Konflikt mit den der Gesellschaft überlassenen Befugnissen und den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft herbeiführen kann.

6.6 Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit dem vereinbarten Honorar gemäß § 3 die Übertragung der zuvor aufgeführten Nutzungs- und Verwertungsrechte abgegolten ist.

6.7 Der freie Mitarbeiter garantiert der Gesellschaft den Bestand der zuvor bezeichneten Rechte, er versichert, dass diese nicht mit Rechten Dritter belastet sind. Soweit Dritten irgendwelche Rechte zustehen, verpflichtet sich der freie Mitarbeiter, die Gesellschaft von Ansprüchen hieraus freizustellen.

6.8 Die Gesellschaft ist zur Auswertung der übertragenen Rechte nicht verpflichtet.


8.2 Andere Vereinbarungen sind nicht getroffen. Änderungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für eine etwaige Änderung der vorstehend vereinbarten Schriftformklausel.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte erhält Dringlichkeit für nicht gegeben. Die Angelegenheit sei fast vier Jahre nach erstmaliger Bekanntgabe der Rahmenvereinbarung, die bislang von keinem Mitarbeiter im Hinblick auf irgendeine Klausel beanstandet worden sei und angesichts ihres Angebot, über einzelne Punkte zu sprechen, derzeit nicht mehr eilbedürftig. Angesichts von mittlerweile 2.000 geschlossenen Verträgen sei es schlechterdings unerklärlich, wie der Verfügungskläger von den jetzt erstmals monierten Klauseln keine Kenntnis gehabt haben will. Die Verfügungsbeklagte hält den Verfügungskläger für nicht aktivlegitimiert. Es sei nicht dargetan, wie viele der vom Verfügungskläger vertretenen hauptberuflichen Journalisten von den angegriffenen Regelungen betroffen seien. Die Vertragsbedingungen seien auch nicht rechtswidrig. Eine unangemessene Benachteiligung der selbständig tätigen und als Unternehmer nicht in gleichem Maße wie Verbraucher schutzbedürftigen freien Mitarbeiter liege nicht vor. Die formularmäßige Festlegung von Honorarbedingungen sei möglich, wie der von der Verfügungsklägerin mitausgehandelte Tarifvertrag für Arbeitnehmer, freie Journalisten und Journalistinnen an Tageszeitungen zeige.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig.

Zwar kann es dahinstehen, ob der Verfügungskläger aktivlegitimiert ist nach § 8 Abs. 3 UWG und § 3 UKlaG. Es fehlt schon an der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzung der Dringlichkeit gemäß §§ 935, 940 ZPO.

Die Dringlichkeitsvermutung der §§ 12 Abs. 2 UWG, 5 UKlaG ist widerlegt. Die Vermutung der Dringlichkeit besteht nicht, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es ihm nicht eilig ist. Dies ist der Fall, wenn er längere Zeit untätig bleibt, obwohl er vom Wettbewerbsverstoß und der Person des Verstoßenden Kenntnis hat. Der positiven Kenntnis steht dabei, anders als der Verfügungskläger meint, grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Solche liegt vor, wenn sich der Antragsteller bewusst der Kenntnis verschließt oder ihm nach Lage der Dinge der Wettbewerbsverstoß nicht verborgen geblieben sein kann. Von Letzterem ist hier auszugehen. Zwar gibt es, worauf der Verfügungskläger zu Recht hinweist, keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht. Dies gilt auch für die im öffentlichen Interesse tätigen Verbände. Anders ist die Situation aber, wenn wie hier konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Wettbewerbsverstoß begangen wird. Wie die von den Parteien vorgelegten Urteile zeigen, weiß der Verfügungskläger seit Jahren aufgrund seiner Beteiligung an verschiedenen von ihm selbst initiierten Rechtsstreitigkeiten, dass in der Verlagsbranche Honorarregelungen der von ihm beanstandeten Art nicht nur im Einzelfall verwendet werden, weil die Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von Honorarregelungen umstritten ist. Er musste angesichts dessen davon ausgehen, dass auch die zur nicht unbedeutenden M-gruppe gehörende Verfügungsbeklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit solchen Honorarregelungen verwendet. Er hätte sich durch Nachfrage bei seinem Landesverband und dessen Mitgliedern konkrete Kenntnis vom Inhalt der Regelungen beschaffen müssen. Dass ist ihm dies nicht möglich gewesen wäre, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

Mit der Forderung einer konkreten Nachforschungspflicht wird der Verfügungskläger auch nicht, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung beklagt, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Der Verfügungskläger hatte nach eigenen Vorträgen aufgrund seiner Verbandstätigkeit Vorkenntnisse, die für ihn die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes im konkreten Fall nahe legten. Wenn er in dieser Situation untätig bleibt, zeigt dies fehlendes Interesse an der sofortigen Unterbindung des Wettbewerbsverstoßes. Dies allein ist für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes von Bedeutung. Ob der Verfügungskläger darüber hinaus satzungsmäßigen Pflichten entsprechend agierte, ist ohne Bedeutung und nicht Gegenteil dieses Rechtsstreites.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziffer 6 ZPO.

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