LG Düsseldorf: Die Einhaltung einer Unterlassungserklärung kann auch aktive Maßnahmen erfordern

veröffentlicht am 17. November 2008

LG Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2008, Az. 38 O 60/08
§§ 3, 5, 6 UWG

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass die Einhaltung einer abgegebenen Unterlassungserklärung neben der bloßen Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens auch aktive Maßnahmen fordern kann. Im vorliegenden Fall hatte die Unterlassungsschuldnerin auf Warenverpackungen ihres Produkts eine unzutreffende, vergleichende Werbung zu einem Konkurrenzprodukt aufgedruckt. Diese Verpackungen waren im Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung bereits in den Einzelhandel gelangt. Im Rahmen einer in ausbedungenen Umstellungsfrist war es der Unterlassungsschuldnerin nicht gelungen, flächendeckend dafür zu sorgen, dass die Umverpackungen mit einem Aufkleber versehen wurden. Das Gericht war der Auffassung, dass die Unterlassungsschuldnerin sich nicht ausreichend bemüht habe, die Verstöße rechtzeitig abzustellen, etwa indem sie den Einzelhändlern die möglichen rechtlichen Konsequenzen deutlich vor Augen geführt oder eine ausreichende Verteilung von Aufklebern durch eigenen Außendienstmitarbeiter organisiert hätte. Hierin sah das Gericht das erforderliche Verschulden.

Landgericht Düsseldorf

Urteil

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

gegen

hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2008 durch … für Recht erkannt:

Die einstweilige Verfügung vom 16.06.2008 bleibt aufrechterhalten. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben u.a. Computersicherheitsprogramme. Die Antragsgegnerin hat auf Verkaufsverpackungen für ihre »[…]« geworben, indem sie vergleichende Angaben zu der von der Antragstellerin vertriebenen Software gemacht hat. Die Antragstellerin hält diese Angaben für unlauter und irreführend im Sinne der §§ 3 und 5 UWG. Auf eine Abmahnung hat sich die Antragsgegnerin strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet, diese jedoch unter den Vorbehalt einer Umstellungsfrist von vier Wochen gestellt. Die Antragstellerin hat die Erklärung für den Zeitraum ab dem 23. Mai 2008 angenommen, jedoch für den Zeitraum bis zu diesem Datum eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung vom 02.05.2008 erwirkt, die der Antragsgegnerin am 21.05.2008 zugestellt wurde.

Bei Testkäufen und Prüfungen in Einzelhandelsgeschäften stellte die Antragstellerin fest, dass weiterhin Software-Programme der Antragsgegnerin mit den vergleichenden Angaben angeboten und verkauft wurden. Die Antragstellerin ist der Auffassung, durch die – zahlreichen – Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung sei erneut eine Wiederholungsgefahr eingetreten.

Auf Antrag der Antragstellerin hat die Kammer durch Beschluss vom 16.07.2008 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

1.
die Behauptung aufzustellen, das Programm … unterscheide sich von … dadurch, dass die Prüfzeit bei … bei 4 Minuten 3 Sekunden, bei … dagegen bei 13 Minuten 45 Sekunden liegt, insbesondere, wenn dies geschieht, wie nachfolgend wiedergegeben:

[…]

9.
die Behauptung aufzustellen, das Programm … unterscheide sich von … dadurch, dass eine automatische Fehlerbehebung erfolgt, insbesondere, wenn dies geschieht, wie nachfolgend wiedergegeben: […]

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Sie trägt vor, sie habe nicht gegen die Unterlassungspflichten verstoßen, sondern alles in ihrer Macht stehende getan, damit die im Handel befindlichen Verpackungen mit Aufklebern versehen werden. Mangels Verstoß fehle es an der zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 16.06.2008 den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 16. 06.2008 aufrechtzuerhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Beschluss vom 16.06.2008 ist aufrechtzuerhalten. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der im Beschlusstenor niedergelegten Verhaltensweisen gemäß den §§ 3, 5 (und 6) UWG.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, in dessen Rahmen sich die Antragsgegnerin wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten hat, indem sie über die Produkte der Antragstellerin unzutreffende tatsächliche Behauptungen aufgestellt hat. Es herrscht kein Streit darüber, dass die im Einzelnen aufgeführten Behauptungen und Gegenüberstellungen teilweise nicht der Wahrheit entsprechen und teilweise unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein unzutreffendes Bild über die Leistungsfähigkeit der Software-Sicherheitsprogramme entstehen lassen. Die Antragsgegnerin hat die Behauptungen aufgestellt, indem sie sie auf Warenverpackungen angebracht hat.

Es besteht auch die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Wiederholungsgefahr. Zwar hat die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die sich auf die hier fraglichen Aussagen bezieht. Diese Erklärung betrifft jedenfalls den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum ab dem 23.05.2008. Die Antragsgegnerin hat jedoch nach diesem Zeitpunkt gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, so dass ernsthaft und greifbar weitere Verletzungen zu besorgen sind. Es ist eine neue Wiederholungsgefahr entstanden.

Die Unterlassungspflicht der Antragsgegnerin konnte nicht durch bloße Untätigkeit erfüllt werden. Die Antragsgegnerin hatte einen wettbewerbsrechtlichen Störungszustand geschaffen, der durch aktive Maßnahmen zu beseitigen war. Die Antragsgegnerin hatte zur Erfüllung der ihr nach Vertrag und Gesetz obliegenden Unterlassungspflichten alles zu unternehmen, um die weitere Verbreitung der inhaltlich von ihr stammenden Aussagen zu verhindern. Dies betraf nicht etwa nur die zukünftig von ihr an die Distributoren vorzunehmenden Lieferungen, sondern auch solche, die sich schon im Einzelhandel befanden. Dass zwischen ihr und diesen Händlern keine vertraglichen Beziehungen bestehen, ist ohne Bedeutung. Zum einen ergeben sich Möglichkeiten vertraglicher Einflussnahme durch die vier Verteilungszentren. Zum anderen hat die Antragsgegnerin selbst vorgetragen, Außendienstmitarbeiter hätten in Einzelfällen Aufkleber in Einzelhandelsgeschäften zur Verfügung gestellt. Es kann als selbstverständlich unterstellt werden, dass Einzelhändler nach Hinweis auf eine möglicherweise auch sie selbst treffende Verantwortlichkeit Maßnahmen zur Verhinderung von Wettbewerbsverstößen bereitwillig mitgetragen hätten.

Insoweit ausreichend tätig geworden zu sein und auf den Ernst der Situation hingewiesen zu haben, trägt die Antragsgegnerin selbst nicht vor. Sie wusste seit der Abmahnung von April 2008, dass es wettbewerbsrechtliche Bedenken gab. Sie mag diese Bedenken nicht geteilt haben oder teilen, jedenfalls aber bestand nach Abgabe der Unterlassungserklärung und damit noch vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 21.05.2008 Anlass sicherzustellen, dass jedenfalls ab dem 23.05.2008 auch aus dem Handel die streitigen Packungen entfernt sind. Hierfür waren Umstellungsfristen gefordert worden. Weder die E-Mail-Schreiben noch die schriftlichen »Bitten« an die Geschäftspartner lassen deutlich genug erkennen, dass für den Fall von weiteren Verstößen mit erheblichen rechtlichen und gerichtlichen Konsequenzen zu rechnen ist. Kontrollen haben nur gelegentlich stattgefunden, obwohl eigene Mitarbeiter bereits erkannt hatten, dass dem Verbot nicht flächendeckend Rechnung getragen wurde.

Ob nur ein schuldhafter Verstoß gegen die Unterlassungspflichten geeignet war, die Wiederholungsgefahr – neu – zu begründen, bedarf keiner Entscheidung. Ein solcher Verschuldensvorwurf ist der Antragsgegnerin nämlich jedenfalls zu machen. Sie hat nicht das Erforderliche veranlasst, um identische weitere Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Sie trifft insoweit jedenfalls ein Organisationsverschulden. Maßgeblich ist nicht in erster Linie die Frage, welche Maßnahmen rechtlicher Art die Antragsgegnerin etwa dann hätte ergreifen können, wenn sich Einzelhändler geweigert hätten, die fragliche Ware in abgeänderter Verpackung anzubieten.

Entscheidend ist vielmehr, dass weder den Distributoren noch deren Abnehmern die Bedeutung der Änderung ausreichend und so deutlich vor Augen geführt worden ist, dass Konsequenzen zukünftigen Fehlverhaltens unübersehbar waren. Kontrollen hat die Antragsgegnerin nur eher beiläufig veranlasst.

Die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

I