LG Düsseldorf: Eine Kaugummi klebende Künstlerin erstellt kein urheberrechtsfähiges Werk

veröffentlicht am 9. Oktober 2010

LG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2010, Az. 12 O 430/09
§§ 97 Abs. 1, 13 UrhG

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass eine Künstlerin, die im Auftrag eines Dritten nach genauer Vorgabe Collagen mit Kaugummis gefertigt hat, an den Werken kein Urheberrecht geltend machen kann. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Künstlerin abweichend von der Vorgabe einzelne Kaugummis nicht zerkaut, sondern lediglich angebissen habe. Die Collagen seien trotzdem keine persönliche geistige Schöpfung der Klägerin. Die konkrete Ausgestaltung der Collagen durch die Klägerin beinhalte eine handwerksmäßige Umsetzung des ihr vorgegebenen Konzepts, die über eine handwerksmäßige Bearbeitung nicht hinausgehe. Zum Volltext der Entscheidung:



Landgericht Düsseldorf

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, der Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist bildende Künstlerin, die ihre Werke in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland präsentiert hat. Während ihres Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf arbeitete die Klägerin in der Galerie xxx, deren damaliger Geschäftsführer der jetzige Beklagte war. Im Frühjahr 1971 beauftragte der Beklagte die Klägerin mit der Erstellung von 40 Collagen, wobei die Klägerin die Leinwände schwarz grundieren und in geordneter Weise mit Kaugummis bekleben sollte. Der Beklagte stellte der Klägerin das zu nutzende Material zur Verfügung.

Am 19. Mai 2009 besuchte die Klägerin die Ausstellung „Wie Essen zur Kunst wurde – Eat Art Restaurant xxx. Die Sammlung xxx“ im Jacobihaus des Künstlervereins Malkasten in Düsseldorf. Sie entdeckte die sechs im Klageantrag wiedergegebenen Werke, die dort unter dem Namen „F.xxx Kaugummibilder 1971“ ausgestellt waren. Die sechs Einzelbilder waren auf eine Tafel montiert, deren umlaufender ca. 2 cm breiter Rand schwarz lackiert war.

Im Ausstellungskatalog „Eat Art, Restaurant xxx, Sammlung xxx“ sind die sechs Werke ebenso wie in der Ausstellung arrangiert. Anders als in der Ausstellung zeigt die Abbildung im Ausstellungskatalog keinen Rand. Der Ausstellungskatalog enthält ebenfalls die Urheberbezeichnung F. xxx. Auf Seite 10 des Kataloges schreibt der Kurator des Jacobihauses, Herr Dr. xx auf der Lake „xxx „Kaugummi“ hat xxx 1971 noch eigenhändig verklebt“.

Die Klägerin trägt vor:

Ihr sei im Jahre 1971 von dem Beklagten die Vorgabe erteilt worden, bei 35 Collagen je einen Kaugummistreifen vorab zu zerkauen und bei 5 Collagen eine Stelle für ein später von einem anderen Künstler zu kauendes Kaugummi freizulassen. Sie habe sich für eine horizontale Anordnung der Kaugummistreifen, die sie in Reihen von vier und fünf Streifen untereinander versetzt über die Leinwand verteilt habe, entschieden und sich aus formalen und ästhetischen Gründen ferner dazu entschieden, die einzelnen Kaugummis, welche zerkaut werden sollten, gerade nicht zu zerkauen, sondern nur leicht an- bzw. abzubeißen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, die sechs im Folgenden wiedergegebenen Werke unter dem Namen xxx selbst oder durch Dritte zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten:

2. es zu unterlassen, die unter 1. wiedergegebenen Werke selbst oder durch Dritte zu vervielfältigen und/oder

3. zu verbreiten, ohne den Namen der Klägerin als Urheberin zu nennen;

4. es zu unterlassen, die unter 1. wiedergegebenen Werke wie folgt zu präsentieren, als seien die Kaugummis in einem Fall vertikal angeordnet und als bildeten die sechs Einzelwerke eine Einheit:

5. Auskunft über alle Publikationen zu geben, in denen die unter 1. abgebildeten Werke unter der Urheberbezeichnung xxx abgebildet wurden;

6. das Urteil, welches in dieser Sache ergeht, auf Kosten des Beklagten in der Rheinischen Post Düsseldorf öffentlich bekannt zu machen sowie zur Vorauszahlung der Bekanntmachungskosten;

7. an die Klägerin Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 542,09 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Es sei nicht gewünscht gewesen, dass die Klägerin das ein oder andere Kaugummi angebissen habe, vielmehr habe im Rahmen der Vernissage die anwesenden Künstler, Kunstkäufer und Besucher, die eine Collage geschenkt bekamen, selber ein Kaugummi anbeißen bzw. ankauen sollen, was auch in einigen Fällen geschehen sei. Soweit die Klägerin selber ein Kaugummi angebissen habe, sei dies nicht so vorgesehen gewesen. So seien angebissene Kaugummis entfernt worden, um sie gegen Kaugummis auszutauschen, die von Besuchern oder Käufern angebissen worden waren. Die Anordnung der Kaugummis sei nach der Skizze xxx vorgegeben worden, der die Werke auch signiert habe.

Der Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung sowie den Einwand der Verwirkung und trägt insoweit vor, dass die Klägerin während der dreiwöchigen Ausstellungsdauer ohne weiteres die Möglichkeit gehabt habe, sich die Collagen anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1.)

Die Klägerin kann vom Beklagten nicht verlangen, dass dieser es unterlässt, die sechs streitgegenständlichen Collagen unter dem Namen xxx öffentlich zugänglich zu machen (Antrag zu 1.), die streitgegenständlichen Collagen selbst oder durch Dritte zu vervielfältigen (Antrag zu 2.) und die Collagen zu verbreiten, ohne den Namen der Klägerin als Urheberin zu nennen (Antrag zu 3.).

Diese Ansprüche kann die Klägerin nicht aus §§ 97 Abs. 1, 13 UrhG herleiten, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin Urheberin oder Miturheberin der streitgegenständlichen Werke ist. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob F. xx als Urheber der streitgegenständlichen Collagen anzusehen ist. § 13 UrhG verschafft niemandem das Recht, Dritten die wahrheitswidrige Zuschreibung fremder Werke zu untersagen (vgl. Fromm/Nordemann-Hertin, Urheberrecht, 10. Auflage, § 13 Rdnr. 4 ff.). Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft am Werk bezieht sich als urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnis nach § 11 UrhG allein auf die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu einem von ihm stammenden Werk (vgl. BGH GRUR 1960, 346, 347 – Der nahe Osten rückt näher). Vorliegend kann gerade nicht festgestellt werden, dass die Klägerin als Miturheberin oder Urheberin an den streitgegenständlichen Collagen anzusehen ist.

Eine Miturheberschaft der Klägerin ist aus Rechtsgründen schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nicht mit einem Dritten zusammengearbeitet hat. Miturheber im Sinne des § 8 Abs. 1 UrhG sind nur diejenigen, die ein Werk gemeinsam geschaffen haben. Dies setzt eine Zusammenarbeit unter den Beteiligten voraus, wobei jeder Miturheber seinen schöpferischen Beitrag in Unterordnung unter die gemeinsameGesamtidee erbringt (BGHZ 123, 208 – Buchhaltungsprogramm; BGH GRUR 2003, 231 – Staatsbibliothek). Miturheberschaft im Hinblick auf das endgültige Werk entsteht erst, wenn bei dessen Gestaltung sämtliche Urheber mit dem Willen zur Schaffung eines gemeinsamen Werkes zusammenarbeiten (BGH GRUR 1995, 47, 48 – Rosa und roter Elefant; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2005, 1, 2 f – Beuys-Kopf -). Entsprechendes wird von der Klägerin nicht dargetan. Vielmehr trägt die Klägerin vor, die Collagen auf Anweisung des Beklagten erstellt zu haben, wobei sie im Hinblick auf die konkrete Ausführung und die Abweichungen von dem konkreten Auftrag Urheberrechtsschutz in Anspruch nimmt.

Selbst wenn man das Vorbringen der Klägerin zum Inhalt des vom Beklagten erteilten Auftrages und zu dessen Ausführung als wahr unterstellt, so ist nicht feststellbar, dass die Klägerin ein Werk der bildenden Künste im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschaffen hat. Zu verstehen ist darunter eine eigenpersönliche Schöpfung, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die ästhetische Anregung des Gefühls durch Anschauung bestimmt ist (Dreier/Schulze, Urhebergesetz, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 150). Im urheberrechtlichen Schrifttum ist umstritten, ob auch die bloße Präsentation eines alltäglichen oder bekannten Gegenstandes als Kunst – die sogenannten Ready-Made, zum Beispiel der von xx ausgestellte Flaschentrockner oder xx Suppe in der Dose – schutzfähig sein kann (vgl. a.a.O. Rdnr. 154 m.w.N.). Grundsätzlich ist auch bei derartigen Werken eine Mindestgestaltungshöhe und eine geistig-ästhetische Wirkung auf den Betrachter vorauszusetzen. Der Schutzumfang solcher Werke ist allerdings begrenzt. Andere Künstler dürfen die Idee, Alltagsgegenstände als Kunst zu präsentieren, ebenfalls aufgreifen (a.a.O.). Die Kammer verkennt nicht, dass es sich vorliegend nicht um die „reine“ Präsentation eines Alltagsgegenstandes im Sinne eines „Ready-Made“ handelt, sondern der Alltagsgegenstand Kaugummi in bestimmter Weise im Rahmen einer Collage präsentiert wird. Gleichwohl lässt sich nicht feststellen, dass die Collage auf einer persönlichen geistigen Schöpfung der Klägerin beruht.

Vorliegend hat die Klägerin nicht behauptet, die Idee gehabt zu haben, Kaugummis auf einer schwarzen Leinwand, als Kunst zu präsentieren. Vielmehr handelte sie auf Anweisung des Beklagten, wobei vorgegeben war, die Leinwand schwarz zu grundieren und in geordneter Weise mit Kaugummis zu bekleben. Im Hinblick auf diese Anweisung hatte die Klägerin keinen Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen Urheberrechtsschutz begründet werden konnte. Zwar ist das Aufkleben von Kaugummis „in geordneter Weise“ auf verschiedene Weise möglich, so kann dies z.B. in regelmäßigen oder auch versetzten Reihen erfolgen, wobei die geordnete Anordnung von der Größe der Leinwand sowie der Größe und Anzahl der Kaugummis vorgegeben ist. In der Entscheidung für die ein oder andere mögliche Variante kann indessen kein schöpferischer Akt im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG gesehen werden. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vorgaben zu der schwarzen Grundierung und dem Auftrag, zerkaute Kaugummis aufzukleben.

Auch insoweit die Klägerin darlegt, sie habe sich aus formalen und ästhetischen Gründen dazu entschieden, die einzelnen Kaugummis, welche zerkaut werden sollten, nicht zu zerkauen, sondern nur leicht an- bzw. abzubeißen, begründet dies, auch unter Berücksichtigung der Grundierung des Untergrundes sowie der sonstigen Anordnung des Kaugummis kein eigenschöpferisches Werk. Die Klägerin selbst weist in der Klageschrift ausdrücklich darauf hin, dass das „Zerkauen eines Kaugummis“ als solches kein eigenschöpferisches Werk begründet. Etwas anderes kann nicht gelten, wenn die Klägerin die Kaugummis nur „leicht an- bzw. durchgebissen“ hat. Die konkrete Ausgestaltung der Collagen durch die Klägerin beinhaltet eine handwerksmäßige Umsetzung des ihr vorgegebenen Konzepts, die über eine handwerksmäßige Bearbeitung nicht hinausgeht.

Hinzu kommt, dass die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten hat, dass die konkrete Gestaltung der Collagen von ihr stammt. Nach dem Vorbringen des Beklagten sollen die Kaugummis von Besuchern oder Käufern angebissen bzw. angekaut worden sein.

2.)

Da nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin als Urheberin der streitgegenständlichen Collagen anzusehen ist, kann die Klägerin sich nicht gegen die konkrete Anordnung der Collagen wenden. Sie kann auch die weiteren Ansprüche auf Auskunft, Veröffentlichung sowie Schadensersatz nicht aus §§ 97, 97a, 103 UrhG herleiten. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 6.000,– €.

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