LG Düsseldorf: Internet-System-Vertrag nicht per se wegen Vorauszahlungspflicht anfechtbar

veröffentlicht am 20. Juni 2012

LG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2012, Az. 9 O 324/10
§ 649 S. 2 BGB, § 123 BGB, § 119 BGB

Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Internet-System-Vertrag, der eine Laufzeit von 48 Monaten und eine jährliche Vorauszahlung der Beiträge vorsieht, nicht ohne Weiteres wegen Täuschung oder Irrtum anfechtbar ist. Soweit sowohl die Monatsbeträge als auch die Pflicht zur jährlichen Vorabzahlung hinreichend deutlich im Vertragsformular erkennbar seien, könne ein Anfechtungsrecht des Kunden nicht angenommen werden. Dies sei sogar dann zweifelhaft, wenn ein Außendienstmitarbeiter ausdrücklich eine monatliche Zahlweise postuliert hätte. Letzteres sei vorliegend jedoch auch nicht hinreichend unter Beweis gestellt worden. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Düsseldorf

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 10.645,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2011 zu zahlen. Die weiter gehende Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt unter der Bezeichnung A über das Internet bundesweit Leuchtdioden und Lampen. Die Beklagte bietet die Einrichtung Gestaltung sowie Betreuung von Internetseiten für Geschäftskunden an. Der Außendienstmitarbeiter der Beklagten, Herr B nahm im Sommer 2010 mit der Klägerin zunächst telefonisch Kontakt auf und es kam am 29.06.2010 zu einer persönlichen Unterredung unter der Geschäftsadresse der Klägerin. Hierzu verhält sich die als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegte Terminsbestätigung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die Klägerin unterzeichnete anlässlich dieses Termins den als Anlage K3 vorgelegten Internet-System-Vertrag, der Kategorie „Eurowep premium“ auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, und zwar mit einer Laufzeit von 48 Monaten, einem jährlich im Voraus zu zahlenden monatlichen Entgelt von 267,75 € brutto. Hinzu tritt eine einmalige Vertragsabschlussgebühr von 199,00 € netto. Im Vertrag wird die Klägerin als „Partnerunternehmen“ bezeichnet.

Im Internet bewirbt die Beklagte noch weitere Modelle, zum Teil mit Einmalzahlungen, die im Zuge des so genannten „Kaufkundenmodells“ beinhalten, dass der Kunde nach dem Ende der Vertragslaufzeit auch die Rechte an den erstellten Leistungen, wie beispielsweise Gestaltung der Webseite, Kundenvideo und dergleichen, erhält. Dies ist bei der seitens der Beklagten unterzeichneten Gestaltung nicht gegeben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2 zur Klageschrift Bezug genommen.

Nach Unterzeichnung des Vertrages nahm die Klägerin zunächst telefonisch und dann mit Schreiben vom 29.06.2010, gemäß Anlage K4, Kontakt zur Klägerin auf und bat um Verlegung, des für den 01.07.2010 bereits anberaumten Termins mit dem Webdesigner, da hinsichtlich des abgeschlossenen Vertrages noch Unstimmigkeiten zu klären seien. In diesem Zusammenhang wies die Klägerin darauf hin, dass seitens des Abschlussvertreters zugesagt worden sei, dass die Zahlungen monatlich zu erbringen seien und zwar erstmals nach Fertigstellung der Internetseite ab September 2010. Sie bat unter Fristsetzung bis zum 05.07.2010 um klarstellende Bestätigung, dass eine monatliche Zahlung, beginnend ab September 2010 nach Fertigstellung der Internetseite vereinbart sei. Dies wies die Beklagte zurück, war dann aber doch bereit, Zahlungen bis zur Erstellung der Internetseite zu stunden, ferner bot sie an, dass anstelle der jährlichen Vorauszahlung eine vierteljährliche Zahlung erfolgen möge. Damit war die Klägerin nicht einverstanden.

Schließlich ließ sie mit anwaltlichem Schreiben vom 06.07.2010 gemäß Anlage K5 die Anfechtung des Vertrages vom 29.06.2010 erklären, indem sie anführte, seitens des Außendienstmitarbeiters sei im Zuge der Vertragsverhandlungen deutlich hervorgehoben worden, dass diese Kosten monatlich anfielen und zwar erstmals nach Fertigstellung der Internetseite im September 2010. Hilfsweise hat sie die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums erklärt.

Die Klägerin behauptet, der Mitarbeiter der Beklagten habe anlässlich der Vertragsunterzeichnung deutlich darauf hingewiesen, dass eine monatliche Zahlung zu erfolgen habe, und zwar erst beginnend mit der Erstellung der Internetseite im September 2010. Sie behauptet weiter, sie sei im Juni 2010 gar nicht in der Lage gewesen, die jährliche Vorauszahlung aufzubringen, wenn sie von der Vorauszahlungspflicht Kenntnis gehabt habe, so würde sie den Vertrag nicht geschlossen haben. Die Klägerin meint, sie sei zur Anfechtung ihrer Willenserklärung berechtigt, und zwar auch dann wenn ihre Behauptung nicht erweislich sein sollte und zwar vor dem Hintergrund, dass das gesamte Verhalten des Abschlussvertreters derart irreführend gewesen sei, dass es einer arglistigen Täuschung gleichkomme. Dies sei daraus zu ersehen, dass er auf der rechten Spalte unter der Rubrik „monatliches Entgelt in €“ jeweils Striche ausgefüllt habe. Die Klägerin behauptet weiter, die von der Beklagten angebotene Leistung sei das zu zahlende Entgelt nicht wert – dies gelte sowohl für den so genannten „Partnerkunden“ als auch für den „Kaufkunden“. Es sei angesichts der Preisdifferenz schwerlich vorstellbar, dass überhaupt jemand bereit sei, das im Verhältnis zum konkret vereinbarten Preis für so genannte „Partnerunternehmen“ zu hoch bemessene Entgelt zu zahlen.

Die Klägerin hat hilfsweise die Kündigung gemäß § 649 BGB erklärt und bestreitet die Angaben der Beklagten zu deren ersparten Aufwendungen mit Nichtwissen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 29.06.2010 abgeschlossene Internet-System-Vertrag aufgrund der Anfechtung der Kläger vom 06.07.2010 unwirksam sei,

die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten von 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und

widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 10.645,25 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr Außendienstmitarbeiter habe im Zuge der Vertragsgespräche ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine jährliche Vorauszahlung zu erfolgen habe.

Die Beklagte behauptet weiter, sie betreue ständig und fortlautend einen Stamm von etwa 20.000 Kunden und halte dauerhaft ausreichende materielle und personelle Ressourcen vor. Dadurch sei sie im Stande stets und unabhängig von der Kündigung einzelner Verträge neue Vertragsverhältnisse abzuschließen und hieraus geschuldete Leistungen zu erbringen.

Die Beklagte behauptet weiter, sie habe infolge der Kündigung der Klägerin lediglich Aufwendungen in Höhe von 353,75 € erspart. Dieser Betrag setzte sich aus Fahrkosten des Medienberaters zum Sitz der Klägerin in Höhe von 306,60 € sowie dem ersparten Porto für vier Jahresrechnungen in Höhe von insgesamt 2,20 € sowie für drei Schreiben für die Übersendung von Zugangsdaten in DIN A 4-Umschlägen, mithin weiteren 4,35 € zusammen.

Für Papier, Toner, Stifte und sonstiges Kleinmaterial seien Kosten in Höhe von 30,00 € erspart sowie weitere 10,60 € für die Portierung der Internet-Domain.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Hingegen ist die Widerklage überwiegend, bis auf einen Teil der Zinsforderung, begründet.

Dem Feststellungsbegehren der Klägerin war nicht zu entsprechen, wobei dahinstehen kann, ob das bei Klageerhebung vorhandene Feststellungsinteresse angesichts der Erhebung der Widerklage entfallen sein mag. Darauf kommt es letztlich nicht entscheidend an, denn der zwischen den Parteien am 29.06.2010 geschlossene Internet-System-Vertrag ist wirksam, mit der Folge, dass die Beklagte auf die Widerklage hin Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB beanspruchen kann. Der Klägerin steht entgegen ihrer Ansicht ein Recht zur Anfechtung des Vertrages weder unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB noch des Irrtums gemäß § 119 BGB zu.

Ihre Behauptung, der Außendienstmitarbeiter der Beklagten habe anlässlich der Vertragsgespräche ausdrücklich erklärt, es erfolge eine monatliche Vergütung, diese sei jedoch erst ab Bereitstellung der Internetseite im September 2010 zu zahlen, hat die insoweit beweisführungsbelastete Klägerin nicht tauglich unter Beweis gestellt. Dies geht zu ihren Lasten, wobei letztlich dahinstehen kann, ob angesichts des eindeutigen Wortlautes der Vertragsurkunde sowie der auf der Vorderseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hierdurch überhaupt eine Täuschung in Betracht hätte kommen können.

Die Parteien haben einen Internet-System-Vertrag geschlossen, dieser ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als Werkvertrag einzuordnen (BGH Urteil vom 27.01.2011, VII ZR 133/10, zitiert nach Juris, Rdz. 11 ff., Urteil vom 24.03.2011, VII ZR 164/10, zitiert nach Juris, Rdz. 10). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bezieht sich auf einen Vertrag mit vergleichbaren Verpflichtungen und Konditionen. Es besteht kein Anlass, vorliegend eine andere Einordnung vornehmen zu wollen, denn die Beklagte verpflichtete sich zur Erstellung, Anmeldung und Pflege einer Internetseite, darin liegt die Verpflichtung zur Erbringung eines Werkes im Sinne des § 631 BGB. Entgegen der Ansicht der Klägerin begegnet die Wirksamkeit der Vertragsdauer von 48 Monaten ebenso wenig Bedenken wie die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht seitens der Klägerin. Auf beide Aspekte wird auf der Vorderseite der Vertragsurkunde mit hinreichender Deutlichkeit aufmerksam gemacht. Der Umstand, dass die Beklagte hier infolge der Anrechnung/Kündigung konkret noch keine Leistungen erbracht hat, ändert daran nichts.

Der Ansicht der Klägerin, eine arglistige Täuschung sei selbst dann gegeben, wenn die ihrem Behaupten nach erfolgte ausdrückliche Äußerung des Außendienstmitarbeiters nicht gefallen sein sollte, ist nicht zu folgen. Arglist durch Schweigen ist nur dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner nach der Verkehrsanschauung eine ausdrückliche Aufklärung erwarten kann. Dies ist aber bei Gesichtspunkten, die sich unschwer bei der Lektüre des Vertragstextes ergeben, nicht anzunehmen. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Vorleistungspflicht drucktechnisch ohne weiteres erkennbar war, indem sie unmittelbar unterhalb der Herleitung und Bezifferung des monatlichen Entgelts vermerkt war. Entgegen der Ansicht der Klägerin legt die darüber angeordnete Sparte zum monatlichen Entgelt nicht ohne weiteres nahe, dass dieses auch monatlich zu zahlen sei, es handelt sich vielmehr um eine kalkulatorische Berechnungshilfe, da üblicherweise bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht darauf abgestellt wird, wie viel eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung im Jahr kostet, sondern vielmehr, wie viel monatlich aufzuwenden ist. Die Vereinbarung einer Vorauszahlungspflicht ist auch bei monatlich zu bemessenden Kosten nicht derart unüblich, dass die immerhin gewerblich tätige Klägerin einen ausdrücklichen Hinweis hierauf hätte erwarten können. Sie hätte das vielmehr in ihre Vertragsüberlegungen aufnehmen und den Vertrag vor dessen Unterzeichnung sorgfältig durchlesen müssen. Nicht zu folgen ist der Klägerin schließlich auch in ihrer unter Hinweis auf Entscheidungen der Landgerichte untermauerten Auffassung, wonach sich die arglistige Täuschung aus den Umständen ergebe, zumal dann wenn der Vertragspartner ein Verhalten an den Tag lege, welches geeignet sei, beim Gegenüber einen Irrtum hervor zurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen. So soll es ausreichen, wenn der Handelnde sich darüber bewusst sei, dass sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet sei, den anderen in die Irre zu führen. Der Abschlussvertreter der Beklagten habe zumindest mit der Möglichkeit rechnen müssen, die Klägerin werde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willenserklärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben, deshalb sei die Anfechtung gerechtfertigt. Dieser Ansicht der Klägerin kann nicht beigetreten werden, denn sie hat hierzu nicht ausreichend dargelegt. Der Umstand dass der Außendienstmitarbeiter das Formular ausfüllte und zutreffend auf der linken Seite einzelne Positionen aufführte und sodann rechts in der Rubrik in die einzelnen Sparten Striche einsetzte, ist angesichts des Umstandes, dass im Abschluss unter der Sparte „monatliches Entgelt in €“ gleichwohl ein zutreffender Betrag aufgeführt wurde, nicht von entscheidendem Gewicht. Dafür, dass die Klägerin dies dahin auffassen würde, es sei trotz der eindeutigen vertraglichen Bestimmung keine Vorauszahlungspflicht gegeben und dass dies dem Abschlussvertreter der Beklagten auch erkennbar war, findet sich kein Anhalt.

Grundsätzlich darf ein Abschlussvermittler darauf vertrauen, dass ein Kaufmann, noch dazu wenn ein Termin vorab zuvor vereinbart war und das Gespräch in den Räumen des Kunden stattfindet, vor Unterzeichnung des Vertrages sich von dessen Inhalt hinreichend Kenntnis verschafft. Nähere Umstände und Details, welche im Zuge der Vertragsgespräche einen anderen Eindruck hätten hervorrufen können, hat die insoweit beweis- und darlegungsbelastete Klägerin nicht vorgebracht.

Schließlich hat sie auch zu den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB nicht hinreichend dargetan. Zwar kann sich die Sittenwidrigkeit eines Vertrages auch aus einem objektiven Missverhältnis zwischen Leistung und vereinbarter Gegenleistung ergeben. Solches hat die Klägerin allerdings nur im Hinblick auf das so genannte Kaufkundenmodell angedeutet, indem sie ausgeführt hat, es sei kaum vorstellbar, dass ein Kunde im Vergleich zu dem günstigeren „Partnerschaftsmodell“ überhaupt den Preis für die Kaufkundenvariante zu zahlen bereit sei. Dieses Vorbringen ist indes unerheblich. Zum einen deshalb weil der Klägerin hieraus kein Nachteil entsteht, denn sie hat ja ihrerseits einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen. Zum anderen auch, weil die Vertragsentscheidungen Dritter im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin nicht von Belang sind. Allein erheblich wäre der Umstand, dass die Beklagte in Wahrheit gar nicht bereit sei, einen Vertrag zu Kaufkundenbedingungen abzuschließen und ein solches Modell in Wirklichkeit nicht vorhalte. Dies aber hat die insoweit darlegungsbelastete Klägerin nicht vorgebracht.

Der Vertrag ist indes aufgrund der hilfsweise im Schriftsatz vom 16.02.2011 gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt. Diese Kündigung ist der Klägerin nicht verwehrt, ein Ausschluss dieses Kündigungsrechts ergibt sich weder aus der Rechtsnatur des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages, noch legt das Interesse der Beklagten an einer langfristigen Bindung ihres Vertragspartners dies hinreichend nahe. Der Bundesgerichtshof hat für einen gleichgelagerten Fall anhand der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vielmehr entschieden, dass das Kündigungsrecht gemäß § 649 BGB gleichwohl bestehe (BGH Urteil vom 24.03.2011 VII ZR 164/10, zitiert nach Juris, Rdz. 10). Gründe, weshalb im vorliegenden Fall ein anderes gelten sollte, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Der sonach gemäß § 649 Satz 2 BGB n.F. bestehende Vergütungsanspruch des Werkunternehmers setzt voraus, dass jener im Zuge der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast zunächst einmal vertragsbezogen dartut, welche Aufwendungen er infolge der vorzeitigen Kündigung erspart hat. Hier ist der Beklagten darin beizupflichten, dass sie angesichts des Umstandes, dass sie bis zur Kündigung und Anfechtung im Juli 2009 keinerlei Leistungen erbracht hatte nicht dahin gehend abzugrenzen hat, welcher Teil der vereinbarten Vergütung auf bereits erbrachte Leistungen entfällt, und welcher nicht. Der Beklagten ist – da sie keinerlei Leistungen erbracht hat – daher nicht verwehrt, ihre Forderung insgesamt anhand von § 649 Satz 2 BGB zu beziffern.

Der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB ergibt sich aus der Differenz zwischen der vereinbarten Vergütung und den kündigungsbedingt für nicht erbrachte Leistungen ersparten Aufwendungen. Erspart sind solche Aufwendungen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Nichtausführung des konkreten Vertrages abzustellen. Maßgebend sind die Aufwendungen, die sich auf der Grundlage der vertraglichen Abreden der Parteien unter Berücksichtigung der Kalkulation des Unternehmers ergeben. Dementsprechend muss der Unternehmer zur Begründung seines Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB grundsätzlich vortragen, welcher Anteil der vertraglichen Vergütung auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen entfällt und darüber hinaus vertragsbezogen darlegen, welche Kosten er hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen erspart hat. Erst wenn er eine diesen Anforderungen genügende Abrechnung vorgelegt hat, ist es Sache des Auftraggebers darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Ersparnisse erzielt hat, als er sich anrechen lassen will. Welche Anforderungen an die Abrechnung des gekündigten Werkvertrages zu stellen sind, hängt vom Vertrag sowie den seinem Abschluss und seiner Abwicklung zugrunde liegenden Umständen ab. Sie ergeben sich daraus, welche Angaben der Besteller zur Wahrung seines Interesses an sachgerechter Verteidigung benötigt. Der Unternehmer muss über die kalkulatorischen Grundlagen der Abrechnung soviel vortragen, dass dem für höhere ersparte Aufwendungen darlegungs- und beweisbelasteten Besteller eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht wird (BGH Urteil vom 24.03.2011 VII ZR 164/10, Rdz. 13).

Der Vortrag der Beklagten genügt diesen Anforderungen, namentlich ist es nicht zu beanstanden, dass sie nicht zwischen bereits erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und der darauf etwa entfallenden Vergütung differenziert hat. Die Beklagte hat hinreichend vertragsbezogen dargelegt, indem sie – zunächst allgemein – ausgeführt hat, sie pflege sämtliche Verträge mit festangestellten Mitarbeitern zu bearbeiten, mit der Folge, dass infolge der Kündigung eines einzigen Vertrages – abgesehen von Material- und Fahrkosten – keine nennenswerten Personalaufwendungen erspart würden. Diese Materialkosten hat die Beklagte indes vertragsbezogen hinreichend spezifiziert dargelegt. Das dagegen gerichtete schlichte Bestreiten der Beklagten ist nicht ausreichend.

Es erscheint nachvollziehbar, dass die Beklagte einen ausreichenden Personalstamm vorhält, welcher es ihr ermöglicht, ihr 20.000 Verträge umfassendes Auftragsvolumen fortlaufend zu betreuen. Ist dies der Fall, so ist für die Annahme eines Ausgleichserwerbs infolge der Kündigung kein Raum. Zwar mag auch die Beklagte, falls ihr Auftragsvolumen signifikant sinken sollte, weniger Personal beschäftigen, es ist jedoch nachvollziehbar, dass dies bei der Kündigung eines einzelnen Auftrags ebenso wenig erfolgt, wie für die Erteilung eines zusätzlichen Auftrages ein weiteres Beschäftigungsverhältnis eingegangen würde.

Von der Beklagten war nicht zu verlangen, dass sie – um der Klägerin ein substantiiertes Bestreiten zu ermöglichen – im Einzelnen vorträgt, wie viele Mitarbeiter sie beschäftigt und welchen Anteil ihrer Arbeitszeit diese auf welche einzelnen Betreuungsleistungen verwenden. Dies zumal deshalb, weil die Klägerin dies nicht verlangt hat. Gegen die Nachvollziehbarkeit der Darlegungen der Beklagten spricht nicht der Umstand, dass sie zunächst ausgeführt hat, sie kalkuliere für die Erstellung der Webseite durch einen Webdesigner 1.874,00 €, denn dabei handelt es sich um überholtes Vorbringen. Es ist der Beklagten nicht verwehrt, nachdem die Klägerin zunächst angemerkt hatte, der Betrag sei nicht hinreichend nachvollziehbar kalkuliert, ihre eigene – womöglich unspezifische – Kalkulation zu überprüfen und vor diesem Hintergrund zu anderen Ergebnissen gelangen, dass dies zu einem der Klägerin ungünstigeren Ergebnis führt, ist unschädlich. Vor diesem Hintergrund reicht das pauschale Bestreiten der Klägerin nicht aus. Es verbleibt daher bei den ersparten Aufwendungen gemäß der Darlegung der Beklagten in Höhe von insgesamt 353,75 €. Ausgehend von eine Nettovertragswert in Höhe von 10.999,00 €, bestehend aus der Einmalzahlung in Höhe von 199,00 € sowie 48 mal 225,00 € = 10.800,00 €, verbleibt der Betrag in Höhe von 10.645,25 €, von welchem eine Abzinsung nicht vorzunehmen ist, da die Zahlung der gesamten Vertragssumme vor Ablauf der bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Vertrages einzuhaltenden Zahlungsfristen, als Besonderheit des § 649 Satz 2 BGB hinzunehmen ist.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, jedoch nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, denn die Voraussetzungen für die Gewährung eines höheren Zinssatzes gemäß § 288 Abs. 2 BGB liegen nicht vor. Der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB ist keine Entgeltforderung im Sinne dieser Vorschrift, denn es fehlt an dem Erfordernis der Gegenleistung (vgl. für Rückforderung von Netzentgelt Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.12.2010, VI-2 U (Kart) 34/09, 2 U (Kart) 34/09, zitiert nach Juris, Rdz. 3). Dem ist eine Forderung gemäß § 649 BGB gleichzuerachten.

Die Ausführungen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.02.2012 geben weder zu einer anderen Betrachtung noch zum Wiedereröffnen der mündlichen Verhandlung Anlass.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 21.890,75 €

Klage: 11.245,50 €

Widerklage 10.645,25 €

I