LG Düsseldorf: Wann ist eine vertragliche Vereinbarung ausgehandelt und wann „gestellt“? / AGB

veröffentlicht am 23. Februar 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2010, Az. 12 O 578/08
§§ 305 Abs. 1 S. 1, S. 3 BGB

Das LG Düsseldorf hatte über eine „Zusatzvereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts“ zu verhandeln und die Rechtsfrage, ob es sich hierbei um eine individuell ausgehandelte Vereinbarung oder aber eine gestellte Klausel im Sinne des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) handelt. Die Düsseldorfer Richter entschieden sich für Letzteres, obwohl die Beklagten – eine Partnervermittlung – alles Erdenkliche getan hatte, um dem Merkmal einer „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 BGB) zu entgehen. Die letztendlich unwirksame Klausel im Wortlaut nebst gerichtlichen Erwägungen:

1. Zusatzvereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts

Mir ist bekannt, dass ein Partnervermittlungsvertrag nach § 627 BGB jederzeit auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden kann. Hat die Fa. xx GmbH zum Zeitpunkt der Kündigung die vertraglich geschuldeten Leistungen noch nicht vollständig erbracht, kann ich das Honorar nach Maßgabe von Ziff. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen zurückverlangen, soweit noch keine Leistungen erbracht worden sind. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass das aus § 627 BGB resultierende Kündigungsrecht durch eine Zusatzvereinbarung ausgeschlossen werden kann. Mir ist bekannt, dass in diesem Fall der oben unter Ziff. 1 genannte Rückzahlungsanspruch entfällt. [Als Gegenleistung für den Verlust dieses Rechtes erhalte ich wahlweise einen Preisnachlass von 5 % auf das vereinbarte Honorar oder das Recht, auch nach Ablauf der Vertragszeit unentgeltlich weitere Partnervorschläge ohne zahlenmäßige Begrenzung abzurufen.] Mir ist bekannt, dass mir der Abschluss der Zusatzvereinbarung freisteht. Meine Entscheidung berührt weder die Wirksamkeit des zuvor abgeschlossenen Partnervermittlungsvertrages noch mein Recht, den Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB zu kündigen. In Kenntnis des Vorstehenden erkläre ich mich mit dem Ausschluss des aus § 627 BGB resultierenden Kündigungsrechts einverstanden.

Hier stellt sich schon die Frage, ob die Klausel auf Grund ihrer Länge ausreichend transparent ist. Zu der vorgelagerten Frage, ob es sich um AGB handeln würde, erklärte die Kammer:

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ein Fall des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB („Individuelle Vereinbarung) nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift lägen keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im einzelnen ausgehandelt seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setze ein „Aushandeln“ mehr als „Verhandeln“ voraus; der Verwender müsse den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen; der Kunde müsse die reale Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (vgl. BGH NJW 2005, 2543 (2544)). „Aushandeln“ einer Vertragsbedingung verlange mehr, als dass die eine Vertragsseite, die die Vertragsbedingung vorformuliert habe, der anderen Vertragsseite erkläre, es stehe dieser frei, am bereits unterzeichneten Vertrag festzuhalten; weitere Voraussetzung sei – jedenfalls bei umfangreichen bzw. nicht leicht verständlichen Klauseln -, dass der Verwender die andere Vertragspartei über den Inhalt und die Tragweite der Klauseln im einzelnen belehrt habe oder sonstwie erkennbar geworden sei, dass der andere Vertragspartner deren Sinn wirklich erfasst habe (vgl. BGH NJW 2005, 2543 (2544)). Im Rahmen des Verfahrens nach dem UKlaG könne  dabei nicht, wie außerhalb der Verbandsklage erforderlich, auf den konkreten Einzelfall abgestellt werden. Auf etwaige mündliche Erläuterungen gegenüber bestimmten Kunden der Beklagten komme es aus diesem Grunde nicht an. Dem entsprechenden Beweisantritt der Beklagten durch Vernehmung der (namentlich nicht benannten) Außendienstmitarbeiterinnen der Beklagten sei angesichts dessen nicht nachzugehen gewesen. Es sei hinzugekommen, dass die Behauptung, die Mitarbeiterinnen der Beklagten erläuterten den Kunden auch verbal den Inhalt und die Tragweite der Zusatzvereinbarung, in dieser Allgemeinheit einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sei. Ob die Voraussetzungen des Aushandelns erfüllt seien, sei danach allein anhand der vorgelegten Zusatzvereinbarung zu prüfen, wobei die kundenfeindlichste Auslegung zu Grunde zu legen sei.

Aus der oben zitierten Zusatzvereinbarung ergäben sich die Voraussetzungen eines (grundsätzlichen) Aushandelns der Vertragsbedingungen nicht. Die Kunden der Beklagten könnten auf den konkreten Inhalt der Zusatzvereinbarung (mit Ausnahme der Wahl zwischen vorgegebenen Gegenleistungen) keinen Einfluss nehmen. Sie könnten die Vereinbarung nur entweder schließen oder nicht abschließen, was wiederum Einfluss auf die Bedingungen des Partnervermittlungsvertrages habe. Das reiche für ein Aushandeln jedoch jedenfalls dann nicht aus, wenn es sich bei dem Ausschluss des Kündigungsrechts um eine umfangreiche bzw. nicht leicht verständliche Klausel handeleund der Verwender die andere Vertragspartei über den Inhalt und die Tragweite der Klausel nicht im einzelnen belehrt habe oder sonstwie erkennbar geworden sei, dass der andere Vertragspartner deren Sinn wirklich erfasst habe (vgl. BGH NJW 2005, 2543 (2544)).

Bei der vorliegenden Klausel zum Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 627 BGB handele es sich um eine nicht leicht verständliche Klausel. Denn sie betreffe die Abgrenzung zwischen verschiedenen Arten von Kündigungsrechten und die Rechtsfolgen einer Kündigung ohne wichtigen Grund nach § 627 BGB. Der nicht juristisch geschulte Verbraucher erfasse die Tragweite des Ausschlusses des Kündigungsrechtes nicht ohne weitere Erläuterung zu Inhalt und (gesetzlich vorgesehenen) Folgen der Kündigung nach § 627 BGB. Die in der Zusatzvereinbarung selbst enthaltenen Erläuterungen genügten nicht, um dem Verbraucher die tatsächliche Tragweite des Ausschlusses des Kündigungsrechts nach § 627 BGB zu vermitteln. Die verschiedenen gesetzlichen Vorschriften (§§ 627, 626 BGB) sowie die einschlägige Ziffer der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten seien nicht inhaltlich erläutert, sondern lediglich mit ihrer Fundstelle benannt worden. Der Verbraucher werde aber regelmäßig den Inhalt der gesetzlichen Vorschriften nicht kennen; er benötige weitergehende Erklärungen, um den Gehalt der Vorschriften zu erfassen. Die bloße Nennung der Norm reiche dazu nicht. Dass in dem Fließtext im ersten Absatz im Zusammenhang mit § 627 BGB von einer Kündigung ohne wichtigen Grund und im vierten Absatz im Zusammenhang mit § 626 BGB von einer Kündigung aus wichtigem Grund die Rede sei, genügt als Erklärung der Tragweite des Kündigungsausschlusses ebenfalls nicht.

Auch die weiteren in die Vereinbarung aufgenommenen Formulierungen begründeten keine ausreichende Belehrung des Kunden über die Tragweite seiner auf den Ausschluss eines Kündigungsrechtes gerichteten Erklärung. Insbesondere fände sich in dem Text keine detaillierten Erläuterungen zur Tragweite der Erklärung; dort heiße es lediglich „Mir ist bekannt, …“ bzw. „Ich habe zur Kenntnis genommen, …“. Dass eine entsprechende Aufklärung des Kunden tatsächlich stattgefunden habe, ergibt sich aus diesen Formulierungen nicht; die den jeweiligen Einleitungen folgenden Passagen beinhalteten auch nicht selbst ausreichende Erklärungen über die Tragweite der Erklärung der Kunden der Beklagten. Der Kunde werde durch die vorformulierten Angaben nicht in die Lage versetzt, die rechtlichen Auswirkungen seines Handelns abzuschätzen. Angesichts dessen sei nicht gewährleistet, dass die Kunden, die den vorformulierten Text unterschreiben, diesen in ihren rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen mit aufgenommen hätten.

Da es sich bei dem Kündigungsausschluss gemäß der Zusatzvereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, sei dieser nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Voraussetzungen der Norm seien gegeben. Der Ausschluss weiche von dem gesetzlichen Leitbild der jederzeitigen Kündbarkeit von Verträgen über Dienste höherer Art ab und sei jedenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 01.02.1989, Az. IVa ZR 354/87, Tz. 28 – zitiert nach juris).

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