LG Duisburg: Mitarbeiter einer Ärzte-Bewertungsplattform hat kein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich der Identität des Urhebers einer kritischen Bewertung

veröffentlicht am 15. Februar 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Duisburg, Beschluss vom 06.11.2012, Az. 32 Qs-245 UJs 89/11-49/12
§ 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO, § 70 Abs. 1 S.2 StPO

Das LG Duisburg hat entschieden, dass der Mitarbeiter einer Ärzte-Bewertungsplattform hinsichtlich der Identität des Urhebers einer kritischen Bewertung kein Zeugnisverweigerungsrecht habe. Die Bewertung sei insbesondere kein redaktioneller Teil des Informationsdienstes. Ein Vergleich mit einem Leserbrief sei nicht statthaft, da Leserbriefe immer nur nach redaktioneller Prüfung veröffentlicht würden. Entscheidend sei, dass eine Informationsverarbeitung durch den jeweiligen Pressedienst erfolge und sich die Tätigkeit bis zur Veröffentlichung nicht in der bloßen Einstellung eines fremden Textes erschöpfe. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Duisburg

Beschluss

Die Beschwerde wird kostenpflichtig verworfen.

Gründe

A.
Der Beschwerdeführer ist Mitarbeiter eines Internetdienstes, welcher Nutzern die Möglichkeit eröffnet, Kliniken zu bewerten. Seine Aufgabe ist es, Bewertungsbeiträge stichprobenartig und anlassbezogen auf die Einhaltung der vom Internetdienst aufgestellten Bewertungsregeln zu prüfen.

In einem wegen übler Nachrede geführten Ermittlungsverfahren gegen einen Nutzer des Internetdienstes hat sich der Beschwerdeführer geweigert, nähere Angaben zum Urheber der Bewertung zu machen, welche Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens geboten hatte.

Das Amtsgericht setzte daraufhin gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld fest, wogegen sich der Beschwerdeführer nun mit seiner Beschwerde wendet.

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, ihm stehe ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Er beruft sich darauf, dass den Nutzern zugesichert werde, dass seine Daten nicht weitergegeben würden. Auch würde das Bewertungsportal für die Bewertungen die Verantwortung übernehmen. Das BewertungSforum werde im Zusammenhang mit einem Informationsportal bereit gestellt, sodass es die Funktion von Leserbriefen im klassischen Printbereich übernehme, welche allgemein dem redaktionellen Teil zugeordnet würden.

B.
Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat gegen den Zeugen zu Recht gem. § 70 Abs. 1 S.2 StPO ein Ordnungsgeld festgesetzt.

Nach dieser Vorschrift ist gegen einen Zeugen ein Ordnungsgeld festzusetzen, wenn er das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Zeuge weigert sich, Angaben zum Urheber einer Bewertung zu machen, obwohl er dazu nicht berechtigt ist.

Insbesondere steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zu.

Hiernach sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO ordnet dazu weiter an, dass sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht auf die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie auf Mitteilungen, welche der Zeuge im Hinblick auf seine Tätigkeit erhalten hat, und auf den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und auf berufsbezogene Wahrnehmungen. § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO stellt dabei klar, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur gilt, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

Zwar wirkt der Zeuge berufsmäßig bei einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informationsdienst mit. Zwar geht es um die Person des Verfassers eines Beitrages. Es handelt sich indes nicht um einen Beitrag zum redaktionellen Teil des Informationsdienstes, weshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen ist.

Die vom Beschwerdeführer herangezogene Parallele zu Leserbriefen verfängt nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass Leserbriefe zum redaktionellen Teil einer Zeitung gehören (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 53 Rdnr. 40; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133; LG Oldenburg, Beschluss vom 22.09.2010 – 3 Qs 263/10, NStZ 2011, 655) und ihre Verfasser nicht namhaft gemacht werden müssen. Denn auch die in solchen Leserbriefen dargestellten Meinungen und Tatsachen tragen zur Funktion der Presse bei, die öffentliche Gewalt zu kontrollieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.11.1973 – 2 BvL 42/71BVerfGE 36, 193, 204). Hintergrund hierfür ist jedoch, dass Leserbriefe immer nur nach redaktioneller Prüfung veröffentlicht werden. Entscheidend ist, dass eine Informationsverarbeitung durch den jeweiligen Pressedienst erfolgt und sich die Tätigkeit bis zur Veröffentlichung nicht in der bloßen Einstellung eines fremden Textes erschöpft (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar, 6. Auflage 2008, § 53 Rdnr. 34). So liegt der Fall aber hier.

Die Bewertung wird vom Nutzer eingestellt und sodann ohne weitere Bearbeitung veröffentlicht.

Dabei kann sich der Zeuge nicht darauf berufen, dass die Nutzer des Internetdienstes bei der Einstellung ihrer Bewertungen Regeln zu beachten haben, die vom Bewertungsportalbetreiber aufgestellt worden sind. Denn ein Sicherungsmechanismus, der verhindert, dass überhaupt regelwidrige Bewertungen veröffentlicht werden, ist nicht gegeben. Die vom Zeugen durchgeführte Kontrolle erfolgt nämlich erst nachgängig, also nach Veröffentlichung.

Hieran ändert auch nichts, dass den Nutzern zugesichert wird, dass ihre Daten nicht weitergegeben werden, und dass der Internetdienst in den von ihm aufgestellten Regeln geltend macht, die volle Verantwortung für die Beiträge zu übernehmen. Es liegt nämlich nicht im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten des Internetportals den Nutzern eine Vertraulichkeit zuzusichern, welche er mangels presseartiger Verarbeitung der Beiträge gar nicht leisten kann. Entsprechendes gilt für die vom Internetdienst ausgesprochene VerantwortungSÜbernahme. Denn Äußerungsdelikte kann nur begehen, wer eine konkrete Vorstellung von einer verbotenen Äußerung hat. Dazu muss er sie jedoch – wenn er Verantwortung für sie übernehmen will – zunächst selbst zur Kenntnis nehmen. Dies ist bei ungeprüft zur Veröffentlichung gelangten Beiträgen nicht der Fall.

Das verhängte Ordnungsgeld ist schließlich auch in der Höhe nicht zu beanstanden. Es liegt im nach Art 6 Abs. 1 EGStGB anzusetzenden Rahmen und steht in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur (hier).

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