LG Erfurt: Abmahner muss Zugang der Abmahnung beweisen

veröffentlicht am 2. Dezember 2008

LG Erfurt, Urteil vom 20.11.2008, Az. 3 O 1140/08
§§ 93, 286, 294 ZPO

Das LG Erfurt hat in diesem Urteil die Rechtsauffassung vertreten, dass der Abmahnende u.U. für den Zugang seiner Abmahnung beweisbelastet ist. Bestreitet der Abgemahnte den Zugang der Abmahnung, so hat der Abmahner gemäß vorliegendem Urteil zunächst die genauen Umstände der Absendung der Abmahnung vorzutragen und ggf. unter Beweis zu steIlen. Gelingt ihm dies – was im entschiedenen Sachverhalt nicht der Fall war, da das Postbuch mehrere Versendungen auswies, ohne dass diese dem Datum der Abmahnung zugeordnet werden konnte – muss wiederum der Abgemahnte qualifiziert vortragen, warum ihn das Schreiben trotz ordnungsgemäßer Absendung nicht erreicht hat. Relevant ist diese Frage für die Kostenlast einer einstweiligen Verfügung: Erkennt der Verfügungsbeklagte die einstweilige Verfügung sofort an bzw. gibt er sofort eine Unterlassungserklärung ab, ohne dass ihn zuvor eine Abmahnung erreicht hat, können die Kosten für das Verfahren dem Verfügungskläger auferlegt werden.

Landgericht Erfurt

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

….

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt durch … ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 ZPO nach Schriftsatzrecht bis zum 07.11.2008 für Recht erkannt:

Die einstweilige Verfügung vom 28.07.2008 wird im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Verfügungsklägerin hat Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung des Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „Keller der Perversionen“.

Das Filmwerk war vom Verfügungsbeklagten als Teilnehmer eines sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerkes dem im Netzwerk befindlichen Nutzern durch Freigabe auf seiner Festplatte zum upload angeboten worden.

Die Kammer hatte dem Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 28.07.2008 im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens untersagt, den vorgenannten Film ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin im Internet öffentlich zugänglich zu machen.

Die einstweilige Verfügung wurde dem Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb am 12.08.2008 zugestellt. Mit Anwaltsschriftsatz vom 18.08.2008 hat der Verfügungsbeklagte auf die Kosten beschränkten Widerspruch erhoben und im Übrigen die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, sie habe dem Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 14.07.2008 eine Abmahnung mit Frist zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung zugesandt. Die Bevollmächtigten der Verfügungsklägerin hätten am 14.07.2008 insgesamt 54 Abmahnschreiben, die den Film „Kammer der Perversionen“ mit dem internen Kürzel „KdP“ betrafen, zur Post aufgegeben. Darunter habe sich auch das an den Verfügungsbeklagten versandte Abmahnschreiben befunden. Das Schreiben sei zu keinem Zeitpunkt als unzustellbar zu den Bevollmächtigen der Verfügungsklägerin zurück gelangt.

Die Verfügungsklägerin beantragt,  die am 28.07.2008 angeordnete einstweilige Verfügung zu bestätigen und der Verfügungsbeklagten die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,  der Verfügungsklägerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.

Er bestreitet die Abmahnung erhalten zu haben.

Mit Beschluss vom 16.10.2008 hat das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 ZPO angeordnet.  Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 128 Abs. 3 ZPO war im schriftlichen Verfahren zu erkennen, da nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Der Beklagte hat seinen Widerspruch (§ 924 ZPO) zulässigerweise auf die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung beschränkt.

Der Kostenwiderspruch ist begründet.

Die Prozesskosten fallen gemäß § 93 ZPO der Verfügungsklägerin zur Last, weil der Verfügungsbeklagte die einstweilige Verfügung vom 28.07.2008 sofort anerkannte und keinen Anlass zum Erlass der einstweiligen Verfügung gegeben hatte.

Gemäß § 97 a Abs. 1 UrhG soll der Verletzer eines Urheberrechtes vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abgemahnt werden. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs gibt nur dann Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO, wenn er erfolglos abgemahnt worden ist (SchuschkelWalter, Bd. 11, 3. Aufl., Anhang zu § 935, Rd. 2). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Es kann nicht mit der nach §§ 286, 294 ZPO erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der Verfügungs beklagte das als Anlage AST 10 vorgelegte Abmahnschreiben vom 14.07.2008 erhalten hat.

Darlegungs- und beweisbelastet für den Zugang der Abmahnung ist zunächst der Verfügungsbeklagte, da ihn die Regelung des § 93 ZPO begünstigt. Nach den allgemeinen Beweislastregeln muss diejenige Partei, die sich auf einen Ausnahmetatbestand zu ihren Gunsten beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und ggf. beweisen (BGH Urteil vom 18.07.2003 – VZR 431/02). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Umstand um eine negative Tatsache handelt, die zu einer sekundären Darlegungslast des Klägers führt (BGH GRUR 2007,629-630).

Die Verfügungsklägerin ist danach auf das einfache Bestreiten des Verfügungsbeklagten gehalten, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und ggf. unter Beweis zu steIlen. Sodann kann der Verfügungsbeklagte qualifiziert bestreiten.

Die von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Umstände der Absendung nebst Glaubhaftmachung belegen keine ordnungsgemäße Versendung des Abmahnschreibens. Der Auszug aus dem Postausgangsbuch dokumentiert lediglich eine Vielzahl von Abmahnungen der Klägerin, die versandt sein sollen. Zweifel ergeben sich bereits aus dem auf dem Auszug befindlichen Datum „7.07.“, was den für den 14.7.2008 behaupteten Postversandt nicht erklärt. Dass sich unter der angegebenen Massensendung eine an den Beklagten adressierte Abmahnung befunden haben soll, ist der Eintragung nicht zu entnehmen. Das Postausgangsbuch enthält keinen Hinweis darüber, an wen die Abmahnungen versandt wurden. Die bloße Summe versandter Schreiben lässt keine verlässliche Einschätzung zu. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei Zählung der herausgehenden Schreiben versehentlich ein verfahrensfremdes Schreiben mitgezählt wurde. Die Tatsache des ausgebliebenen Postrücklaufes und der erfolgreichen Zustellung der einstweiligen Verfügung räumen die Zweifel an der behaupteten Versendung des Abmahnschreibens nicht aus. Diese Umstände erzeugen allenfalls eine Vermutung für die postalische Erreichbarkeit des Verfügungsbeklagten. Wie ausgeführt, ist jedoch fraglich, ob das Abmahnschreiben überhaupt die Kanzleiräume der Bevollmächtigten der Verfügungsklägerin vor dem Erlass der einstweiligen Verfügung verlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO analog. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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