LG Essen: Wer trägt die Kosten, wenn sich Abgabe der Unterlassungserklärung und Erhebung der Unterlassungsklage überschneiden?

veröffentlicht am 1. Februar 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Essen, Beschluss vom 30.07.2012, Az. 4 O 111/12
§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO

Das LG Essen hat entschieden, dass bei einer Überschneidung der Abgabe einer Unterlassungserklärung des Schuldners und der Erhebung einer Unterlassungsklage durch die Gläubigerin hinsichtlich der Kostenfrage für die Klage entscheidend ist, wann die Klage auf den Postweg gebracht wurde. Der Klägerin war am 27.04.2012 eine Unterlassungserklärung zugegangen. Sie habe jedoch nach eigener Behauptung bereits am 26.04.2012 die Klage an das Gericht losgeschickt. Nach Auffassung des Gerichts hätte im letzteren Fall der Beklagte die Kosten zu tragen gehabt, da er die Erklärung auch rechtzeitig hätte abgeben können. Sei die Klage hingegen noch nicht auf dem Postweg gewesen, hätte die Klägerin die Kosten tragen müssen, da das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hätte. Da dieser Sachverhalt nicht aufgeklärt werden konnte, hat das Gericht nach Erledigungserklärung die Kosten salomonisch geteilt. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Essen

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben (§ 91a ZPO).

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 30.07.2012: 10.000,00 EUR
danach: 3.527,30 EUR

Gründe

Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Gemäß § 91 a ZPO.konnte demnach durch Beschluss, der keiner mündlichen Ver­handlung bedarf, über die Kosten des Verfahrens entschieden werden.

Dies gilt unabhängig davon, dass das erledigende Ereignis vor Rechtshängigkeit der Streitsache eingetreten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.04.2003 – 9 W 12/03; OLG Celle, Beschluss v. 19.10.1993 – 2 W 53/93; OLG Bamberg, Beschluss v. 11.07.1980 – 3 VV31/80).

Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht die tenorierte Kostenfolge bilIigem Ermessen.

Ob die Klage im Fall der Durchführung des Verfahrens voraussichtlich Erfolg gehabt hätte, hängt von einer offenen Beweisfrage ab.

Der Sachverhalt, der der Abmahnung zugrunde lag, ist unstreitig. Der Beklagte war zur Unterlassung verpflichtet.

Dass die Klägerin in dem Abmahnschreiben gerichtliche Schritte nicht ausdrücklich angedroht hat, führt nicht dazu, dass der Unterlassungsanspruch oder der Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten entfällt.

Zwar setzt der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten voraus, dass der Gläubiger die Abmahnung in dem ernsthaften Willen ausgesprochen hat, den Unterlassungsanspruch notfalls gerichtlich geltend zu machen (BGH, Urteil v. 01.06.2006 – I ZR 167/06). Doch kann dieser Willen auch konkludent mitgeteilt werden. Dies ist hier durch die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch eine Rechtsanwaltskanzlei ausreichend geschehen. Der Beklagte musste fest damit rechnen, dass die Klägerin, die ihre Anwälte bereits mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs beauftragt hat, die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen würde, zumal sie dann auch die vorprozessualen Kosten selbst hätte tragen müssen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte selbst den Unterlassungsanspruch als gegeben angesehen hat, ein besonderes Prozessrisiko der Klägerin also nicht ersichtlich war.

Die Unterlassungserklärung ist der Klägerin allerdings bereits am 27.04.2012 zugegangen.

Wenn die KIage zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf den Postweg zum Gericht gebracht worden war, hätte ihr von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Sie wäre abweisungsreif gewesen, mit der Folge, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt hätte.

Nur dann, wenn sich die Klage zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Postweg zum Gericht befand, kann sich die Klägerin auf einen WegfaII des Klagegrunds vor Rechtshängigkeit mit der Kostenfolge analog § 269 III 3 ZPO berufen. In diesem Fall entspräche es dem billigen Ermessen, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, da es in seiner Hand lag, die Unterlassungserklärung so rechtzeitig abzugeben, dass die Klägerin sich nicht zuvor um gerichtliche Hilfe bemüht. Die Klägerin dagegen durfte zu dieser Zeit den Rechtsweg beschreiten. Es wäre unbillig, ihr das Risiko des zwischenzeitlichen Eingangs der Unterlassungserklärung aufzubürden. Dieses Risiko kann sie beim besten Bemühen nicht beherrschen.

Die Klägerin behauptet, die Klage sei bereits am 26.04.2012 an das Gericht gesandt worden. Der Beklagte bestreitet dies. Diese Tatsache wird für die Entscheidung über die Kostenfolge nicht mehr aufgeklärt werden, Beweise werden nicht erhoben. Die Kosten des Rechtsstreites haben beide Parteien zu gleichen Teilen zu tragen, da keine Partei für sich in Anspruch nehmen kann, dass sie nach dem bisherigen Sach- ­und Streitstand die besseren Erfolgsaussichten gehabt hat.

Auf das Urteil hingewiesen hat jurpc.de (hier).

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