LG Frankfurt a.M.: Neue Abmahnwelle? Widerrufsfrist beginnt erst mit Erteilung der Informationspflichten gemäß §§ 312 c II, § 312 e BGB

veröffentlicht am 24. Oktober 2008

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Frankfurt a.M., Urteil vom 07.10.2008, Az. 2-18 O 242/08
§§ 312 c Abs. 2, § 312 e Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 1 Abs. 1, 2, und 4 BGB-InfoV, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 220 ZPO.

Das LG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass in der bisher wenig beanstandeten Widerrufsbelehrung „Die Frist beginnt am Tag nachdem Sie die Ware und die Widerrufsbelehrung in Textform erhalten haben“ ein Wettbewerbsverstoß zu sehen ist. Im vorliegenden Fall hatte der Onlinehändler vergessen, darauf hinzuweisen, dass der Beginn der Widerrufsfrist weiterhin voraussetzt, dass die Pflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB iVm. § 1 Abs. 1,2 und 3 BGB-Info V erfüllt worden sind. Ein Bagatellverstoß wurde ausdrücklich verneint. Die seit dem 01.04.2008 geltende neue gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung enthält eine entsprechende Vorgabe, die bereits zuvor der geltenden Gesetzeslage zu entnehmen war. Abgemahnt wurde dieser Mangel in den Widerrufsbelehrungen indes nicht, wie zu vermuten ansteht, da die Abmahner seinerzeit selbst nicht sicher waren, wie der gesetzlichen Vorgabe in rechtssicherer Weise  zu entsprechen war. Die Wiedergabe des vollständigen Gesetzestextes als Annex zur Widerrufsbelehrung, wie selbst vom Bundesjustizministerum in diesem Jahr noch angedacht, geriet zu lang, so dass die Widerrufsbelehrung allein auf Grund der dann fehlenden Transparenz Abmahnungen ausgesetzt war. Der Verweis auf Gesetzesparagraphen schien gleichermaßen unzureichend, da nicht sichergestellt war, dass Verbraucher den komplizierten Gesetzestext auch verstehen würden. Onlinehändlern ist demnach zu raten, im Mindestmaß die neue gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung zu verwenden, soweit ein Rückgaberecht nicht angeboten werden soll oder kann. In verfahrensrechtlicher Hinsicht enthielt das Urteil die Besonderheit, dass es auf ein Versäumnisurteil zu reagieren galt, welches ergangen war, nachdem die Angelegenheit zwar im Gerichtssaal, nicht aber – wie vorgesehen – im Gerichtsflur aufgerufen worden war.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Landgericht Frankfurt am Main, 18. Zivilkammer, durch … im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 30.09.2008 für Recht erkannt:

I.
Die einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.08.2008 bestätigt.

II.
Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Der Antragsteller handelt auf der Internethandelsplattform eBay unter dem eBay-Mitgliedsnamen „…“ mit u.a. Büchern. Die Antragsgegnerin handelt auf der Internethandelsplattform Amazon (www.amazon.de) unter dem Mitgliedsnamen „…“ ebenfalls mit Büchern.

Die hiesige Antragsgegnerin hatte den Antragsteller unter Hinweis auf ein … Wettbewerbsverhältnis unter dem 16.05.2008 selbst förmlich abgemahnt und sich dabei auf Rechtsverstöße gegen die Widerrufsbelehrung berufen. Nunmehr geht der hiesige Antragsteller gegen die Antragsgegnerin vor. …

Die Antragsgegnerin belehrt Verbraucher in der Widerrufsbelehrung, welche zentral für alle Angebote der Antragsgegnerin auf der lntemethandelsplattform www.amazon.de unter „Verkäuferprofil“ abgelegt ist, ferner wie folgt:

„WIDERRUFSRECHT:
Sofern Sie als Verbraucher handeln, können Sie Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Diese Widerrufsbelehrung übermitteln wir Ihnen nochmals gesondert in Textform. Die Frist beginnt am Tag nachdem Sie die Ware und die Widerrufsbelehrung in Textform erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware.“

Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.06.2008 auf Unterlassung wettbewerbsrechtlicher Verstöße in Anspruch genommen.

In der Folge gab die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung ab.

Der Antragsteller hat beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern im Internet … im Rahmen der Widerrufsbelehrung
„Die Frist beginnt am Tag nachdem Sie die Ware und die Widerrufsbelehrung in Textfarm erhalten haben“ zu verwenden.

Dem ist die Kammer durch Beschlussverfügung vom 20.06.2008 nachgekommen. Wegen des genauen Wortlauts wird auf Blatt 41, 42 der Akten Bezug genommen. Gegen diese Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Nachdem für den Antragsteller im Termin der mündlichen Verhandlung am 12.8.2008 niemand aufgetreten war, hat die Kammer auf Antrag des Antragsgegnervertreters am 12.8.2008 gegen den Antragsteller ein Versäumnisurteil erlassen mit dem – unter Zurückweisung des Antrags vom 18.06.2008 – die einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 aufgehoben worden ist.

Nachdem der Antragsteller am 13.08.2008 gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, beantragt er nunmehr, das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufzuheben, den Widerspruch vom 19.07.2008 zurückzuweisen und die einstweiligen Verfügung vom 23.06.2008 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufrecht zu erhalten.

Durch die Verwendung fehlerhafter AGB verschaffe sich der Unternehmer keinerlei Vorsprung durch Rechtsbruch. Entgegenstehende Auffassungen verstießen gegen den klaren Wortlaut des Unterlassungsklagegesetzes, welches als Spezialgesetz dem UWG vorgehe und die Verwendung unzulässiger AGB ausklammere. Hiernach dürfen Verstöße gegen AGB Klauselverbote nur von den in § 3 UKlaG genannten qualifizierten Vereinigungen verfolgt werden, zu denen der Antragsteller nicht gehöre. Das feine Anspruchssystem dieses Gesetzes würde unterlaufen, wenn trotz vorrangiger Regelung in einem diese Fälle ausdrücklich erfassenden Spezialgesetz gleichzeitig ein Vorgehen nach dem UWG möglich wäre.

Soweit die im Antrag zu 1. b) gerügte Klausel nach den Ausführungen des Antragstellers nicht zulässig sein solle, weil nicht auch darüber belehrt wird, dass der Fristbeginn „zusätzlich von der Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2, und 4 BGB-InfoV sowie der Pflichten gemäß § 312 e Abs. 1 S. I BGB in Verbindung mit § 3 BGB InfoV abhänge, sei zu sagen, dass der Zusatz dem Verbraucher nichts nütze. Genauso gut könnte man schreiben: „Kaufen Sie ein BGB und lesen Sie.“ Das Weglassen einer sowieso unnützen Information könne keine wettbewerbsrechtliche Relevanz haben.

Durch die Verwendung der im Antrag bezeichneten Formulierung verschaffe sich die Antragsgegnerin jedenfalls keinen spürbaren Vorteil im Wettbewerb. Somit bestehe kein Unterlassungsanspruch.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf den rechtzeitigen Einspruch des Antragstellers war das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 aufzuheben.

Die mit dem Widerspruch angegriffene einstweilige Verfügung vom 23.06.2008 war zu Recht ergangen und daher zu bestätigen.

Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin liegen gemäß § 3 UWG iVm §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vor.

Die unwirksamen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin stellen wettbewerbsrechtlich relevante Verstöße gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. …

Die Antragsgegnerin belehrte vorliegend durch die beanstandete Widerrufsbelehrung nicht entsprechend dem Mustertext der Widerrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3) bei Fernabsatzverträgen. Es fehlte in jedem Fall der Hinweis darauf, dass die Frist nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger beginnt und es fehlt die Vervollständigung, dass die Frist nicht vor Erfüllung der Pflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB iVm. § 1 Abs. 1,2 und 3 BGB-Info V zu laufen beginnt. Auch wenn sich die Pflichten für einen Verbraucher erst nach Lektüre der entsprechenden Nonnen des BGB erschließen, kann der Verwender nach der Intention des Gesetzgebers nicht auf die entsprechende Belehrung verzichten, zumal ihm durch das Muster zur Rückgabebelehrung auch die Formulierung vorgegeben wird.

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass diese Verstöße unter das Unterlassungsklagegesetz fallen und der einzelne Mitbewerber nicht befugt ist, einen eigenen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, widerspricht dies der Gesetzessystematik. Die Regelungen des Unterlassungsklagegesetzes sind nämlich nicht abschließend (vgl. Köhler in Hefennehl u.a. Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 Rn 11.17 mwN). Die in § 3 UKlaG nicht aufgeführten Mitbewerber – und um einen solchen handelt es sich bei dem jurz Antragsteller unstreitig – können daher nach § 8 Abs. 3 Nr I UWG unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsverstoßes durch Rechtsbruch gegen Verstöße gegen AGB-Recht und Verbraucherschutzgesetze vorgehen (Köhler aaO).

Es handelt sich auch nicht lediglich um Bagatellverstöße. …

Nach allem war die angegriffene einstweilige Verfügung zu Recht ergangen, so dass das Versäumnisurteil gemäß § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben war.

Die prozessuale Nebenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Säumniskosten fallen nicht gemäß § 344 ZPO der Antragstellerin zur Last, denn das Versäumnisurteil vom 12.08.2008 ist nicht gesetzlicher Weise ergangen. Es fehlte an einem Aufruf des Rechtsstreits vor dem Saal nach § 220 ZPO. Dieser Aufruf vor dem Saal z.B. durch den Protokollführer ist notwendig (vgl Baumbach u.a., Zivilprozessordnung, 66. Aufl., Rn 4) und kann nicht von dem vorliegend durch den Vorsitzenden erfolgten Aufruf des Rechtsstreits im Saal ersetzt werden.

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