LG Freiburg: Gratis-iPads von Brillenherstellern für Optiker sind keine unzulässige Werbegabe, wenn diese überwiegend für die Kundenberatung nutzbar sind

veröffentlicht am 3. Mai 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Freiburg, Urteil vom 23.04.2012, Az. 12 O 44/12
§ 7 HWG

Das LG Freiburg hat entschieden, dass keine nach dem HWG unzulässige Werbegabe eines Brillenglasherstellers an einen Optiker vorliegt, wenn letzterem gratis ein iPad für die Kundenberatung zur Verfügung gestellt wird. Vorliegend habe die Beklagte nachgewiesen, dass das beworbene iPad lediglich den Verkaufsbemühungen der von der Werbung allein angesprochenen Augenoptiker diene. Der Nutzen des iPads sei im wesentlichen auf die Erleichterung und günstige Beeinflussung des Gesprächs zwischen Augenoptiker und dessen Kunden beschränkt. Das iPad solle demnach nicht als Mittel für den allgemeinen Zugang zum Internet, zur Abwicklung des E-Mail-Verkehrs oder gar als Telefon dienen. Die Funktion als Fotoapparat sei möglich, aber hier im wesentlichen darauf bezogen, dass der Optiker damit dem Kunden ein Foto seiner selbst zur Verfügung stellen könne. Es handele sich demnach also nicht um eine kostenlose werbende Zugabe an den Augenoptiker, sondern um ein Absatzhilfsmittel. Dies sei statthaft. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Freiburg

Urteil

1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1, 1 fachen des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte in Höhe des 1, 1 fachen des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch, den der Kläger, ein Verein mit dem Zweck, als Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft zur Förderung eines lauteren Geschäftsverkehrs beizutragen, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend macht. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Brillengläser herstellt.

Die Beklagte bewirbt Gratis Beratungs-iPads gegenüber Augenoptikern im Rahmen ihres E.-Partnerprogramms. Das iPad habe wegweisende Apps. „So beraten Sie Ihre Kunden mit einem Touch mehr Kompetenz. Wenn Sie jetzt Gas geben, gehören diese Funktionen ab 31.3.2012 alle Ihnen:“ Im Nachfolgenden sind diese Apps aufgeführt und sind ein so genannter „Eyecast“ und ein „Mehrwertatlas“ beschrieben. Hinzu kommen ein E.-Produktkatalog und eine E.-Welt. Voraussetzung für die versprochene Gabe ist, dass der Optiker im 1. Quartal 2012 3000 Euro mehr Umsatz macht als im 1. Quartal 2011. Das Werbeschreiben ist mit einem individuellen Anmelde-Code versehen.

Der Kläger ist der Auffassung, hiermit verstoße die Beklagte gegen die strengen Vorgaben des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (§ 7 Abs. 1 S. 1 HWG). Die Werbung sei eine unzulässige Ankündigung einer unentgeltlich gewährten Vergünstigung. Keiner der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 S. 1 2.HS HWG sei erfüllt. Es handele sich weder um Zubehör zu den Brillengläsern noch wäre dieses Zubehör handelsüblich im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG. Es handele sich nicht wie bei handelsüblichem Zubehör um eine beiläufige Nebenleistung, die wie selbstverständlich mitgeliefert werde. Solches wäre angesichts seines sachfremden Charakters und erheblichen Wertes auch gar nicht möglich. Vielmehr rücke die Beklagte die Gratiszugabe ins Zentrum ihrer Produktwerbung. Ein solches gratis iPad im Wert von Euro 700 und mit einem großen privaten Zweitnutzen sei nicht handelsüblich im Sinne der zitierten Vorschrift. Die von der Beklagten herangezogene Vollharmonisierung durch die UGP-Richtlinie spiele für den vorliegenden Fall überhaupt keine Rolle. Die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheitsaspekte seien ausweislich Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie sowie des Erwägungsgrundes 9 ausdrücklich unberührt. Der Wegfall der Vorschriften über verbotene Zugaben sei ohne Bedeutung. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber habe bei Aufhebung der Zugabeverordnung das Verbot der Wertreklame in § 7 HWG bewusst beibehalten.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit halber ohne vorherige mündliche Verhandlung – bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten, geschäftlich handelnd Abnehmern ihrer Brillengläser die kostenlose Abgabe eines iPad als Prämie gegen den Nachweis einer Umsatzsteigerung anzubieten und/oder anzukündigen, insbesondere wie in Anlage A.

Die Beklagte beantragt: Den Antrag zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Verbot des § 7 HWG nicht für anwendbar. Zur Begründung führt sie aus: Vorliegend gehe es um eine Werbegabe an Augenoptiker, also an Personen, die geschäftlich erfahren seien und bei denen deshalb keine Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung bestehe. Seit der Gesetzesänderung im Jahre 2006 verfolge § 7 HWG ein neues Regelungsziel, das rein fiskalisch und sozialpolitisch motiviert sei. Im Gegensatz zu Arzneimitteln seien Brillen jedoch schon lange keine Kassenleistung mehr. Deshalb bestehe erst Recht keine Veranlassung, vorliegend § 7 HWG zur Anwendung kommen zu lassen. Der Grundgedanke der UGP-Richtlinie sei vorliegend bedeutsam. Denn wenn nach der Rechtsprechung des EuGH ein allgemeines Zuwendungsverbot im Verhältnis von Business to Consumer unzulässig sei, müsse dies erst recht dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine solche Zuwendung nicht an Verbraucher, sondern lediglich an Unternehmer gewährt werde, die aufgrund ihrer Geschäftserfahrung noch viel weniger dem Risiko ausgesetzt seien, durch die Zugabe wesentlich beeinflusst zu werden. Augenoptiker als Kaufleute seien geschäftserfahren, da sie mit Rabatten, Boni und Sonderaktionen von Brillenglasherstellern ständig konfrontiert würden und mit solchen Angeboten umgehen könnten. Augenoptiker seien es gewohnt, zu kalkulieren und unter den Angeboten der verschiedenen Brillenglashersteller das für sie unter dem Strich Günstigste zu wählen. Eine solche Gesetzesauslegung sei auch von Verfassungs wegen (Art. 12 GG) geboten. Hilfsweise meint die Beklagte, der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG sei erfüllt. Die Werbung der Beklagten sei handelsüblich und diene dem Hauptzweck des Vertrages zwischen Augenoptiker und Beklagter, nämlich dem Absatz von Gläsern der Beklagten durch den Augenoptiker. Selbstverständlich werde jeder Augenoptiker seinen Kunden die Gläser desjenigen Herstellers empfehlen, bei dem er die günstigsten Konditionen genieße. Dies sei heute jedem verständigen, aufgeklärten Durchschnittsverbraucher völlig klar. Der Endkunden erleide aber auch deshalb keinen Nachteil, weil er in aller Regel nicht markenbewusst sei, es ihm also nicht darauf ankomme, Brillengläser eines bestimmten Markenherstellers zu erhalten. Auch die Nachfrage auf der Kundenseite werde vielmehr im wesentlichen über den Preis gesteuert, eben weil der Kunde seine neue Brille aus eigener Tasche bezahlen müsse. Die Zuwendung von werbeunterstützenden Sachleistungen von Brillenglasherstellern an Augenoptiker, die Gläser des betreffenden Herstellers vertrieben, sei handelsüblich. Der geforderte Mehrumsatz sei bei Gläsern von einem Preis von weit über EUR 1 000, der bei den von der Beklagten hergestellten Gläsern leicht und üblicherweise erreicht werde, unbedeutend und falle nicht ins Gewicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist zulässig gestellt, jedoch nicht begründet, weil der Beklagten ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 HWG nicht angelastet werden kann.

Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn besondere Ausnahmetatbestände wären erfüllt. Der Begriff der Werbegabe Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 HWG, der als Oberbegriff für die Begriffe Zuwendung bzw. sonstige Werbegabe zu verstehen ist, ist anerkanntermaßen weit auszulegen. Grundsätzlich wird hiervon jede unentgeltliche Vergünstigung erfasst, die im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel gewährt wird. Im Hinblick auf das mit § 7 HWG verfolgte Ziel, durch weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, muss der Begriff der Zuwendung umfassend verstanden werden. Allerdings muss zwischen der Zuwendung und der Heilmittelwerbung ein qualifizierter Zusammenhang bestehen, wobei die Frage, ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, aus der Sicht der Empfänger zu beantworten ist. Denn mit dem Verbot der Werbegaben soll der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Angehörigen der Heilberufe begegnet werden, die von derartigen Zuwendungen ausgeht. Eine solche auch nur abstrakte Gefahr besteht nicht, wenn die Angehörigen der Heilberufe, die als Empfänger in Betracht kommen, in der fraglichen Zuwendung kein Werbegeschenk sehen (vergleiche im einzelnen BGH GRUR 2011, 1163 – Arzneimitteldatenbank).

Die Voraussetzungen einer verbotenen Werbegabe sind vorliegend nicht zur ausreichenden Überzeugung der Kammer nachgewiesen (§ 294 ZPO), so dass der klägerische Antrag nach Beweislastgrundsätzen zurückzuweisen war.

Die Beklagte hat vielfältige und im Ansatz überzeugende Hinweise dafür vorgetragen, dass das beworbene iPad lediglich den Verkaufsbemühungen der von der Werbung allein angesprochenen Augenoptiker dient. Der Nutzen des iPad ist nach diesen Darlegungen im wesentlichen auf die Erleichterung und günstige Beeinflussung des Gesprächs zwischen Augenoptiker und dessen Kunden beschränkt. Als ein Mittel für den allgemeinen Zugang zum Internet kann es danach nicht dienen. Die Abwicklung des E-Mail-Verkehrs, die die Beklagte nicht ganz ausschließen konnte, tritt demgegenüber völlig zurück. Dass das iPad als Telefon dienen könnte, liegt nicht nahe und ist zumindest nicht glaubhaft gemacht. Die Funktion als Fotoapparat ist möglich, aber hier im wesentlichen auf den Absatz des Optikers bezogen, der damit dem Kunden ein Foto seiner selbst zur Verfügung stellen kann, ähnlich einem Spiegel.

Das iPad hat hier also im wesentlichen eine für die nachfolgende Kundenbeziehung zwischen Augenoptiker und Käufer bedeutsame Funktion. Folglich hat, wovon die Kammer für die Entscheidung auszugehen hat, das iPad die Aufgabe, den Absatz des Augenoptikers, soweit es um von der Beklagten hergestellte Gläser geht, zu fördern. Es ist also nicht Anreiz für den Optiker, verstärkt Gläser dieses Herstellers zu vertreiben, allenfalls erleichtert es den Absatz dieser Gläser, für den sich der Optiker aus anderen Gründen entschieden hat.

Die Schwelle des für die Gewährung des iPads geforderten Mehrumsatzes muss, wie die Beklagte mit Recht einwendet, als eher geringfügig angesehen werden. Dies alleine rechtfertigt nicht die Annahme einer Werbegabe im beschriebenen Sinne.

Die Statthaftigkeit des Einsatzes eines iPad als solchem bei Verkaufsbemühungen steht außer Streit.

Es handelt sich demnach nicht um eine als Geschenk und in diesem Sinne kostenlos verstandene werbende Zugabe an den Augenoptiker, sondern um ein Absatzhilfsmittel wie beispielsweise auch die Publikumsbewerbung der Produkte der Beklagten durch diese selbst, die fraglos statthaft ist.

Der Kammer ist bekannt, dass je nach den vorherrschenden Marktverhältnissen Hersteller den Bezug derartiger Hilfsmittel kostenpflichtig machen können und, mitunter, ihren Abnehmern ganz erhebliche Investitionen abverlangen. Es sind jedoch keine Gesichtspunkte dafür erkennbar, das eine oder andere Verhalten als Grundregel zu bewerten und den hiervon abweichenden Sachverhalt als – dann kostenlose und verbotene – Zugabe anzusehen. Solches lässt sich auch nicht nach der maßgeblichen Sicht des hier umworbenen Augenoptikers feststellen.

Anderweitige Verstöße sind nicht geltend gemacht.

Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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