LG Halle: Pflicht zur Löschung des Google-Cache nach Abgabe einer Unterlassungserklärung verneint

veröffentlicht am 15. August 2012

LG Halle, Urteil vom 31.05.2012, Az. 4 O 883/11
§ 339 BGB

Das LG Halle hat entschieden, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung (hier: wegen Nutzung von Metatags / Keywords) grundsätzlich keine Pflicht besteht, für eine Löschung der beanstandeten Internet-Seiten im Google-Cache Sorge zu tragen. Eine solche Pflicht müsse ausdrücklich vereinbart werden, denn aufgrund einer Unterlassungserklärung bestehe üblicherweise keine Verpflichtung dazu, aktiv tätig zu werden. Die Tatsache, dass der Google-Cache eine Internetseite zeige, wie sie vor Abgabe der Unterlassungserklärung ausgesehen habe, sei kein wirksamer Anknüpfungspunkt für eine Vertragsstrafe, wenn es sich dabei um einen aktuellen Inhalt einer Internetseite handele. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Halle

Urteil

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch.

Die Klägerin vertreibt Gartenspielgeräte. Die Beklagte ist im selben Bereich tätig und unterhält eine Internseite unter www…haus.de. Auf dieser Internetseite hatte die Beklagte zur Erreichung einer Aufnahme ihrer Seiten in die Ergebnisliste bei Suchmaschinen zahlreiche Metatags/Keywords gesetzt, u.a. „…“, „Lieferprobleme“, „Ärger“, „Probleme“, „Lieferschwierigkeiten“, die in ihrer durch die Beklagte vorgenommenen Verknüpfung geeignet waren, den Ruf der Klägerin zu schädigen. Die Klägerin mahnte die Beklagte rechtsanwaltlich ab und legte dieser vorformuliert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vor, die der Geschäftsführer der Beklagten am 4.5.2011 unterzeichnete. Wegen des Inhaltes der Erklärung wird auf dieselbe verwiesen (Anlage K 2 – Bl.13 d.A.). Die Beklagte löschte die entsprechenden Metatags/Keywords auf ihrer Internetseite. Auch danach tauchte jedoch in der Ergebnisliste der Google- Suchmaschine weiterhin die Internetseite der Beklagten mit den gleichen Verknüpfungen auf. Es wird insoweit auf die Screenshots vom 26.5.2011 (Anlage K 4 –Bl.15 d.A.) und 20.5.2011 (Anlage K 7 – Bl. 20 d.A.) Bezug genommen. Die im Cache bei Google gespeicherten Internetseiten verschwinden – zumindest teilweise – nach einiger Zeit von selbst durch interne Aktualisierung der Seiten bei Google. In der Zwischenzeit kann von außen durch Dritte auf die Suchmaschinenergebnisse im Cache von Google nicht gezielt eingegriffen und dortige Inhalte nicht entfernt werden. Die Beklagte wandte sich nicht mit der Bitte nach Löschungen an Google. Die Klägerin ließ die Beklagte wegen dieser Suchmaschinenergebnisse vorprozessual erfolglos rechtsanwaltlich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.100 € aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Unterlassungserklärung verpflichte die Beklagte auch dazu, bei den Suchmaschinenbetreibern eine Löschung früherer Seiten herbeizuführen, was ohne weiteres möglich sei und sofort etwa von Google umgesetzt würde.

Die Klägerin beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (29.11.2011) zu zahlen,
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2) die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 527,00 € nebst Zinsen von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Einwirkungen auf Google seien gar nicht möglich. Alle Cache-Ergebnisse hinsichtlich älterer Internetseiteninhalten verschwänden ohnehin durch die regelmäßige Aktualisierung bei den Suchmaschinen.

Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Verhandlungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Die Beklagte hat die am 4.5.2011 versprochene Vertragsstrafe nicht zu zahlen. Denn sie hat gegen die dort festgelegte strafbewehrte Unterlassungspflicht nicht verstoßen. In dieser hat sich die Beklagte verpflichtet, im Zusammenhang mit der Firma der Klägerin bestimmte Begriffe nicht zu verwenden und zu veröffentlichen. Solche Veröffentlichungen hat die Beklagte nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung jedoch unstreitig selbst nicht mehr getätigt. Auf ihrer Internetseite findet sich diese Verknüpfung von Metatags/Keywords nicht mehr. Soweit die Klägerin ursprünglich anderes behauptet hat, hat sie sie daran auf den gerichtlichen Hinweis nicht mehr festgehalten. Mit diesem war sie darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Screenshot, auf den sie sich für die zunächst aufgestellte Behauptung eines weiteren Befindens dieser Wortverbindungen auf der Internetseite der Beklagten beruft (Anlage K 4 – Bl.15 d.A.), genau das Gegenteil dieser Behauptung ausweist. Denn er weist einerseits auf die Ablesung dieses Seiteninhaltes aus dem Cache und andererseits das Datum vom 15.4.2011 auf, zu dem dieser Seiteninhalt im Cache gespeichert wurde; dieser liegt vor Abgabe der Unterlassungserklärung vom 4.5.2011. Zur Verdeutlichung wird ausgeführt, dass die Suchmaschine Google jede einmal über diesen Suchdienst aufgerufene Seite in der Fassung des Aufrufdatums bei sich speichert und diese Cache-Fundstellen bei jeder neuen Suchanfrage zu den Schlagworten neben den aktuellen Suchergebnissen erneut als Fundstelle auswirft. Dadurch kommt es zur fortlaufenden Verfügbarkeit auch überholter, älterer Internetseitenfassungen bei den Suchmaschinen-Ergebnislisten zu den Schlagwörtern. Auch die darunter stehenden Fundstellen weisen ausdrücklich aus, dass es sich um einen Seiteninhalt aus dem Cache bei Google handelt, nicht aber um einen aktuellen Inhalt einer Internetseite. Zum Vergleich: Die ersten beiden Fundstellen auf der Anlage K 4 stellen eine aktuelle Internetseite dar, wie sich aus den Fehlen des Cache-Hinweises ergibt. Auf diesen gerichtlichen Hinweis ist die Klägerin auf ihre frühere Behauptung nicht mehr zurückgekommen, sondern hat nunmehr darauf abgestellt, dass es – ihrer Auffassung nach – nur darauf ankomme, dass die Beklagte mit ihrer ursprünglichen Internetseite das heutige Suchergebnis bei Google ausgelöst habe und deshalb dafür verantwortlich und vertragsstrafenpflichtig sei

Diese Rechtsauffassung ist jedoch aus zwei Gründen falsch. Zum einen kann die Vertragsstrafe diese frühere Handlung der Beklagten nicht erfassen und an sie anknüpfen, da diese Handlung zu einer Zeit erfolgt ist, zu der noch keine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungspflicht der Beklagten bestand (vgl. BGHjuris, Urteil vom 18.5.2006, Az.: I ZR 32/03). Zum anderen hat sich die Beklagte in der strafbewehrten Unterlassungserklärung allein zu einem Unterlassen verpflichtet, nicht aber auch die Pflicht übernommen, aktiv tätig zu werden und Dritte – etwa Google und alle anderen Suchmaschinenbetreiber weltweit – dazu aufzufordern ebenfalls nichts entsprechendes mehr zu veröffentlichen. Insoweit unterscheidet sich der Fall deutlich von der Sachlage, die dem Urteil des OLG Köln (Urteil vom 15.12.2009, Az.: 15 U 90/09, bei juris) zugrunde lag, denn dort war – wie aus dem Tatbestand des vorhergehenden landgerichtlichen Urteil ersichtlich (LG Kölnjuris, Urteil vom 13.5.2009, Az.: 28 O 348/08) eine Unterlassung- und Verpflichtungserklärung erfolgt. Auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 21.10.2010, Az.: III ZR 17/10, bei juris) hat klargestellt, dass aus einer übernommenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung nicht die Pflicht zur Beseitigung von Internetinhalten Dritter abgeleitet werden kann und die allein für die Unterlassung versprochene Vertragsstrafe nicht verwirkt wird.

Gerade wenn die Fassung des Unterlassungstextes durch die eine Vertragsseite vorformuliert wird, darf die sich entsprechend verpflichtende Partei erwarten, dass die andere Seite all die Punkte in diese Erklärung aufgenommen hat, die sie unter die Strafdrohung stellen will. Stellt die Verwenderseite später fest, dass ihr diese von ihr selbst vorgegebene Verpflichtung nicht ausreicht, stellt dies keinen Grund dar, die Strafbewehrung auf andere Tatbestände auszudehnen, zu denen nichts in der Erklärung steht. Denn die Verwenderseite der Vertragsfassung hatte es in der Hand ihren Willen zu formulieren und muss sich daran festhalten lassen.

Insoweit bestehen auch bei einer vertraglichen Anspruchsgrundlage gänzlich andere Pflichten zur Einwirkung auf Dritte, als etwa bei Unterlassungsansprüchen, die aus unerlaubter Handlung oder Schutzrechtsverletzungen herrühren. Denn letztere verpflichten zur Schadensbeseitigung aller adäquat kausal eingetretenen Folgen und somit auch zu einem Einschreiten gegen Dritte, deren Tätigkeit sich allein aus der früheren – bereits damals rechtswidrigen – Handlung des Schädigers ableitet. Bei einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung besteht jedoch vor dem Vertragsabschluss keine Rechtsverletzung durch die damals noch rechtmäßig vorgenommene Handlung. Diese Unterscheidung beachtet die von der Klägerin zitierte Entscheidung des KG (Urteil vom 27.11.2009, Az.: 9 U 27/09, bei juris) nicht, die ohnehin – ebenso wie die klägerseits zitierten landgerichtlichen Entscheidungen – mit ihrer pauschalen Ableitung einer Tätigkeitsverpflichtung aus einer Unterlassungserklärung nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21.10.2010 (a.a.O.) so nicht aufrechterhalten werden können. Soweit der Kläger Rechtsprechung zu Frage eines Verschuldens hinsichtlich einer Nichteinwirkung auf Suchmaschinenbetreiber zitiert, ist das ebenfalls unerheblich. Denn die Frage nach dem für die Vertragsstrafenverwirkung erforderlichen Verschulden stellt sich erst, nachdem – wie hier nicht – objektiv gegen die übernommene Unterlassungspflicht verstoßen wurde.

Gemäß vorstehender Ausführungen besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Zinszahlungen und ebenso wenig wegen der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.

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