LG Hamburg: Ein Netzbetreiber darf behaupten, dass Letztverbraucher sicherstellen müssen, elektronische Rechnungsformate verarbeiten zu können und hierbei die GPKE-Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) einhalten müssen / Kein Wettbewerbsverstoß

veröffentlicht am 16. Januar 2014

LG Hamburg, Urteil vom 16.10.2013, Az. 315 O 324/13
§ 3 UWG,
§ 4 Nr. 7 UWG, § 4 Nr. 8 UWG, § 4 Nr. 10 UWG, § 5 UWG, § 20 Abs. 1 Satz 5 EnWG

Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Netzbetreiber behaupten darf, dass Letztverbraucher sicherstellen müssen, elektronische Rechnungsformate verarbeiten zu können und hierbei die GPKE-Vorgaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) einhalten müssen. Eine gegenläufige einstweilige Verfügung gegen den Netzbetreiber hob die Kammer nach Widerspruch auf. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Hamburg

Urteil

I. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20. September 2013 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits,

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die VOllstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin gehört zur Unternehmensgruppe der m…-g… H… GmbH und ist nach eigener Darstellung Vertragspartnerin für Kunden für die bundesweite Erbringung von Energiedienstleistungen unter der Handelsmarke „C…-E…“, Die Antragstellerin beabsichtigt – anders als andere Stromlieferanten – für ihre Kunden nicht mehr Netznutzungsverträge mit den Inhabern der jeweiligen Stromnetze abzuschließen, sondern den Kunden nur Energie zu liefern und auch nur diese Dienstleistung gegenüber den Kunden abzurechnen, während die Kunden mit ihrem jeweiligen lokalen Netzbetreiber einen eigenen Netznutzungsvertrag abschließen müssen.

In diesem Zusammenhang übersandte die Antragsgegnerin Letztverbrauchern, die beabsichtigten, mit der Antragsgegnerin einen Netznutzungsvertrag abzuschließen, das aus der Anlage Ast. 3 ersichtliche Schreiben mit Datum vom 07.08.2013. Darin führt die Antragsgegnerin unter anderem aus:

„Darauf aufbauend ist gemäß dem Beschluss BK6-06-009 („GPKE“) der zuständigen Regulierungsbehörde (BNetzA) die Netznutzungsabrechnung Strom mittels EDIFACT- Nachrichtentypen (INVOIC, REMADV) durchzuführen, soweit der Netzbetreiber oder der Netznutzer dies verlangen.“

„Wir als Netzbetreiber verlangen die elektronische Rechnungslegung gemäß Ziffer 9.1 unserer Allgemeinen Bedingungen für Netznutzungsverträge.“

„Zusammenfassend sind Sie als Netznutzer sowohl nach der StromNZV als auch nach Tenor Ziff. 4 b) GPKE zur Ermöglichung der elektronischen Netznutzungsabrechnung verpflichtet.“

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung. Sie stützt sich zur Begründung des von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruches auf die §§ 8, 3, 4 Nr. 7, 4 Nr. 8 und 5 UWG sowie auf § 5 Abs. 4 EnergiedienstleistungsG.

Sie führt aus, dass sämtliche der angeschriebenen Kunden einen Energiedienstleistungsvertrag mit der Antragstellerin geschlossen hätten. In dem Schreiben der Antragsgegnerin würden Tatsachen verbreitet, die geeignet seien, ihren Betrieb zu schädigen bzw. ihre Dienstleistungen als Mitbewerberin herabzusetzen (§§ 4 Nr. 7 und 4 Nr. 8 UWG). Denn die Antragsgegnerin behaupte und verbreite, dass die Kunden der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu einer elektronischen Netznutzungsabrechnung Strom mittels EDIFACT-Nachrichtentypen (INVOIC, REMADV) verpflichtet seien. Die Antragsgegnerin beziehe sich dabei auf die Voraussetzungen und Modalitäten der Abwicklung der Netznutzungsabrechnung, wie sie sich aus der GPKE-Festlegung der Bundesnetzagentur ergäben. GPKE sei das Kürzel für Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität.

Die Antragstellerin sei durch das Schreiben selbst betroffen, denn das Schreiben sei an die Antragstellerin adressiert, weil die Antragstellerin die Abwicklung des Netznutzungsvertrages für ihre Kunden übernehme.

Die Aussagen der Antragsgegnerin seien unzutreffend. Denn die Befugnis zum Vorschreiben von Netzzugangsprozessen umfasse keine Regelung im Hinblick auf den Endverbraucher, sondern erstrecke sich lediglich auf das Verhältnis zwischen Marktteilnehmern. Die GPKE-Festlegungen seien auf Letztverbraucher gar nicht anwendbar. Überdies enthalte die Ermachtigungsgrundlage gemäß den §§ 29 Abs. 1 EnWG iVm 27 Nr. 11 StromNZV keine Befugnis zur Abänderung von § 14 UStG.

Der Verordnungsgeber ermächtige die Regulierungsbehörde lediglich dazu, allgemeine Festlegungen von Netzzugangsbedingungen zu treffen. Auf diese Weise solle durch generelle Handlungsanweisungen das Verhalten der Marktteilnehmer in typ ischerweise im Rahmen der geschäftlichen Betätigung häufig wiederkehrenden einzelnen Situationen so gesteuert werden, dass sich die Wettbewerbskräfte auf dem Strommarkt bestmöglich entfalten könnten.

Zudem sei § 14 UStG zu berücksichtigen. Diese Regelung gehe als ranghöheres Bundesrecht der Festlegung des Rechnungsformats durch die Bundesnetzagentur vor. Zudem verstoße eine Verpflichtung des Endverbrauchers zur Bereitstellung von elektronischen Formaten gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Sofern der Letztverbraucher keine Zustimmung zum Empfang von elektronischer Post erteile, seien die Rechnungen in Papierform zu übermitteln.

Es handele sich bei den Äußerungen der Antragsgegnerin um unwahre Behauptungen über geschäftliche Verhältnisse de Antragstellerin als Mitbewerberin. Das Geschäftsmodell der Antragstellerin, dass nunmehr keine All-inclusive-Verträge mehr vorsehe, werde von der Antragsgegnerin gegenüber den Endkunden herabgesetzt. Die Kunden der Antragstellerin würden auf diese Weise stark verunsichert, weil sie nunmehr davon ausgingen, dass sie umfangreiche Investitionen tätigen müssten, um das angeblich zwingend vorgeschriebene elektronische Datenformat lesen zu können. Zudem stehe der Antragstellerin auch ein Unterlassungsanspruch aus § 5 Abs. 4 EnergiedienstleistungsG zu. Die Verweigerung des Abschlusses eines eigenständigen Netznutzungsvertrages seitens der Antragsgegnerin behindere die Nachfrage nach den Energiedienstleistungen der Antragstellerin.

Mit Beschluss vom 20.09.2013 hat die Kammer der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Androhung näher bestimmter Ordnungsmittel verboten, unter Bezugnahme auf C…E… m…-p… I… E… GmbH & Co. KG im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten und/oder zu verbreiten:

1. „Darauf aufbauend ist gemäß dem Beschluss BK6-06-009 („GPKE“) der zuständigen Regulierungsbehörde (BNetzA) die Netznutzungsabrechnung Strom mittels EDIFACT-Nachrichtentypen (INVOIC, REMADV) durchzuführen, soweit der Netzbetreiber oder der Netznutzer dies verlangen.“

2. „Wir als Netzbetreiber verlangen die elektronische Rechnungslegung gemäß Ziffer 9.1 unserer Allgemeinen Bedingungen für Netznutzungsverträge.“

3. „Zusammenfassend sind Sie als Netznutzer sowohl nach der StromNZV als auch nach Tenor Ziff. 4 b) GPKE zur Ermöglichung der elektronischen Netznutzungsabrechnung verpflichtet.“

wenn dies geschieht wie jeweils aus der Anlage Ast. 3 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin hat gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt, den sie wie folgt begründet:

Die Antragstellerin sei bereits nicht aktivlegitimiert. Bei der Frage, ob eine Rechtsverletzung gegenüber der Antragstellerin vorliege, komme es auf den Inhalt des streitgegenständlichen Schreibens an, nicht bloß auf die Tatsache, dass die Antragstellerin möglicherweise von ihren Kunden zum Empfang von Post bevollmächtigt worden sei. Die Antragstellerin sei überhaupt nicht Adressatin der jeweiligen Schreiben, sondern nur postalische Empfängerin

Die Parteien stünden auch in keinem Wettbewerbsverhältnis. Die Antragstellerin sei Stromlieferantin, die Antragsgegnerin Netzbetreiberin. Die Antragstellerin versuche zu suggerieren, dass sie von einer eigenen Netznutzung auf eine Netznutzung durch die Kunden umstelle. Die Antragstellerin sei bislang aber nicht selbst Netznutzerin gewesen; vielmehr sei die Netznutzung von der m… I… E… GmbH GmbH & Co. KG in Anspruch genommen worden.

Der Antragstellerin stehe gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch nach dem UWG zu. Die Antragstellerin verlange mit ihrem Antrag, dass bestimmte Netznutzer, nämlich private Letztverbraucher, die den Netzzugang selbst in Anspruch nähmen, anders behandelt würden als andere Netznutzer, etwa Stromlieferanten und größere Letztverbraucher. Dies sehe des EnWG aber nicht nur nicht vor, es verbiete ein solches Verhalten sogar. Nach § 20 Abs. 1 Satz 5 EnWG müssten die Netzzugangsregelungen massengeschäftstauglich sein. Zur Sicherstellung dieser Vorgaben habe die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde allgemeingültige einheitliche Geschäftsprozesse und Datenformate für die Abwicklung der Netznutzung vorgegeben, die Festlegung BK6-06-009 „GPKE“ (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) vom 11.07.2006. Diese Vorgaben müssten auch von der Antragsgegnerin eingehalten werden. Die Vorgaben der GPKE gälten ausdrücklich auch für Letztverbraucher, die die Netznutzung eigenverantwortlich mit dem Netzbetreiber regelten. Demgemäß seien die Netzbetreiber, aber auch die Letztverbraucher als Netznutzer verpflichtet, die Vorgaben der GPKE einzuhalten.

Im Streitfall finde § 14 UStG keine Anwendung. Denn dieser Regelung widersprächen den bestandskräftigen verbindlichen Vorgaben der GPKE (Ziff. 4 b) des Tenors). Bei der GPKE handele es sich um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung. Da die Antragsgegnerin gegenüber allen Netznutzern die Netznutzungsabrechnung elektronisch übermittle, sei sie auch gegenüber separaten Netznutzern zu dieser Form der Rechnungsstellung verpflichtet.

Zudem habe die Antragsgegnerin keinerlei Aussagen in Bezug auf die Antragstellerin getätigt. Die Antragsgegnerin habe die AntragsteUerin nicht herabgesetzt; sie habe lediglich auf das Erfordernis einer elektronischen Rechnungslegung und damit auf etwaige Risiken beim Abschluss eines eigenständigen Netznutzungsvertrages mit der Antragsgegnerin hingewiesen.

Die beigeladene Bundesnetzagentur macht ihrerseits ebenfalls Ausführungen. Insoweit wird auf die zur Akte gereichte Stellungnahme verwiesen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.09.2013 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.09.2013 zu bestätigen.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene einstweilige Verfügung. Sie führt weiter aus:

Die Antragstellerin verweist darauf, dass nach ihrer Auffassung die Bundesnetzagentur keine Ermächtigungsgrundlage für eine GPKE-Festlegung habe, mit der auch private Letztverbraucher zur Teilnahme an der elektronischen Marktkommunikation verpflichtet würden. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV dürfe die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde bundeseinheitliche Regelungen zum Datenaustausch zwischen den betroffenen Marktteilnehmern erlassen, allerdings nur zur Erreichung der in § 1 EnWG genannten Ziele. Dort werde auch eine .verbraucherfreundliche“ Versorgung der Allgemeinheit genannt. Die Auslegung der Bundesnetzagentur führe nun aber zu dem genauen Gegenteil dieses Zwecks, nämlich zu einer verbraucherfeindlichen Pflicht zur Teilnahme an einer für Energielieferanten und Netzbetreiber als Unternehmer konzipierten elektronischen Marktkommunikation. Die Teilnahme an einer solchen elektronischen Marktkommunikation setze voraus, dass der private Letztverbraucher sich teure Profi-Software anschaffe, um das elektronische Datenformat EDIFACT überhaupt lesen zu können.

Die GPKE sei rechtlich als Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG zu qualifizieren. Als bloßer Verwaltungsakt stehe die GPKE in der Normenhierarchie unterhalb der bundesgesetzlichen Regelung des § 14 UStG. Dieser räume dem Verbraucher einen einklagbaren Anspruch auf eine Rechnung in Papierform ein. Die Bundesnetzagentur sei als Teil der Exekutive an § 14 UStG gebunden und habe diese Vorschrift im Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ordnungsgemäß zu vollziehen.

Keinesfalls könne der Abschluss eines Netznutzungsvertrages seitens eines privaten Letztverbrauchers mit der Antragsgegnerin als Netzbetreiberin als Zustimmung zur elektronischen Rechnungsübermittlung nach § 14 Abs. 1 Satz UStG verstanden werden. Zudem heiße es in den Formularen, in denen die Antragstellerin für ihre Kunden einen Netznutzungsvertrag anfordere:

„Die Abrechnungen senden Sie mir bitte in Papierform zu, einer elektronischen Übermittlung stimme ich ausdrücklich nicht zu.“

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen verwiesen; weiterhin auf die zur Akte genommene Stellungnahme der Bundesnetzagentur vom 8. Oktober 2010.

Entscheidungsgründe

I.
Unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens der Antragsgegnerin und der Stellungnahme der Bundesnetzagentur ist die einstweilige Verfügung der Kammer aufzuheben. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus den §§ 8, 3, 4 Nr. 7, Nr. 8, Nr. 10, 5 UWG nicht zu.

1.
Die Antragstellerin ist im Streitfall aktivlegitimiert; zwischen den Parteien besteht auch ein Wettbewerbsverhältnis.

Die Aktivlegitimation folgt im Streitfall aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Parteien sind Mitbewerber. Unter diesen Begriff fällt jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§ 2 Nr. 3 UWG). Dabei bestehen im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2, Rdnr. 95). Grundsätzlich ist die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Branchen oder zu unterschiedlichen Wirtschaftsstufen für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses irrelevant (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2, Rdnr. 96 b – 96 d). Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweiligen Unternehmen miteinander im Absatzwettbewerb stehen.

Beide Parteien bieten im Streitfall Leistungen auf dem Strommarkt an. Die Antragstellerin ist Stromhändlerin und tritt als Energielieferant auf, die Antragsgegnerin ist Netzbetreiberin. Im engeren Sinne substituieren die Netzdienstleistungen der Antragsgegnerin die Stromlieferungen der Antragsgegnerin zwar nicht; beide Dienstleistungen ergänzen sich vielmehr. Allerdings ist es häufig auch so, dass die Anbieter von Netzdienstleistungen auch als Stromlieferanten auftreten. Zudem befördert die Antragsgegnerin ein bestimmtes Absatzmodell auf dem Strommarkt – nämlich den Abschluss von sog. „All-inclusive-Verträgen“ – wenn sie es Letztverbrauchern durch das Verlangen nach einer elektronischen Rechnungslegung erschwert, einen eigenständigen Netznutzungsvertrag abzuschließen. Aus diesem Grund befördert die Antragsgegnerin daher die Absatzbemühungen anderer Stromlieferanten. Im Interesse eines wirksamen Individualschutzes ist daher ein Wettbewerbsverhältnis zu bejahen.

2.
Die Antragsgegnerin handelt im Streitfall allerdings nicht wettbewerbswidrig.

a)
Dabei scheiden Ansprüche nach den §§ 4 Nr. 7 und Nr. 8 UWG im Streitfall von vornherein aus. Denn diese Anspruchsgrundlagen setzen direkte oder indirekte Äußerungshandlungen voraus, die sich mit den Leistungen eines Mitbewerbers – hier also der Leistungen der Antragstellerin – auseinandersetzen und diese herabsetzen bzw. verunglimpfen oder die geeignet sind, den Kredit des Unternehmens der Antragstellerin zu schädigen.

Derartige Äußerungen sind in dem streitgegenständlichen Schreiben Anlage Ast. 3 nicht ersichtlich. Die Antragstellerin wird in dem Schreiben nur als postalischer c/o-Adressat genannt, nicht aber als Anbieter von Leistungen. Das Schreiben setzt sich insgesamt nur mit den Vorgaben der GPKE auseinander und teilt dem jeweiligen Verbraucher, der um den Abschluss eines Netznutzungsvertrages nachsucht, mit, dass er zur „Ermöglichung der elektronischen Netznutzungsabrechnung verpflichtet“ sei.

b)
Ebenso scheidet im Streitfall ein Anspruch nach § 4 Nr. 10 UWG aus. Denn die Antragsgegnerin behindert die Antragstellerin durch das streitgegenständliche Schreiben und die darin enthaltenen Äußerungen nicht „zielgerichtet“. Tatbestandsmäßig im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG ist nur eine zielgerichtete Behinderung von Mitbewerbern. Damit bestimmt die Norm, dass eine bloße Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Konkurrenten nicht ausreichend ist, um eine wettbewerbliche Handlung als unlauter zu bewerten. Als „gezielt“ ist eine Behinderung dann anzusehen, wenn die Maßnahme nicht in erster Linie auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers gerichtet ist (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. § 4 UWG, Rdnr. 10.7).

Die Antragsgegnerin beabsichtigt mit dem streitgegenständlichen Schreiben jedenfalls vornehmlich, die Vorgaben der GPKE-Festlegung einzuhalten und damit den Vorgaben der Bundesnetzagentur zu genügen. Demgemäß kann ihr nicht eine zielgerichtete unlautere Beeinträchtigung der Antragstellerin im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG vorgeworfen werden.

c)
Ein Anspruch nach § 5 Abs. 4 Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) LV.m. § 4 Nr. 11 UWG scheidet im Streitfall ebenfalls aus. Diese Regelung verbietet es Energieunternehmen, „Handlungen vorzunehmen, die die Nachfrage nach Energiedienstleistungen und anderen Energieeffizienzmaßnahmen oder deren Erbringung oder Durchführung behindern oder die Entwicklung von Märkten für Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen behindern“.

Die Antragstellerin beruft sich in ihrer Antragsschrift darauf, die Verweigerung des Abschlusses eines eigenständigen Netznutzungsvertrages behindere die Nachfrage nach den Energiedienstleistungen der Antragstellerin.

Nach Auffassung der Kammer ist ein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 4 EDL-G hier nicht gegeben. Im Streitfall verweigert die Antragsgegnerin zwar nicht den Abschluss eines eigenständigen Netznutzungsvertrages, allerdings verlangt sie von Letztverbrauchern die Ermöglichung der elektronischen Netznutzungsabrechnung. Damit erschwert die Antragsgegnerin den Abschluss eines eigenständigen Netznutzungsvertrages erheblich, da viele Letztverbraucher nicht die Möglichkeit haben werden, elektronische Abrechnungen im EDIFACT-Format zu lesen und dementsprechend der Abschluss eines Netznutzungsvertrages für sie nicht möglich ist. Es ist grundsätzlich denkbar, in einer derartigen Maßnahme eine Behinderung der Nachfrage nach Energiedienstleistungen im Sinne einer Lieferung von Energie zu sehen.

Maßgeblich für die Verneinung dieser Anspruchsgrundlage ist aber – worauf auch die Bundesnetzagentur in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat – ,dass der Begriff der Energiedienstleistung in § 2 Nr. 6 EDL-G legal definiert ist. Unter die Norm fallen nur Tätigkeiten, die „in der Regel zu überprüfbaren und mess- oder schätzbaren Energieeffizienzverbesserungen oder Primärenergieeinsparungen sowie zu einem physikalischen Nutzeffekt, einem Nutzwert oder zu Vorteilen als Ergebnis der Kombination von Energie mit energieeffizienter Technologie oder mit Maßnahmen wie beispielsweise Betriebs-, Instandhaltungs- und Kontrollaktivitäten“ führen.

Dementsprechend fallen nicht jegliche Lieferungen von Energie unter die Norm, sondern nur solche Handlungen, die zu den genannten Energieeffizienzverbesserungen führen. Die Antragstellerin hat in Bezug auf ihre Energiedienstleistungen nicht dargelegt, dass die genannten Effizienzverbesserungen gegeben sind.

d)
Im Streitfall scheidet auch ein Unterlassungsanspruch wegen irreführender Werbung im Sinne des § 5 UWG aus.

aa)
Dabei bleibt die Kammer im Ausgangspunkt grundsätzlich bei ihrer Auffassung, die sie bereits im Erlassverfahren geäußert hatte.

§ 20 Abs. Abs. 1 a EnWG bestimmt, dass „zur Ausgestaltung des Rechts auf Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen nach Absatz 1 Letztverbraucher von Elektrizität oder Lieferanten Verträge mit denjenigen Energieversorgungsuntemehmen abzuschließen (haben), aus deren Netzen die Entnahme und in deren Netzen die Einspeisung von Elektrizität erfolgen soll (Netznutzungsvertrag)“. Letztverbraucher, und zwar auch private Letztverbraucher, haben somit einen unmittelbaren Anspruch darauf, mit einem Netzbetreiber wie der Antragsgegnerin einen eigenen Netznutzungsvertrag abzuschließen. Die gesetzliche Regelung in § 20 Abs. 1a EnWG sieht ausdrücklich vor, dass Letztverbraucher nicht auf Lieferantenrahmenverträge beschränkt sind, bei denen das Stromlieferunternehmen nicht nur die Lieferung von Energie übernimmt, sondern mit dem Stromnetzbetreiber auch für den privaten Letztverbraucher den Netznutzungsvertrag abschließt und dementsprechend die Netznutzungskosten als Kostenposition an den privaten Letztverbraucher weitergibt. Private Letztverbraucher haben vielmehr das Recht, eigenständige Netznutzungsverträge abzuschließen.

Dementsprechend müssen im Rahmen des vertraglichen Verhältnisses zwischen einem Netzbetreiber und einem privaten Letztverbraucher auch die besonderen Gegebenheiten von Letztverbrauchern beachtet werden. Es müssen insbesondere Belange des Verbraucherschutzes berückslchtiqt werden. Dies hat der Gesetzgeber in § 40 Abs. 1 EnWG getan, indem er bestimmt hat, dass „Rechnungen für Energielieferungen einfach und verständlich sein müssen“. Eine derartige Regelung gibt es für die Abrechnung des Netznutzungsverhältnisses zwischen Letztverbraucher und Netzbetreiber zwar nicht, aus dem Sinngehalt der genannten Regelung ergibt sich aber, dass die Netzbetreiber im Abrechnungsverkehr mit privaten Letztverbrauchern den gleichen Kriterien unterliegen müssten. Zudem ergibt sich aus § 14 Abs. 1 UmsatzsteuerG die grundlegende Anforderung, dass „Rechnungen auf Papier zu Obermitteln sind‘ und nur mit Zustimmung des Empfängers elektronisch übermittelt werden dürfen. Nach Auffassung der Kammer widerspricht die zwingende elektronische Netznutzungsabrechnung im sog. EDIFACT-Format diesen verbraucherschutzrechtlichen Regelungen bzw. Prinzipien.

bb)

aaa)
Der maßgebliche Grund für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Verneinung einer Irreführung liegt darin, dass die Antragsgegnerin und die beigeladene Bundesnetzagentur nunmehr dargelegt haben, dass die bestandskräftige Festlegung BK6-06-009 „GPKE“ der Bundesnetzagentur vom 11. Juli 2006 ausdrücklich vorsieht, dass die Rechnungsstellung auch von privaten Letztverbrauchern im Datenformat EDIFACT/INVOIC zu verlangen ist. In der von der Antragsgegnerin überreichten „konsolidierten Lesefassung Stand 1. April 2012 der GPKE“ (Anlage AG 6) heißt es auf Seite 4:

„Den Darstellungen dieser Prozessbeschreibung liegt der Fall zugrunde, dass der Kunde mit seinem Lieferanten einen AII~inclusive-Vertrag abgeschlossen hat. Der Lieferant nimmt die Aktivitäten dieser Prozessbeschreibung in seiner Rolle als (bisheriger, aktueller oder künftiger) Netznutzer für die Entnahmestelle eines Letztverbrauchers wahr.

Ist der Letztverbraucher selbst Netznutzer, so tritt er in die Rolle des Lieferanten i.S. dieser Prozessbeschreibung soweit diese Regelungen sinngemäß auf ihn anwendbar sind. Ausnahme bildet die Meldung des Lieferanten im Rahmen des Lieferantenwechsels gemäß § 14 StromNZV. Will der Kunde die damit verbundenen Aktivitäten nicht selbst wahrnehmen, kann er diese vollständig auf einen Lieferanten übertragen. Die Verantwortlichkeit des Netznutzers für die Erfüllung dieser Aufgaben bleibt davon unberührt“

Demgemäß kann die Kammer nicht mehr davon ausgehen – wie im Erlassverfahren – dass die GPKE-Festlegung nicht für das Verhältnis Netzbetreiber – privater Letztverbraucher gilt.

bbb)
Bei der GPKE-Festlegung handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. §§ 29, 60 a Abs. 2 EnWG). Dieser Verwaltungsakt ist bestandskräftig und damit von allen Betroffenen zu beachten. Diese Allgemeinverfügung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 44 Abs.1 VwVfG nur dann als nichtig anzusehen, „soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist“. Von einer derartigen Sachlage ist im Streitfall schon deshalb nicht auszugehen, weil die GPKE-Festlegung mehrfach – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – von unterschiedlichen Gerichten, unter anderem dem BGH und dem OLG Düsseldorf – geprüft worden ist. Der Umstand, dass die GPKE-Festlegung private Letztverbraucher einschließt und damit verbraucherschutzrechtliche Prinzipien berührt und verletzt werden, führt jedenfalls nicht zur Nichtigkeit im Sinne des § 44 VwVfG.

Dies bedeutet aus Sicht der Kammer, dass die Antragsgegnerin, wenn sie sich gegenüber Letztverbrauchern an die Vorgaben der GPKE-Festlegung hält, von den Letztverbrauchern die Ermöglichung der elektronischen Netznutzungsabrechnung verlangt und dies ihnen gegenüber kommuniziert wie im Schreiben vom 7. Juni 2013 (Anlage Ast. 3), keine Irreführung begeht. Denn die Antragsgegnerin vollzieht damit letztlich nur die Vorgaben der Bundesnetzagentur und erläutert diese gegenüber den privaten Letztverbrauchern, die einen Netznutzungsvertrag abschließen wollen. Insoweit sieht die Kammer zwar einen Wertungswiderspruch zwischen den verbraucherschutzrechtlichen Prinzipien und Regelungen und der GPKE-Festlegung. In den streitgegenständlichen Aussagen der Antragsgegnerin ist aus den genannten Gründen dennoch keine Irreführung zu sehen. Denn die GPKE-Festlegung konkretisiert die Kriterien für die Netznutzungsabrechnung und macht sie auch für die Antragsgegnerin verbindlich. Dieser Wertungswiderspruch zwischen Verbraucherschutzrecht und energierechtlichen Regelungen kann nicht über das Wettbewerbsrecht gelöst werden, so dass die einstweiligen Verfügung der Kammer aufzuheben ist.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de (hier).

I