LG Hamburg: Rechteinhaber muss bei Filesharing-Vorwurf Urheberrechte lückenlos nachweisen

veröffentlicht am 15. November 2009

LG Hamburg, Urteil vom 08.05.2009, Az. 308 O 472/08
§§ 823; 1004 BGB; 85; 97 UrhG

Das LG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass ein Rechteinhaber, der wegen illegalen Filesharings, besser: der Vorhaltung illegaler Einrichtungen zur Ermöglichung des Filesharings, gegen Dritte vorgeht, seine Rechte an den verfahrensgegenständlichen Werken lückenlos nachweisen muss. Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft des Universal-Konzerns, nahm den Beklagten nach Durchführung des einstweiligen Verfügungsverfahrens in der Hauptsache auf Unterlassung wegen des nach ihrer Auffassung urheberrechtsverletzenden Betriebs eines eDonkey-Servers in Anspruch. Darüber hinaus verlangte sie vom Beklagten Erstattung von Abmahnkosten.

Die Klägerin machte geltend, Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller bezüglich der Aufnahmen, wie sie auf der von ihr in Bezug genommenen Anlage … aufgelistet seien, für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Sie leitete die Rechte von der UMG Recordings Services, Inc. ab, der die ausschließlichen weltweiten Rechte von den jeweiligen Tonträgerherstellern aus dem Universal Unternehmensverbund übertragen worden sein sollen. Sie stützte sich insoweit auf die eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen …, auf Auszüge zu den jeweiligen Tonaufnahmen aus der offiziellen Datenbank des Bundesverbandes Musikindustrie „Phononet“ sowie aus der kommerziellen deutschen Online-Musikplattform „musicload“, deren Vorlage sie anbot, und die den auf den jeweiligen Tonträgern befindlichen P- und C-Vermerke.

Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der H. Zweigniederlassung der mittlerweile gelöschten Webby United Ltd., welche den eDonkey-Server mit der Bezeichnung UseNeXT.to unter der statischen IP-Adresse … betrieb. Der genannte Server ist Teil des Filesharing-Systems „eDonkey“, über das ca. 10 Millionen Internetnutzer Dateien austauschen.

Die Hamburger Kammer befand die Kammer nicht für aktivlegitimiert.

Soweit sich die Klägerin auf ausschließliche Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Tonaufnahmen stütze, fehle es bereits an hinreichendem Tatsachenvortrag dazu, wer wann und wo die Tonaufnahmen hergestellt habe. Weiter fehle es an hinreichendem Tatsachenvortrag dazu, aufgrund welcher Verträge und welcher darin enthaltenen vertraglichen Regelungen die UMG Recordings Services, Inc. die ausschließlichen weltweiten Tonträgerherstellerrechte erworben haben solle und aufgrund welcher Verträge und welcher darin enthaltenen vertraglichen Regelungen die behaupteten Rechte auf die Klägerin übertragen worden sein sollten. Derartiger Vortrag lasse sich auch nicht aus den eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen Cox nebst Anlagen entnehmen. Die bloße Bezugnahme auf die in Anlage … als „Labels“ und in Anlage … als „Universal Group Companies“ insgesamt nur unvollständig bezeichneten Unternehmen genüge dafür nicht.

Soweit die Klägerin ihren Vortrag im Hinblick auf die Entscheidung „Anita“ des OLG Hamburg (GRUR-RR 2008, 282 ff. – Anita; vollständig wiedergegeben in beck-online BeckRs 2008 06833) als ausreichend ansehe, weil danach eine vollständige Dokumentation der lizenzvertraglichen Übertragungsakte nur dann erforderlich sei, wenn das Bestreiten der Aktivlegitimation nicht allein aufgrund prozesstaktischer Erwägungen erfolge und im Rahmen des Bestreitens konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen würden, dass die Rechte Dritten zustünden, vermöge die Kammer dem nicht zu folgen. Eine fehlende Berechtigung des Klägers könne sich nicht nur aus einer (vorrangigen) Berechtigung eines dritten Lizenznehmers ergeben, sondern auch aus unwirksamen oder unvollständigen Nutzungsrechtsübertragungen. Der Beklagte werde insoweit erst durch substantiierten Vortrag über den originären Erwerbstatbestand und durch Vorlage der sich anschließenden Lizenzverträge überhaupt in die Lage versetzt, Zweifel an der Rechtsinhaberschaft (bspw. durch unvollständige Rechtsübertragungen) substantiiert anzubringen, da sich diese Umstände in der Sphäre der Klägerin bewegten und der Beklagte davon regelmäßig keine Kenntnis habe. Bereits vor diesem Hintergrund erscheine die pauschale Behauptung der Klägerin, im Wege von nicht näher bestimmten konzerninternen Rechtseinräumungen ausschließliche Nutzungsrechte nach § 19a UrhG erhalten zu haben, als nicht einlassungsfähig. Im Übrigen sei der Kammer als Urheberrechtskammer und der Befassung mit einer Vielzahl von Fällen grenzüberschreitender und konzerninterner Rechtsübertragungen bekannt, dass die dabei verwendeten Verträge durchaus nicht immer „wasserdicht“ seien und sich in Rechteketten Lücken auftun könnten. Insgesamt könnten daher nach Auffassung der Kammer jedenfalls im Erkenntnisverfahren keine geringeren Anforderungen an die Substantiierungslast des angeblichen Rechteinhabers gestellt werden.

Mangels hinreichenden Vortrags sei der angebotene Zeugenbeweis nicht zu erheben, weil das auf eine unzulässige Ausforschung hinaus liefe. Abgesehen von dem unzureichenden Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen stellten diese selbst im Erkenntnisverfahren kein ausreichendes Beweismittel dar. Soweit die Beklagte die Vorlage von Auszügen zu den jeweiligen Tonaufnahmen aus der offiziellen Datenbank des Bundesverbandes Musikindustrie „Phononet“ sowie aus der kommerziellen deutschen Online-Musikplattform „musicload“ anbiete, käme auch das, unabhängig von der Frage der Beweiskraft der angebotenen Auszüge, nur in Betracht, wenn zunächst die Tatsachen vorgetragen worden seien, deren Richtigkeit mit den Auszügen bewiesen werden solle. Daran fehle es.

Die Aktivlegitimation der Klägerin könne vorliegend auch nicht nach § 10 Abs. 3 UrhG vermutet werden. Das würde voraussetzen, dass die Klägerin auf den Vervielfältigungsstücken der streitgegenständlichen Aufnahmen als Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte bezeichnet werde. Dafür fehlt es aber an der konkreten Darlegung von Anknüpfungspunkten. Die mit Anlage … vorgelegten, kaum nachvollziehbaren Auszüge aus der „offiziellen Webseite“ zeigten keine Bezeichnungen auf Vervielfältigungsstücken der Aufnahmen; erkennbar seien nur Beschriftungen neben dem CD-Cover. Dort finde sich auch nicht die Klägerin, sondern offenbar nur der originäre Tonträgerhersteller. Bei dem beginne aber die Rechtekette, so dass die oben dargestellten Lücken blieben.

Vervielfältigungsstücke, auf denen angeblich C- oder P-Vermerke zugunsten der angebracht sein sollten, habe die Klägerin nicht vorgelegt.

Das Urteil findet sich im Volltext in MMR 2009, 652.

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