LG Hamburg: Schufa kann Abofallen-Betreibern nicht untersagen, in Mahnungen auf einen drohenden Eintrag hinzuweisen

veröffentlicht am 18. November 2011

LG Hamburg, Urteil vom 09.09.2011, Az. 407 HK O 90/11
§ 14 MarkenG, § 15 MarkenG; § 4 Nr. 10 UWG, § 8 UWG

Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Schufa (Kreditschutzorganisation) es den Betreibern von Abofallen nicht untersagen kann, in Mahnungen auf einen drohenden Schufa-Eintrag hinzuweisen. Verlangt hatte die Antragstellerin eine Unterlassung, weil die Antragsgegnerin nicht zu den Vertragspartnern der Antragsstellerin gehöre, deren Meldungen einen negativen Eintrag bei der Antragstellerin veranlassen könnten. Das Landgericht lehnte einen Unterlassungsanspruch jedoch ab, weil zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Hamburg

Urteil

1.
Die einstweilige Verfügung der Zivilkammer vom 1. November 2010 wird aufgehoben; der zugrundeliegende Antrag wird zurückgewiesen.

2.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegner auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung „S…“ in Mahnschreiben in Anspruch.

Die Antragstellerin ist eine Kreditschutzorganisation, deren Geschäftszweck es ist, ihre Vertragspartner vor Kreditausfällen zu schützen und diesen zu diesem Zweck Auskünfte insbesondere über die Bonität privater Schuldner aus ihrem umfangreichen Datenbestand zu erteilen. Sie ist Inhaberin der Wortmarke „S…“ , u. a. eingetragen für Finanzdienstleistungen und Erteilung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter.

Die Antragsgegnerin zu 1), deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2) ist, betreibt im Internet Portale zu verschiedenen Themenbereichen, auf denen Kunden unter anderem kostenpflichtige Downloads zur Verfügung gestellt werden. Die Antragsgegnerin zu 1) versendet in diesem Zusammenhang Mahnungen an zahlungsunwillige Kunden hinsichtlich ihr angeblich zustehender Vegütungsansprüche und steht diesbezüglich im Internet als sogenannte „Abo-Falle“ bzw. „Abzocker“ vielfach in der Kritik.

Mit Datum vom 29.4.2011 und 17.5.2011 versandte die Antragsgegnerin zu 1) die aus Blatt 3-6 d. A. ersichtlichen „letzten Mahnungen“, in denen sie darauf hinwies, dass dem angeblichen Schuldner bei Nichtzahlung weitere Kosten und bei Vorliegen der rechtlichen Vorausetzungen weitere Nachteile, wie zum Beispiel ein negativer S…-Eintrag, entstehen könnten.

Die Antragsgegnerin zu 1) gehört nicht zu den Vertragspartnern der Antragsstellerin, deren Meldungen einen negativen Eintrag bei der Antragstellerin veranlassen können. Die Antragsgegner arbeiten aktuell auch nicht mit Inkasso-Dienstleistern zusammen, die Vertragspartner der Antragstellerin sind.

Die Antragstellerin macht geltend, die Hinweise auf die Möglichkeit eines negativen S…-Eintrages bei Nichtzahlung der geforderten Beträge seien insbesondere unter den Gesichtpunkt der Irreführung wettbewerbswidrig. Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht nach Auffassung der Antragstellerin sowohl unter dem Gesichtspunkt des Substitutionswettbewerbs hinsichtlich von Inkasso-Dienstleistungen als auch unter dem Gesichtspunkt der Behinderung. Hilfsweise stützt die Antragstellerin ihren Anspruch auf den Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung und die Verletzung der ihr an der Bezeichnung „S…“ zustehenden Kennzeichen rechte.

Die Antragstellerin erwirkte mit dem dargestellten Vortrag die einstweilige Verfügung der Zivilkammer, mit der den Antragsgegnern unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr in Mahnschreiben gegenüber Kunden die Bezeichnung „S…“ in den Behauptungen

„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir im Sinne einer wirtschaftlichen Abwicklung unserer Vertragsverhältnisse den weiteren Einzug einem darauf spezialisierten Inkasso-/Rechtsanwaltsbüro übertragen werden. Dadurch entstehen Ihnen weitere Kosten und bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen weitere Nachteile wie z. B. ein negativer S…“

und/oder

„Bitte beachten Sie, dass im Falle eines gerichtlichen Verfahrens erhebliche Kosten auf Sie zukommen und dadurch entstehen Ihnen möglicherweise weitere Nachteile und im Fall eines titulierten oder unbestrittenen Anspruchs ist insbesondere bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es zu einem negativen S…-Eintrag kommen könnte.“

zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, insbesondere wenn dies wie in der aus der Anlage zu dem Beschluss ersichtlichen Art und Weise geschieht.

Hiergegen wenden sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machen, die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig, weil die Antragstellerseite bereits seit geraumer Zeit von den hier streitgegenständlichen Mahnungen Kenntnis habe. Schließlich sei die einstweilige Verfügung auch in der Sache zu Unrecht ergangen, weil die streitgegenständlichen Hinweise weder unlauter seien noch Kennzeichenrechte der Antragstellerin verletzen würden. Außerdem fehle es an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien.

Die Antragsgegner beantragen

unter Aufrechterhaltung der Rüge der örtlichen Zuständigkeit, die einstweilige Verfügung vom 15.06.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zu zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt

die Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Sie verteidigt den Bestand der einstweiligen Verfügung mit dem Vortrag, der zu ihrem Erlass geführt hat, und vertieft diesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, wegen ihrer Rechtsausführungen und Glaubhaftmachungsangebote wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Schutzschrift vom 03.06.2011 zum Aktenzeichen 393 OH 299/11 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung der Zivilkammer vom 20. Juni 2011 ist aufzuheben; der zugrundeliegende Antrag ist zurückzuweisen.

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner weder aus Wettbewerbsrecht noch aus Markenrecht zu.

Streitgegenstand ist die Frage, ob der Antragstellerin wegen der Nennung der Antragstellerin in ihren Mahnschreiben ein Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes und/oder wegen einer Markenverletzung zustehe.

Ein Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes steht nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG jedem Mitbewerber zu. Mitbewerber sind Personen, zwischen denen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stünde der Antragstellerin folglich nur zu, wenn die Parteien miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stünden.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Antragstellerin befasst sich mit Kreditauskünften, die Antragsgegnerin zu 1) mit dem Angebot von Internetdienstleistungen. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin zu 1) säumige Kunden wegen vermeintlicher Zahlungsansprüche abmahnt und ihnen Teilzahlungsvereinbarungen anbietet, macht sie nicht zu einer Finanzdienstleisterin, geschweige denn zu einer Wirtschaftsauskunftei. Diese Tätigkeit ist nicht das originäre Tätigkeitsfeld der Antragsgegnerin zu 1), sondern Ausfluss ihrer Geschäftstätigkeit, wie er in jedem Unternehmen anfällt, das entgeltliche Dienstleistungen zur Verfügung stellt oder Waren verkauft.

Es ist auch nicht von einem konkreten Wettbewerbsverhältnis aufgrund einer Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG auszugehen.

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt in den Fällen des sogenannten Behinderungswettbewerbs dann vor, wenn die jeweilige geschäftliche Handlung objektiv geeignet und darauf gerichtet ist, den Absatz des Handelnden zum Nachteil des Absatzes eines Mitbewerbers zu fördern. Dabei ist anerkannt, dass es sich nicht um ein identisches Warenangebot handeln muss. Voraussetzung für ein Wettbewerbsverhältnis ist aber auch hier, dass eine Substituierung der angebotenen Waren/Dienstleistungen möglich ist und dass es sich ferner um ein Handeln zum Zwecke der Kundengewinnung handelt.

Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die von der Antragstellerin beanstandete Handlung der Antragsgegner besteht darin, dass diese ihren Kunden mit einem möglichen Eintrag bei der Antragstellerin drohen. Damit ist kein Versuch der Antragsgegner verbunden, der Antragstellerin Kunden oder Marktanteile streitig zu machen. Die Antragsgegner zielen auch nicht darauf ab, durch die Nennung der Antragstellerin in ihren Mahnungen diese zugunsten einer eigenen angebotenen Leistung herabzuwürdigen oder sie in ihrer Tätigkeit als Kreditschutzunternehmen zu behindern. Die von der Antragsgegnerin dargelegte Behinderung soll nach dem Vortrag der Antragstellerin auch allein darin liegen, dass der angeblich schlechte Ruf der Antragsgegner dadurch auf die Antragstellerin übertragen werde, dass die angesprochenen Kunden der Antragsgegnerin zu 1) eine vertragliche Zusammenarbeit der Parteien vermuten. Angesichts einer solchen Konstellation kann ein Wettbewerbsverhältnis aufgrund einer Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG schon deshalb nicht entstehen, weil es nicht um eine gezielte Behinderung geht, sondern um einen reinen Reflex, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG nicht erfüllt sind. Darüber hinaus erscheint es fraglich, ob angesichts der Tatsache, dass lediglich Kunden der Antragsgegnerin zu 1) aufgrund mangelnder Zahlungsbereitschaft angesprochen werden, von einer Relevanz einer möglichen Beeinträchtigung im Sinne von § 3 UWG ausgegangen werden könnte.

Ein Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus §§ 14 oder 15 MarkenG. Für eine Verletzung von Markenrechten der Antragstellerin fehlt es an einer markenmäßigen Benutzung der Marke durch die Antragsgegner. Die Antragsgegnerin zu 1) benutzt die Marke nicht zur Kennzeichnung eigener Leistungen, sondern nennt die Marke lediglich in ihrem Hinweis auf mögliche Folgen weiteren Zahlungsverzuges. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 14 oder 15 MarkenG besteht damit nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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