LG Hamburg: Zu den Bedingungen einer wirksamen Einwilligung in Telefonwerbung

veröffentlicht am 5. Januar 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Hamburg, Urteil vom 14.02.2008, Az. 315 O 823/07
§§ 3, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG,
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

Das LG Hamburg hat sich zu der Frage geäußert, unter welchen Umständen eine Einwilligung des Verbrauchers auch Werbeanrufe an den jeweiligen Verbraucher erlaubt. Einem Verbraucher war die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglicht worden. Im Zusammenhang mit diesem Gewinnspiel sei es zwar zulässig, dass die Antragsgegnerin – auch in AGB – die Einwilligung in Telefonanrufe zu Werbezwecken vorformuliere. Diese Einwilligung könne sich aber nur auf den konkreten Zweck, die Teilnahme an einem Gewinnspiel, beziehen, zumal nicht ersichtlich war, dass es sich bei einer Gewinnbenachrichtigung um einen Werbeanruf handeln könne. Jeder über diesen Zweck hinausgehende Anruf stehe nicht mehr mit dem konkreten Anlass, der konkreten Beziehung zwischen Verbraucher und Antragsgegnerin, in einem Zusammenhang. Vielmehr beziehe sich die Einwilligung, die überdies sehr weit gefasst sei, auf jedes erdenkliche telefonische Angebot durch die Antragsgegnerin. Hinzu trete, dass durch die streitgegenständliche Klausel eine Verknüpfung zwischen dem Gewinn („Anruf zur Gewinnbenachrichtigung“) und der Einwilligung in „weitere interessante telef. Angebote“ hergestellt werde. Dem so angesprochenen Verbraucher werde auf diese Weise vermittelt, dass er den Gewinn nur erhalten könne, wenn er auch in die telefonische Kontaktaufnahme zwecks weiterer interessanter Angebote einwilligt. Dies sei nicht zumutbar.

Landgericht Hamburg

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15 , auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2008 durch den … für Recht:

I.
Die einstweilige Verfügung vom 27.9.2007 wird bestätigt.

II.
Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Sachverhalt

Antragstellerin ist die …. Dabei handelt es sich um eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG (Anlage Ast. 1).

Die Antragsgegnerin bewirbt Zeitschriftenabonnements im Wege des Telefonmarketings.

Frau … nahm im Mai an einem von der Antragsgegnerin veranstalteten Gewinnspiel teil und füllte die entsprechende Teilnahmekarte aus; es wird auf Anlage Ast. 4 Bezug genommen. Unterhalb des für die Angabe der Telefonnummer vorgesehenen Feldes befindet sich der folgende Text:

„Tel. (z.B. zur Gewinnbenachrichtigung und weitere interessante telef. Angebote der … GmbH).“

In der Folge rief eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin bei Frau … an und brachte diese dazu, ein Abonnement der Zeitschrift „…“ zu bestellen. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin erfolglos ab. Die Antragstellerin erwirkte bei dem angerufenen Gericht die einstweilige Verfügung vom 27.9.2007, mit welcher der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Verbraucher auf ihrem privaten Telefonanschluss anzurufen, um für Zeitschriftenabonnements zu werben, wenn nicht die Verbraucher zuvor einer solchen telefonischen Kontaktaufnahme zugestimmt haben. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin trägt vor, die Einwilligungserklärung sei schon deshalb unwirksam, weil es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele. Als solche sei sie, weil unangemessen benachteiligend, unwirksam. Zudem sei die Klausel auch zu unbestimmt und weitgehend. Es sei nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die Werbung für Zeitschriften zu der Teilnahme an dem Gewinnspiel stehe. Schließlich sei dem Verbraucher nicht möglich, sich gegen die Erklärung zu entscheiden; eine Wahlmöglichkeit sei in dem Formular nicht vorgesehen gewesen.

Sie beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 27.9.2007 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Unterlassungstenor sei zu weit gefasst; er müsse, weil vorliegend gerade die Frage einer wirksamen Einwilligung in Streit stehe, auf die konkrete Verletzungsform beschränkt werden. Die Klausel sei zudem nicht unwirksam. Dabei sei das „neue Verbraucherleitbild“ zu berücksichtigen. Sie verweist zudem auf eine Entscheidung des OLG München (MMR 2007, 47 ff.). Danach liege eine freiwillige Einwilligung dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 4a BDSG erfüllt seien. Dies sei hier der Fall.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien und die Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2008.

Entscheidungsgründe

I.
Die einstweilige Verfügung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als zu Recht ergangen. Sie ist zu bestätigen, weil der zulässige Verfügungsantrag begründet ist.

1.
Gegenstand des Antrags ist das generelle Verbot, Werbeanrufe zu unterlassen, wenn keine Einwilligung vorliegt. Die Antragstellerin hat, und dies ist vor dem Hintergrund des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs zulässig, ihren Verbotsantrag darauf gestützt, dass die von der Antragsgegnerin verwendete Einwilligungserklärung unwirksam sei.

Sie hat insoweit geltend gemacht, dass ein Anruf ohne – wirksame – Einwilligung zu unterlassen sei. Dabei ist unschädlich, dass vorliegend gerade die Wirksamkeit einer Einwilligungserklärung in Streit steht. Denn aus der Verbindung von Antragsschrift bzw. Urteilsgründen und Tenor ergibt sich, warum die Einwilligung unwirksam ist und damit auch die Reichweite des Verbots.

2.
Der Unterlassungsanspruch stützt sich auf §§ 3, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG. Mitarbeiter der Antragsgegnerin haben einen Werbeanruf ohne Einwilligung durch den Verbraucher getätigt. Die von der Antragsgegnerin verwendete Einwilligungserklärung ist unwirksam.

a)
Es kann eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers und damit einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen, wenn eine vorformulierte Einverständniserklärung verwendet wird (BGH GRUR 2000, 818, 819 f. -Telefonwerbung VI). Denn wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist, dass die Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung darstellt.

Der wettbewerbsrechtlichen Missbilligung unerbetener Telefonwerbung im privaten Bereich liegt der Gedanke zugrunde, dass der Schutz der Individualsphäre vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben ist und dass die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirtschaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt der Werbemethoden nicht erfordern, mit der Werbung auch in den privaten Bereich des Verbrauchers einzudringen.

Dabei kann offen bleiben, ob eine Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon grundsätzlich unwirksam ist (so der IV. und XI. Senats des BGH – BGHZ 141, 124, 128; BGHZ 141, 137, 149 – Private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit).

Denn jedenfalls im vorliegenden Fall stellt die von der Antragsgegnerin vorformulierte Einwilligungserklärung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Eine Einwilligungsklausel stellt dann eineunangemessene Benachteiligung des Kunden dar, wenn sie sich nicht auf Werbung im Rahmen des angebahnten konkreten Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern auch die Werbung für sonstige Vertragsschlüsse ermöglichen soll (so der I. Senat des BGH; vgl. BGH GRUR 2000, 818, 820 – Telefonwerbung VI). Denn damit wird ein vom Kunden nicht überschaubares und von seinem Interesse nicht abgedecktes Risiko geschaffen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl. 2008, § 7 Rn. 47).

Das ist hier der Fall. Dem Verbraucher wird die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglicht. Im Zusammenhang mit diesem Gewinnspiel ist es zwar zulässig, dass die Antragsgegnerin – auch in AGB – die Einwilligung in Telefonanrufe vorformuliert. Diese Einwilligung darf sich aber nur auf den konkreten Zweck, die Teilnahme an einem Gewinnspiel, beziehen, zumal nicht ersichtlich ist, dass es sich bei einer Gewinnbenachrichtigung um einen Werbeanruf handeln könnte.

Jeder über diesen Zweck hinausgehende Anruf steht aber nicht mehr mit dem konkreten Anlass, der konkreten Beziehung zwischen Verbraucher und Antragsgegnerin in einem Zusammenhang. Vielmehr bezieht sich die Einwilligung, die überdies sehr weit gefasst ist (dazu unten), auf jedes erdenkliche telefonische Angebot durch die Antragsgegnerin.

Hinzu tritt, dass durch die streitgegenständliche Klausel eine Verknüpfung zwischen dem Gewinn („Anruf zur Gewinnbenachrichtigung“) und der Einwilligung in „weitere interessante telef. Angebote“ hergestellt wird. Dem so angesprochenen Verbraucher wird auf diese Weise vermittelt, dass er den Gewinn nur erhalten kann, wenn er auch in die telefonische Kontaktaufnahme zwecks weiterer interessanter Angebote einwilligt.

Der vorliegende Sachverhalt weicht damit von dem der Entscheidung Traumcabrio (BGH GRUR 2005, 599) zugrunde liegenden Fallkonstellation ab. Dort war in der Teilnahmekarte ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Teilnahme an dem Gewinnspiel nicht von einer Bestellung abhängig ist und die Teilnehmer in jedem Fall die gleiche Gewinnchance hätten. Ein entsprechender Hinweis, etwa dahingehend, dass die Angabe der Telefonnummer keinen Einfluss auf die Teilnahme an dem Gewinnspiel habe, findet sich in der Einwilligungserklärung nicht.

Auch vor dem Hintergrund eines gewandelten Verbraucherleitbilds stellt die hier streitgegenständliche Einwilligungsklausel eine unangemessene Benachteiligung dar. Dass ein gewandeltes Verbraucherleitbild Auswirkungen darauf hat, dass eine Einwilligung in Werbeanrufe in AGB nicht nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Vielmehr sind zwei Fragen grundsätzlich zu trennen:

Auf der einen Seite ist es dem Verbraucher sicherlich zuzubilligen selbst zu entscheiden, ob er überhaupt in Werbeanrufe einwilligen möchte. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach dem „wie“ der Einwilligung. Insoweit ist von der gesetzgeberischen Grundentscheidung auszugehen, wonach solche Anrufe – ohne Einwilligung – eine unzumutbare Belästigung darstellen, auszugehen. Dies spricht gegen eine pauschale, von einer Vertragsbeziehung geösten Einwilligung in AGB.

Nach Auffassung der Kammer lässt sich der Entscheidung des OLG München (MMR 2007, 47 ff.) nicht entnehmen, dass eine Einwilligungserklärung, welche den Anforderungen des § 4a BDSG entspricht, nicht wettbewerbswidrig ist. Das OLG hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob durch eine Einwilligungserklärung wie die hier streitgegenständliche eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB deswegen vorliegen könnte, weil von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG abgewichen worden ist.

Die Entscheidungsgründe befassen sich vielmehr ausschließlich mit der Frage, ob die dort streitgegenständlichen Einwilligung die Vorgaben des § 4a BDSG erfüllte und insoweit keine Abweichung von einer Grundentscheidung gegeben war. Allein aus der Formulierung „bereichsspezifische Vorschrift des § 4a BDSG“ (OLG München a.a.O., S. 49) lässt sich nicht ableiten, dass § 4a BDSG eine dem § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorrangige Vorschrift ist.

Vielmehr haben beide Vorschriften einen unterschiedlichen Anwendungsbereich. Während § 4a BDSG bestimmte inhaltliche Anforderungen an eine Einwilligung in die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung stellen, soll § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Verbraucher vor unzumutbaren Belästigungen schützen.

Die Kammer verkennt nicht, dass bei dieser Bewertung der Einwilligungsklausel das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin massiv gefährdet ist. Ein Vertragsverhältnis zwischen Verbrauchern und der Antragsgegnerin, innerhalb dessen eine telefonische Kontaktaufnahme zulässig sein könnte, besteht jenseits der ausgelobten Gewinnchancen gerade nicht. Denn die Antragsgegnerin steht noch nicht in einer geschäftlichen Beziehung zu Verbrauchern; ihr primäres Ziel ist es vielmehr, über die telefonische „Akquise“ eine solche Geschäftsbeziehung erst aufzubauen.

Soweit die Antragsgegnerin auf ein „Überlesen“ rekurriert, kommt es hierauf vorliegend nicht an. Die Antragstellerin greift nicht die konkrete Gestaltung der Werbekarte an – diese ist, wie ausgeführt, auch zulässigerweise nicht zum Gegenstand des Antrags gemacht -, sondern die nach ihrer Ansicht fehlende Bestimmtheit sowie den Umstand, dass überhaupt über AGB eingewilligt werden sollte.

b)
Die streitgegenständliche Klausel stellt zudem eine unangemessene Benachteiligung dar, weil die Einwilligungserklärung nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Stets unwirksam ist eine Einwilligungsklausel, wenn sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt, weil sie für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kunden „nicht klar und verständlich ist“. Das ist der Fall, wenn sie entweder nicht hinreichend bestimmt oder inhaltlich für den Kunden unverständlich ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, WettbR, 26. Aufl. 2008, § 7 Rn. 47).

Die von der Antragsgegnerin verwendete Klausel ist nicht hinreichend bestimmt. Nicht hinreichend bestimmt ist eine Klausel, wenn nicht aus ihr selbst ohne weiteres verständlich hervorgeht, welche Art von Telefonanrufen in welchem Waren- bzw. Dienstleistungssektor zu erwarten sind. Auch muss hinreichend deutlich werden, dass es sich um Werbeanrufe handelt. In der von der Antragsgegnerin verwendeten Einwilligungsklausel heißt es: „Tel. (z.B. zur Gewinnbenachrichtigung u. für weitere interessante telef. Angebote der … GmbH)“.

Um was für „weitere interessante telefonische Angebote“ der Antragsgegnerin es sich dabei handeln könnte, bleibt unklar. Dem Verbraucher wird nicht ausdrücklich mitgeteilt, dass er in eine telefonische Werbung für Zeitschriftenabonnements einwilligen soll. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Kontext.

Ein Verbraucher hat keinen Anlass anzunehmen, dass es sich bei der … GmbH um ein Unternehmen handelt, das Zeitschriftenabonnements vertreibt. Zudem wäre es vom Wortlaut der Klausel auch gedeckt, wenn die Antragsgegnerin z.B. Finanzdienstleistungen oder Versicherungen anbieten würde, wenn sie nur ihr Geschäftsfeld entsprechend erweitern oder verändern würde. Des Weiteren kann die Klausel auch durchaus so verstanden werden, dass die Antragsgegnerin dem Verbraucher die Teilnahme an weiteren Gewinnspielen ermöglichen möchte.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

I