LG Kiel: Fortführung eines insolventen Unternehmens kann zur Nutzung von dessen Internetseite berechtigen

veröffentlicht am 10. August 2009

LG Kiel, Urteil vom 23.07.2009, Az. 4 O 145/08
§§ 34 Abs. 3, 97 Abs. 2 UrhG, 184 Abs. 2 BGB, § 2 ZPO

Das LG Kiel hat entschieden, dass bei Fortführung eines in einem Insovenzverfahrens befindlichen Unternehmens (hier Hotelbetrieb) auch dessen Internetseite benutzt werden kann. Im vorliegenden Fall habe  die Beklagte die Fotos nicht neben, sondern anstelle des früheren Hotelbetreibers genutzt. Denn der habe den Hotelbetrieb eingestellt und die Beklagte habe ihn fortgeführt. Sie habe die Fotos auf genau die gleiche Weise genutzt, auf die der Hotelbetreiber zur Nutzung berechtigt gewesen sei. Durch jene habe eine Nutzung hingegen nicht mehr stattgefunden. Der Hotelbetreiber, eine GmbH, sei berechtigt gewesen, das Nutzungsrecht auf die Beklagte zu übertragen – und zwar ohne, dass es auf eine Zustimmung des Klägers, dem Geschäftsführer der GmbH, angekommen sei (§ 34 Abs. 3 UrhG), weil die Beklagte den Betrieb der GmbH fortgeführt habe. Abgesehen davon sei durch den Insolvenzverwalter die Zustimmung erteilt worden. Diese Zustimmung wirke nach § 184 Abs. 2 BGB auch auf solche Vorgänge zurück, die sich vor der Rechtsverletzung ereignet hätten (Wandke/Bullinger, § 34 Rn 10).

Landgericht Kiel

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel auf die mündliche Verhandlung vom 23.07.2009 durch … als Einzelrichter für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Auskunft über die Verwendung von ihm erstellter Fotos durch die Beklagte
auf deren Webseite und Schadensersatz.

Der Kläger war Geschäftsführer der H GmbH, über deren Vermögen am 15. Dezember 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Bis November 2008 führte die GmbH in einer von der Beklagten gepachteten Immobilie auf W ein Hotel. Sie ließ eine Internetseite erstellen und verwendete dafür u.a. 21 Fotos vom Hotel und der Umgebung. Nachdem die GmbH den Hotelbetrieb eingestellt hatte, führte die Beklagte den Betrieb in eigener Regie fort. In diesem Zusammenhang kopierte sie die Internetseite einschließlich der Fotos und stellte sie Anfang November 2008 unter einer Adresse (www. .de) ins Internet. Nach einer Abmahnung seitens der GmbH entfernte die Beklagte die Fotos im Dezember 2008 wieder aus dem Internet. In der Folgezeit kam es zwischen der Beklagten und dem Insolvenzverwalter zu Verhandlungen über eine Gesamtübernahme des Hotelbetriebs durch die Beklagte. Diese Verhandlungen mündeten in einen Vergleich, der am 9. Juni 2009 rechtsverbindlich wurde und in dem auch die Übernahme der Nutzungsrechte an der Homepade einschließlich der Bilder durch die Beklagte geregelt wurde. Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf die Anlage B 11 Bezug genommen. Der Kläger stimmte der Übernahme der Nutzungsrechte nach Vergleichsschluss zu.

Der Kläger macht wegen der Nutzung der Fotos Auskunfts- und Zahlungsansprüche geltend. Hinsichtlich des Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung der Fotos haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Den Zahlungsanspruch errechnet der Kläger aufgrund einer Lizenzgebühr von 150,00 EUR pro Foto und einem Zuschlag von 100 % wegen fehlender Nennung seiner Urheberschaft auf der Homepade.

Der Kläger behauptet, er habe die Fotos gefertigt und der GmbH für die Errichtung der Webseite ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt.

Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über Art und Umfang der Nutzung der 21 Fotos zu erteilen – Wegen der Fotos wird auf die Seiten 2 – 4 der Klagschrift Bezug genommen (BI. 2 – 4 d.A.) -,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2008 sowie 961,28 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts. Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers und ist der Ansicht, lediglich die GmbH sei Inhaberin der Urheberrechte gewesen. Hilfsweise rechnet sie mit Schadensersatzansprüchen wegen rechtswidriger und schuldhafter Kündigung des Pachtvertrages durch den Kläger als Geschäftsführer der GmbH auf, und zwar zunächst mit rückständigem Pachtzins für November 2008.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich zuständig. Nach § 32 ZPO ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung stattgefunden hat. Rechtsverletzungen über das Internet sind überall dort begangen, wo das Medium bestimmungsgemäß abrufbar ist (Zöller-Volkommer, ZPO, § 32 Rn 17; Wandke/Bullinger-Kefferpütz, Urheberrecht, § 105 Rn 16). Das ist in R der Fall.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger stehen der geltend gemachte Auskunftsanspruch und der Schadensersatzanspruch nicht zu.

Nach § 97 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz ist derjenige, welcher das Urheberrecht durch vorsätzliche oder fahrlässige Handlung widerrechtlich verletzt, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Eine widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn ein Nutzungsrecht besteht.

Das Einstellen der Fotos, die nach § 2 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz geschützte Werke sind, auf eine Internetseite berührt das Vervielfältigungsrecht nach § 16 Urheberrechtsgesetz – weil das Recht zunächst gespeichert wird – und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung – weil das Werk sodann im Internet bereitgehalten wird (Wandke/Bullinger, § 19 a Rn 12). Derartige Nutzungsrechte hat der Kläger nach eigenem
Vortrag der H GmbH eingeräumt. Aber auch die Nutzung durch die Beklagte auf die gleiche Weise verletzt hier nicht das Vervielfältigungsrecht des Klägers oder sein Recht auf öffentliche Zugänglichmachung. Denn die Beklagte hat die Fotos nicht neben, sondern anstelle der H GmbH genutzt.

Im Urheberrecht ist insofern zu unterscheiden zwischen der Übertragung von Rechten und der weiteren Einräumung von Rechten. Werden die Rechte übertragen (§ 34 Urheberrechtsgesetz), so scheiden sie aus dem Vermögen des Inhabers aus und gehen in das Vermögen des Erwerbenden über. Bei der Einräumung weiterer Nutzungsrechte (§ 35 Urheberrechtsgesetz) – die dem Inhaber eines einfachen Nutzungsrechts nicht und dem Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts nur mit Zustimmung des Urhebers gestattet ist – bleibt das Nutzungsrecht des Inhabers dagegen bestehen, so dass sich der Bestand der Nutzungsrechte und die Zahl der Lizenznehmer mehren.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Fotos nicht neben, sondern anstelle der H GmbH genutzt. Denn die GmbH hatte den Hotelbetrieb eingestellt und die Beklagte hat ihn fortgeführt. Sie hat die Fotos auf genau die gleiche Weise genutzt, auf die die H GmbH zur Nutzung berechtigt war. Durch jene fand eine Nutzung hingegen nicht mehr statt. Die GmbH war berechtigt, das Nutzungsrecht auf die Beklagte zu übertragen – und zwar ohne, dass es auf eine Zustimmung des Klägers ankommt (§ 34 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz), weil die Beklagte den Betrieb der GmbH fortgeführt hat. Abgesehen davon hat der Kläger die Zustimmung erteilt. Sie wirkt nach § 184 Abs. 2 BGB zurück (Wandke/Bullinger, § 34 Rn 10).

War die GmbH aber zur Übertragung der ihr eingeräumten Nutzungsrechte befugt, so lag es auch in ihrer Hand, inwieweit sie eine Nutzung durch die Beklagte anstelle der Nutzung durch sie selbst duldet. In das Urheberrecht des Klägers ist damit nicht eingegriffen, weil sich lediglich die Person des Nutzers, nicht aber die Art oder der Umfang der Nutzung, geändert hat. Insofern ist der Kläger nicht aktivlegitimiert.

Die fehlende Namensnennung des Urhebers löst ebenfalls keine Schadensersatzansprüche aus. Zwar kann grundsätzlich der Urheber bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13 Satz 2 Urheberrechtsgesetz). Die vom Kläger erlaubte Nutzung der Fotos durch die H GmbH erfolgte aber ebenfalls ohne Nennung des Namens. Dann musste auch die Beklagte, die die Webseite lediglich kopiert, aber nicht verändert hat, den Namen nicht nennen.

Mangels Verletzung des klägerischen Urheberrechts bestehen weder Auskunfts-, noch Schadensersatzansprüche. Damit entfällt auch der Anspruch auf Zinsen und Anwaltskosten. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91 a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Denn er war aus den genannten Gründen nicht aktivlegitimiert.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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