LG Koblenz: Tabakverkauf am Automaten nur mit einer Altersverifikation möglich, im Internet dagegen auch ohne

veröffentlicht am 3. November 2008

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Koblenz, Beschluss vom 13.08.2007, Az. 4 HK O 120/07
§§ 1 Abs. 4, 9, 10, 12 Abs. 3 Nr. 2; 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG; § 8 Abs. 1 S. 1 UWG

Das LG Koblenz ist der Rechtsauffassung, dass ein Onlinehändler, der über das Internet Tabak oder Waren aus Tabak verkauft, ohne Vorkehrungen für eine Altersverifikation vorzuhalten, nicht gegen geltendes Jugendschutzrecht verstößt. Insbesondere sei der Versandhandel nicht als Vertrieb „sonst in der Öffentlichkeit“ im Sinne von § 10 Abs. 1 JuSchG anzusehen. § 10 Abs. Abs. 1 JuSchG lautet: „In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen Tabakwaren an Kinder oder Jugendliche weder abgegeben noch darf ihnen das Rauchen gestattet werden.“ In der Folge haben u.a. Gaststättenbesitzer und Betreiber von Zigarettenautomaten, teils technisch sehr aufwändig, dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht an Tabakwaren gelangen, während Onlinehändler insoweit „freigestellt“ werden. Diese nicht nachzuvollziehende Lücke hat nach Ansicht des Landgerichts dann aber der Gesetzgeber zu schließen.

Landgericht Koblenz

Beschluss

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

gegen

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz durch […] am 13.08.2007 beschlossen:

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsstellerin zu tragen.

Gründe:

Die Antragstellerin ist Tabakwarengroßhändler, der Antragsgegner vertreibt unter anderem über das Internet Tabakwaren. Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt die Antragstellerin, dem Antragsgegner zu untersagen, über das Internet Tabakwaren an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren abzugeben. Sie ist der Ansicht, der Antragsgegner verstoße mit der unkontrollierten Abgabe an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren gegen die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes.

Der Antrag ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Untersagungsanordnung. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG liegen nicht vor.

Der Antragsgegner erfüllt mit seinem Internetangebot nicht den – hier allein in Betracht kommenden – Rechtsbruchtatbestand der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Zwar können Verstöße gegen Bestimmungen des Jugendschutzrechts, das jugendliche Verbraucher vor jugendgefährdenden Waren und Leistungen bewahren soll, grundsätzlich wettbewerbswidrig sein und den Unterlassungsanspruch eines Wettbewerbers rechtfertigen. Hinsichtlich des Verhaltens des Antragsgegners ist jedoch kein Verstoß gegen die Jugendschutzbestimmungen, insbesondere § 10 JuSchG, der das Anbieten und die Abgabe von Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren und Kinder regelt, nicht festzustellen.

Das Angebot und der Vertrieb der Tabakwaren über das Internet ist als Fernabsatz bzw. Versandhandel zu qualifizieren. Ein Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen läge nur dann vor, wenn besondere Überprüfungen durch den Verkäufer und womöglich den Einsatz von Altersverifikationssystemen gesetzlich verlangt würden. Dies ist aber nicht der Fall. Die für den Tabakwarenvertrieb einschlägige Norm des § 10 JuSchG enthält Regelungen zur Abgabe von Tabakwaren in Gaststätten sowie sonst in der Öffentlichkeit und zum Automatenverkauf. Entsprechendes gilt für den Alkoholverkauf (§ 9 JuSchG). Im Gegensatz hierzu wird beim Vertrieb von Trägermedien ausdrücklich auf den Versandhandel, der in § 1 Abs. 4 JuSchG legaldefiniert ist, rekurriert und es werden entsprechende Anforderungen festgelegt (§§ 12 Abs. 3 Nr. 2; 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG). Die Kammer vermag sich der Auffassung der Antragstellerin, der Versandhandel werde vom Verbot der Abgabe „sonst in der Öffentlichkeit“ erfasst, nicht anzuschließen. Der Gesetzeswortlaut beinhaltet ein solches Verbot nicht. Eine analoge Anwendung des Gesetzes auf den Versandhandel kommt nicht in Betracht. Eine solche setzt eine planwidrige Lücke voraus, die indes nach Auffassung der Kammer nicht vorliegt. Wenn der Gesetzgeber es beim Vertrieb von Tabakwaren ausdrücklich vermeidet, – Gegensatz zum Vertrieb von Trägermedien – eigens definierte Begrifflichkeiten zum Verbot einer bestimmten Absatzart zu verwenden, lässt sich hieraus schließen, dass ein solches Verbot nicht existieren soll. Der Fernabsatz von Tabakwaren ist daher – bis zu einer entgegenstehenden entsprechenden gesetzlichen Regelung – auch ohne die von § 1 Abs. 4 JuSchG geforderten technischen Vorkehrungen (Altersverifikationssysteme) zulässig.

Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO

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