LG Köln: Drohen Sie als Anwalt dem Onlinehändler nicht mit der Veröffentlichung einer Strafanzeige!

veröffentlicht am 29. Dezember 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Köln, Urteil vom 21.10.2009, Az. 28 O 410/08
§§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB, § 240 StGB

Das LG Köln hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt  zur Durchsetzung der Ansprüche seines Mandanten dem Gegner – hier dem Betreiber eines Internetshops – nicht mit der Veröffentlichung einer Strafanzeige drohen darf und hat ihn entsprechend zur Unterlassung verurteilt. Gegenstand des Streits war folgender Text:

Der Schrift- bzw. E-Mail-Verkehr bzgl. der Bestellung einer Kamera EOS 450 D ist bekannt. Ihre beharrliche Verweigerungshaltung, den zugesagten Betrag nach Stornierung des Auftrages an meinen Mandanten zu überweisen, lässt nur den Schluss auf ein absichtliches, geplantes betrügerisches Verhalten zu. Zur Zahlungsvermittlung des Betrages in Höhe von 498,00 EUR setze ich Ihnen hiermit letztmalig eine Frist bis kommenden Freitag, den 05.06.2009 – 14 Uhr – Eingang auf dem Konto meines Mandanten (…). Sollten Sie diese Frist fruchtlos verstreichen lassen, werde ich namens meines Mandanten Strafanzeige stellen, Klage erheben und die Strafanzeige im Internet in den entsprechenden Foren veröffentlichen.“

Die streitgegenständlichen Äußerungen seien rechtswidrig gewesen. Denn rechtfertigende Gründe seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und es stellten die Äußerungen insgesamt eine Nötigungshandlung dar. Die Äußerungen hätten zur Durchsetzung der von dem Verfügungskläger geforderten Handlungen nicht instrumentalisiert werden dürfen. Die in dem Brief vom 05.06.2009 an den Verfügungskläger gemachten Äußerungen seien nur zu dem Zweck getätigt worden, durch die Anprangerung des Verfügungsklägers Druck auf ihn auszuüben sowie durch die Drohung, die Vorwürfe in einer Strafanzeige öffentlich zu machen, ihn zur Vornahme der eingeforderten Handlungen zu bewegen.

Es handele sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen  um Nötigungshandlungen gemäß § 240 StGB. Das Verhalten der Verfügungsbeklagten stelle sich als verwerflich dar. Die Verwerflichkeit der streitgegenständlichen Äußerungen könne sich bei Durchsetzung eines vermeintlichen Handlungsanspruchs dabei aus dem grundsätzlichen Vorrang staatlicher Zwangsmittel ergeben. Wenn staatliche Hilfe rechtzeitig erreichbar sei, habe der Betroffene grundsätzlich die Polizei herbeizuholen oder den Rechtsweg zu beschreiten; greife er trotzdem oder darüber hinaus zur Selbsthilfe, um die (vermeintliche) Gesetzestreue anderer zu erzwingen, so sei sein Verhalten als verwerflich einzustufen. Umgekehrt werde aber die Widerrechtlichkeit der Nötigung nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass das Nötigungsmittel als solches erlaubt sei. Denn dass man zur Vornahme einer bestimmten Handlung berechtigt ist, wie z. B. zu einer wahrheitsgemäßen Veröffentlichung in der Presse, bedeute nicht, dass man damit zum Zwecke der Nötigung einem anderen ohne weiteres drohen dürfe. Dies jedenfalls dann nicht, wenn eine Inadäquanz zwischen der Veröffentlichung und dem erstrebten Zweck bestehe (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 240 Rn. 19a f. m.w.N.; § 253 Rn. 4 zur sog. „Chantage“).

So liege es hier, da die Verfügungsbeklagte für den Mandanten den Rechtsweg im Rahmen eines Rückzahlungsanspruches hätte beschreiten können. Hinzu komme vorliegend dass eine am 29.05.2009 von ihr gesetzte Zahlungsfrist bei Ausspruch der Drohung noch gar nicht abgelaufen gewesen sei und die Rückzahlung des Verfügungsklägers sogar tatsächlich unstreitig innerhalb dieser Zahlungsfrist bei ihr eingegangen sei. Sie sei nicht darauf angewiesen gewesen, von dem Verfügungskläger zu fordern, dass dieser ad hoc unter Verkürzung der zunächst gesetzten Zahlungsfrist den im Wege der Vorkasse vereinnahmten Kaufpreis in nur knapp 36 Stunden an sie zurückzuzahlen.

Die Auffassung der Verfügungsbeklagten, dass sie aus Verbraucherschutzgründen in Foren hätte wie angedroht berichten dürfen, sei nicht geeignet, ihr Verhalten zu rechtfertigen. Insoweit scheine sie sich auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung berufen zu wollen. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung seien jedoch für die Presseberichterstattung aufgestellt worden, da es zu deren Aufgaben – und nicht zu den Aufgaben der Verfügungsbeklagten – gehöre, Verfehlungen und Missstände aufzuzeigen (hierzu Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 3. Auflage 2003, Rn. 10.154). Auch das Urteil des LG Berlin (20.09.2007, 27 O 694/07, n. v.), auf welches sich die Verfügungsbeklagte berufen habe, lehne es ab, dass Einzelne die Verfehlungen anderer dergestalt aufzeigen könnten, dass sie Strafanzeigen im Internet veröffentlichten. Im dort zu entscheidenden Sachverhalt habe eine Einzelperson die gegen Herrn Prof. Dr. Piëch gestellte Strafanzeige auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Das LG Berlin, auf dessen Urteil sich die Verfügungsbeklagte berufe, komme zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung der Stellung einer Strafanzeige schon lediglich auf der Internetseite des Anzeigenden sich nicht mehr in den Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung bewege. Im Übrigen habe dem von der Verfügungsbeklagten missverständlich zitierten Urteil keine Chantage zugrunde gelegen, sondern die Strafanzeige war tatsächlich schon veröffentlich worden.

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