LG Köln: Eine Frau, die nicht mehr als Callgirl arbeitet, muss auch nicht die Nutzung ihres Fotos durch ihre ehemalige Agentur dulden / Zum Widerruf des Einverständnisses der Fotonutzung

veröffentlicht am 19. August 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Köln, Urteil vom 08.06.2011, Az. 28 O 859/10
§ 22 KUG; §§ 812; 818; 823; 1004 BGB

Das LG Köln hat entschieden, dass es ein Ex-Callgirl nicht zu dulden hat, wenn ihre ehemalige Agentur weiter mit ihrem Bild wirbt und den Eindruck erweckt, dass sie weiter als Callgirl zur Verfügung stehe. Die Kammer setzte fiktive Lizenzgebühren für die unerlaubte Nutzung des Fotos zu Gunsten des Callgirls von 3.000,00 EUR sowie Abmahnkosten in Höhe von 1.085,04 EUR (Gegenstandswert 25.000,00 EUR) fest. Die Berufung gegen das Urteil hat das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 27.03.2012, Az. 15 U 161/11) zurückgewiesen. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Köln

Urteil

Die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat durch … für Recht erkannt:

1.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten, die Klägerin sei als Callgirl zu buchen, wenn dies mit den Angaben und Fotografien geschieht wie nachstehend wiedergegeben:

2.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2010 zu zahlen.

3.
Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin EUR 1.085,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.

4.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

6.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt in Hinblick auf den Unterlassungstenor EUR 5.000,00 und im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Beklagte betreibt eine Agentur für die Vermittlung von Callgirls. Die Klägerin, eine gelernte Betriebswirtin, war im Oktober und November 2009 unter dem Namen „A“ als Callgirl in der Agentur des Beklagten tätig. Im November 2009 wurden im Auftrag und auf Rechnung des Beklagten Fotos von der Klägerin gefertigt. Hierzu trafen die Parteien die folgende vertragliche Vereinbarung (Bl. 40 d.A.):

Fotoaufnahmen werden von der Agentur bezahlt; die Unterzeichnerin tritt alle Rechte über diese Fotos an die Agentur ab.

Mit Einverständnis der Klägerin wurden die gefertigten Fotos sodann im Internet auf der von dem Beklagten betriebenen Internetseite „anonym2.eu“, auf der der Beklagte seine Dienstleistungen anbietet, verwendet.

Auch nach Ausscheiden der Klägerin aus der Agentur des Beklagten bewarb dieser auf seiner Internetseite weiterhin mit den gefertigten Fotos ein Callgirl namens „A“ wie in Anlage K1 zur Klageschrift (Bl. 5-11 d-A.) und im Tenor wiedergeben.

Die Klägerin hält dies für unzulässig, da dieser Darstellung die persönlichkeitsrechtsverletzende Behauptung immanent sei, sie sei als Callgirl zu buchen. Dies sei jedoch unzutreffend, da sie nicht mehr als Callgirl tätig sei. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Unterlassung, eine fiktive Lizenzgebühr von 500,00 EUR je Foto, mithin bei 11 Fotos 5.500,00 EUR  gesamt, sowie Erstattung der nach einem Streitwert von 25.000,00 EUR berechneten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu unterlassen, Dritten gegenüber zu behaupten, die Klägerin sei als Callgirl zu buchen, wenn dies mit den in Anlage K1 vorgelegten Angaben und Fotografien geschieht;

2. an sie EUR 5.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

3. an sie EUR 1.085,04 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung die Fotos auch weiterhin verwenden zu dürfen, da er die Rechte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung erworben habe. Zudem liege auch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da, die Klägerin mehr als sechs Jahre als Callgirl gearbeitet habe und auch weiterhin als Callgirl tätig sei. Hinzu komme, daß die Klägerin ohnehin nicht auf den Fotos erkennbar sei: durch den Balken sei sie praktisch unkenntlich gemacht und die Fotos seien überdies derart retuschiert worden, daß sie mit der Person der Klägerin nichts mehr zu tun hätten. Schließlich verwende er die Fotos auch seit Januar 2011 nicht mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB zu. Die konkret angegriffene Darstellung impliziert die Behauptung, die Klägerin sei als Callgirl tätig und greift deshalb in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein. Der Vortrag des Beklagten, die Klägerin sei auch weiterhin als Callgirl tätig, war nicht ausreichend substantiiert, um in eine Beweisaufnahme einzutreten. Im Einzelnen ist Folgendes zu berücksichtigen:

a)
Gegenstand des Unterlassungsantrages ist nach seiner Formulierung nicht die Bildnisverwendung, sondern die aus dem Kontext der Internetseite zu entnehmende Behauptung, die abgebildete Person sei als Callgirl zu buchen. Nicht Streitgegenstand ist demnach ein Anspruch aus § 22 KUG i.V.m. § 1004 BGB. Um dies zu verdeutlichen, hat die Kammer im Tenor die Anlage K 1 eingeblendet. Da dies lediglich das Klageziel verdeutlicht und kein Weniger darstellt, sind Kostenfolgen hiermit nicht verbunden.

b)
Die angegriffene Behauptung läßt sich aus dem Kontext der Internetseite ohne weiteres entnehmen und bezieht sich auf die Klägerin. Diese wird zwar nicht ausdrücklich namentlich genannt, ist jedoch aus dem Zusammenhang identifizierbar. Die Identifizierung kann über die Fotos erfolgen, auf denen die Klägerin erkennbar abgebildet ist. Der Balken über dem Gesicht schließt die Erkennbarkeit nicht aus, denn Mund-, Kinn- und Stirnpartie sowie Haare sind trotz des Balkens erkennbar. Dabei handelt es sich aber durchaus um signifikante Merkmale, die jedenfalls für solche Personen, die die Klägerin kennen, deren Identifizierung möglich machen. Dies genügt für die Frage der Erkennbarkeit. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, die Fotos seien derart umfassend retuschiert worden, daß die abgebildete Person nichts mehr mit der Klägerin gemein habe, ist dieser Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Immerhin sind die Fotos ursprünglich zur Bewerbung der Leistungen der Klägerin verwendet worden. Angesichts dessen hätte ausdrücklich zu Umfang und Einzelheiten der vorgenommenen Veränderungen vorgetragen und dargetan werden müssen, daß und warum danach die Grundlage der Fotos zwar Abbildungen der Klägerin sind, diese aber gleichwohl auf diesen nicht mehr erkennbar ist. Daran fehlt es hier.

c)
Weiterhin ist von der Unwahrheit der Behauptung auszugehen, die Beklagte sei als Callgirl zu buchen. Die Unwahrheit einer Behauptung ist zwar grundsätzlich vom Unterlassungsgläubiger darzulegen und zu beweisen; in Anwendung des Rechtsgedankens von § 186 StGB gilt dies aber nicht für solche Behauptungen, die geeignet sind, die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Hierzu zählt auch die vorliegend angegriffene Behauptung, die Klägerin sei als Prostituierte tätig; diese ist geeignet, die Klägerin zu stigmatisieren. Der Beklagte hat daher vorliegend die Wahrheit der Behauptung darzulegen und zu beweisen. Dem ist er nicht ausreichend nachgekommen. Im Rahmen der Klageerwiderung hat er lediglich spekuliert, die Klägerin arbeite „vermutlich bis zum heutigen Tag als Callgirl“. In der Duplik hat er dies dann unter Beweis gestellt, jedoch ohne den Vortrag zu vertiefen. Dieser Vortrag aber war nicht ausreichend substantiiert, um in eine Beweisaufnahme einzutreten, worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde, ohne daß er Schriftsatznachlass beantragt hätte. Erstmals mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.05.2011 hat der Beklagte nach Schluß der mündlichen Verhandlung behauptet, die Klägerin sei nach seinen Erkenntnissen bis Ende 2010 gemeinsam mit der Zeugin T für eine Firma F und die Firma N GmbH tätig gewesen und biete noch heute unter der Internetadresse www.anonym1.net ihre Dienste an. Dieser Vortrag ist zum einen schon aus sich heraus nicht ausreichend substantiiert. Der Beklagte trägt nicht vor, woher er seine Erkenntnisse hat und worauf sich diese konkret beziehen. Auch fehlt es an konkreten Belegen. Darüber hinaus ist der Vortrag aber ohnehin unbeachtlich gemäß § 296a ZPO. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung können neue Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Einen Schriftsatznachlaß im Sinne von § 139 Abs. 5 ZPO hat der Beklagte nicht beantragt. Es besteht auch keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

d)
Diese unwahre Tatsachenbehauptung ist persönlichkeitsverletzend, da sie die Klägerin stigmatisiert und geeignet ist, sie privat und beruflich auszugrenzen. Eine Rechtfertigung liegt nicht vor. Insbesondere ist die Veröffentlichung der Fotos nicht mehr von einer Zustimmung der Klägerin gedeckt. Ursprünglich – als die Klägerin noch in der Agentur des Beklagten tätig war – sind die Fotos mit Zustimmung der Klägerin verwendet worden. Allerdings war die implizite Behauptung zu diesem Zeitpunkt auch zutreffend und die Verwendung überdies auch im Interesse der Klägerin. Dies hat sich geändert, als die Klägerin aus der Agentur des Beklagten und erst recht als sie aus dem „Business“ ausgeschieden ist. Angesichts dessen spricht nichts dafür, daß sie einer Verwendung der Fotos in diesem Zusammenhang auch über das Ende ihrer Tätigkeit für den Beklagten hinaus zugestimmt hat. Es handelte sich auch nach dem Beklagtenvortrag nicht um generelle Werbefotografien für das Unternehmen des Beklagten, die möglicherweise unabhängig von der Dauer der Tätigkeit der Klägerin wären; es handelte sich vielmehr um Fotos, die die Klägerin und deren Dienstleistung bewerben sollten. Entsprechend wird man eine Einwilligung der Klägerin zur Veröffentlichung auch auf die Bewerbung ihrer eigenen Person und ihrer eigenen Dienstleistungen im Rahmen der Agentur des Beklagten beschränken müssen. Insoweit kann auf den Rechtsgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG und die urheberrechtliche Zweckübertragungstheorie zugegriffen werden. Daß der Beklagte die Fotos bezahlt und die Klägerin ihm „alle Rechte über dies Fotos“ abgetreten (Bl. 40) hat, ändert daran nichts. Denn selbst wenn letzteres zutreffen würde, folgte hieraus nicht die Berechtigung, die Fotos in Zusammenhängen zu verwenden, welche unwahre Tatsachenbehauptungen über die Klägerin begründen.

2.
Der Klägerin steht weiterhin ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB wegen Eingriffs in das Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG) zu. Dieses Recht ist ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht, in welches der Beklagte vorliegend durch die Weiterverwendung der Fotos auf seiner Internetseite nach Beendigung der Geschäftsbeziehung ohne rechtlichen Grund eingegriffen hat. Er kann sich nicht auf eine Zustimmung oder Einwilligung der Klägerin berufen, da deren Einwilligung nach dem Sinn und Zweck der Vereinbarung der Parteien auf die Dauer der Geschäftsbeziehung beschränkt war. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

Die Klägerin kann danach die Herausgabe der Bereicherung, § 818 BGB, begehren, die in den ersparten Aufwendungen liegt. Diese sind danach zu bemessen, welche Lizenz vernünftige Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als angemessenes Honorar vereinbart hätten. Dies kann die Kammer gemäß § 287 ZPO schätzen. Nach den Erfahrungen der Kammer aus anderen Verfahren kann für ein semiprofessionelles Modell grundsätzlich eine Tagesgage von 750,00 EUR angesetzt werden, die bei einem Buyout zur Verwendung im Internet unter Berücksichtigung der Nutzungsdauer von 13 Monaten (Dezember 2009 bis Dezember 2010) nach Auffassung der Kammer zu verdoppeln ist. Angesichts der Anzahl der veröffentlichten Fotos, des Veröffentlichungszusammenhanges, in welchem die Beklagte als Prostituierte dargestellt wird und des Risikos von deren Verbreitung über das Internet, hält die Kammer darüber hinaus einen weiteren Zuschlag von 100% für angezeigt, was zu einem Gesamtbetrag von EUR 3.000,00 führt.

Dieser ist gemäß §§ 288, 291 BGB ab Rechtshängigkeit wie ausgeurteilt zu verzinsen.

3.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosen sind dem Grunde nach aus § 823 BGB zu erstatten. Gegen den Ansatz eines Unterlassungsstreitwertes von 25.000,00 EUR bestehen keine Bedenken vor dem Hintergrund des Beeinträchtigungspotentials der Behauptung und unter Berücksichtigung der konkreten Verwendung der Bildnisse und deren Verwendungsdauer. Der Anspruch ist im Ergebnis auch zutreffend berechnet. Zwar legt die Klägerin ihrer Berechnung eine 1,5 Geschäftsgebühr zugrunde, setzt dann jedoch zutreffend den auf eine 1,3 Gebühr entfallenden Betrag an.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

5.
Streitwert: 30.500,00 EUR.

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