LG Köln: Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 EUR bei Verstoß gegen einstweilige Verfügung (Verbot der Werbung mit einem selbst erdachten Gütesiegel für Hotelbewertungen) / Umsatzeinbußen sind kein Grund, ein gerichtliches Verbot zu missachten

veröffentlicht am 27. August 2012

LG Köln, Beschluss vom 29.05.2012, Az. 31 O 491/11
§ 890 ZPO

Das LG Köln hat im Wege der einstweiligen Verfügung entschieden, dass die Bewertung von Hotels durch ein Internetportal für Hotelbewertungen mit z.B. „das Kunden-Gütesiegel der Touristik“ wettbewerbswidrig ist (hier). Nachdem die Verfügungsbeklagte die Werbung nicht unterband, da ihr dieses zu teuer erschien („drohende Umsatzverluste“), wurde ihr vom LG Köln (Vorsitzender Richter am Landgericht Kehl) ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,00 EUR auferlegt. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Köln

Beschluss

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren


gegen

hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln am 29.05.2012 durch … beschlossen:

Die Schuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen das im Urteil der Kammer vom 05.01.2012 (31 O 491/11) ausgesprochene Unterlassungsgebot zu einem Ordnungsgeld von

100.000,00 EUR

(in Worten: einhunderttausend Euro)

verurteilt, sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 2.500,00 EUR zu einem Tag Ordnungshaft – zu vollziehen am Geschäftsführer der Schuldnerin.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1.
Mit Urteil vom 05.01.2012 hat die Kammer der Schuldnerin unter anderem untersagt, mit der Aussage „Echte Gästemeinungen“ wie im Tenor der Entscheidung unter I.2.c) wiedergegeben, zu werben.

Das Urteil war hinsichtlich des Tenors zu I 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR vorläufig vollstreckbar. Mittlerweile hat die Schuldnerin ihre Berufung zurückgenommen, so dass Rechtskraft eingetreten ist.

Die Gläubigerin erbrachte die geforderte Sicherheit in Form einer Prozessbürgschaft der Commerzbank AG und stellte diese der Schuldnerin am 01.02.2012 zu. Trotz der damit gegebenen Vollstreckbarkeit warb die Schuldnerin u.a. am 03.02.2012 weiterhin mit der Aussage „Echte Gästemeinungen“ in der im Tenor des o.g. Urteils untersagten Form auf ihrer Internetseite www. … .de. Auch am 08.02.2012 befand sich die untersagte Aussage noch auf der Internetseite www. … .de.

Die Gläubigerin behauptet, dass bis in den Februar 2012 hinein auch TV-Spots der Schuldnerin gesendet worden seien, in denen weiterhin mit der untersagten Aussage geworben wurde. Der Spot sei auf den Sendern … ausgestrahlt worden.

Die Schuldnerin verteidigt sich damit, dass sie am 27.02.2012 einen Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung beim OLG Köln gestellt habe. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass diesem Antrag stattgegeben würde, weil keine vorrangigen Interessen der Gläubigerin vorlägen. Das OLG Köln habe mit Beschluss vom 20.03.2012 (Az. 6 U 25/12) den Antrag abgelehnt. Seit Kenntnis von der Ablehnung habe die Schuldnerin veranlasst, dass die streitgegenständlichen Werbemaßnahmen entfernt werden. Die einzelnen notwendigen Schritte zur Umstellung der Webseite seien überwiegend nacheinander und nicht parallel durchgeführt worden. Letzteres sei aus technischer, aber auch aus personeller Sicht nicht möglich. Die Webseite bestehe aus verschiedenen Ebenen und jede Ebene sei gesondert abzuändern und zu kontrollieren.

Den Vortrag der Gläubigerin, dass ein TV-Spot, in dem die Aussage „Echte Gästemeinungen“ beinhaltet gewesen wäre, noch im Februar gelaufen sei, hält sie für nicht nachvollziehbar.

2.
Da unstreitig ist, dass sich jedenfalls bis zur Entscheidung des OLG Köln über den Einstellungsantrag die Aussage „Echte Gästemeinungen“ auf der Internetseite befand, liegt ein objektiver Verstoß vor. Die Schuldnerin verteidigt sich lediglich damit, dass sie darauf habe vertrauen dürfen, dass ihrem Antrag stattgegeben würde. Selbst wenn man dieser Ansicht folgen würde, hat sie – unstreitig – auch seit dem 20.03.2012 nicht alles ihr Zumutbare in die Wege geleitet, um den Verstoß umgehend abzustellen. Sie hat nach ihrer eigenen Angabe – aus technischen und personellen Gründen – die Abänderung der Webseite nacheinander und nicht parallel vorgenommen. Insoweit ist ihr in jedem Fall ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, da sie notfalls weitere Mitarbeiter beauftragen oder eine Auftragsvergabe an Externe hätte vornehmen müssen, um dem Unterlassungsgebot unverzüglich nachzukommen. Danach lag jedenfalls seit dem 20.03.2012 ein Verstoß vor.

Die Schuldnerin räumt ein, erst nach dem 20.03.2012 überhaupt Maßnahmen in die Wege geleitet zu haben; wobei selbst nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts nur schrittweise und Ebene für Ebene nacheinander abgeändert worden ist. Hierdurch hat die Schuldnerin schuldhaft gegen das Unterlassungsgebot aus dem Urteil vom 05.01.2012 verstoßen, so dass gegen sie ein Ordnungsgeld festzusetzen war, § 890 ZPO.

Die Schuldnerin kann sich aber auch für die Zeit vor der Entscheidung des OLG nicht darauf zurückziehen, dass sie davon ausgegangen sei, dass sie die Werbung auf der Internetseite so lange habe fortsetzen dürfen, so lange noch nicht über ihren Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden worden ist.

Der Verschuldensvorwurf kann zwar ausnahmsweise entfallen, wenn der Schuldner einem entschuldbaren, nämlich unvermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt, denn für einen unverschuldeten Rechtsirrtum braucht der Schuldner nicht einzustehen. An die Annahme eines entschuldbaren Verbotsirrtums sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Der einem Irrtum unterliegende Schuldner kann sich nur dann exkulpieren, wenn er die Rechtslage zuvor sorgfältig geprüft und – erforderlichenfalls – einen Rechtsanwalt konsultiert und fachkundigen Rechtsrat eingeholt hat. Aber selbst wenn er sich auf einem ihm erteilten anwaltlichen Rat verlässt, vermag ihn dies noch nicht in jedem Fall zu entlasten. Entschuldigt ist der Vollstreckungsschuldner vielmehr nur dann, wenn er gestützt auf den anwaltlichen Rat ohne Verschulden geirrt hat (vgl. OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2001, 122, 123 m.w.N.). Der Rechtsirrtum ist trotz anwaltlichen Rat indessen vermeidbar, sofern der Schuldner erkennen konnte, dass die anwaltliche Auskunft offenkundig unrichtig war (vgl. OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2001, 122, 123).

Die Schuldnerin hat nicht vorgetragen, dass sie überhaupt anwaltlichen Rechtsrat eingeholt hat und auch nichts dazu vorgetragen, ob und was sie unternommen hat, um sich davon zu überzeugen, dass sie trotz der Sicherheitsleistung durch die Gläubigerin und des Vorliegens eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, weiter die ihr untersagte Werbung verwenden durfte. Der Vorschrift des § 709 S. 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil (wie hier) nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann (vgl. nur OLG Düsseldorf, MDR 1987, 415; OLG Celle, OLGZ 1993, 475 = JurBüro 1994, 311). Dass sich die Schuldnerin mit diesen Wertungen des Gesetzes auseinandergesetzt hätte, ist nicht ersichtlich. Ein entschuldbarer Verbotsirrtum kann vor dem Hintergrund, dass sie lediglich meinte, keine vorrangigen Gläubigerinteressen erkennen zu können, nicht angenommen werden.

Aber selbst wenn man der Argumentation der Schuldnerin folgte, durfte sie allenfalls ab dem Tag der Antragstellung, also ab dem 27.02.2012, möglicherweise darauf vertrauen, dass sie sich trotz vorläufig vollstreckbarem Urteil und Vorliegen der Sicherheitsleistung nicht an das Urteil halten musste. Dass aber die Sicherheit vorlag und damit das Urteil vorläufig vollstreckbar war, war ihr spätestens seit dem 01.02.2012 bekannt. Weshalb die Schuldnerin in der Zeit vom 01.02.2012 bis zum 27.02.2012 meinte, trotz vorläufig vollstreckbarem Urteil, ihre Werbung nicht einstellen zu müssen, wird nicht erklärt. Dass sie möglicherweise glaubte, dem Urteil nicht Folge leisten zu müssen, weil sie irgendwann in Zukunft einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen gedachte, wird den Anforderungen an das Vorliegen eines entschuldbaren Verbotsirrtums selbstredend nicht gerecht.

Damit ist von einem schuldhaften Verhalten der Schuldnerin auszugehen.

Die Schuldnerin hätte bei gebotener Sorgfalt damit rechnen müssen und vorhersehen können, dass das OLG Köln ihren Einstellungsantrag ablehnt. Sie hätte trotz ihrer Hoffnung, dass das OLG dem Einstellungsantrag stattgibt und Änderungen danach überflüssig werden, zunächst ihre Webseite abschalten und etwa einen Baustellenhinweis und/oder mit einer Verlinkung arbeiten können. Nach einer etwaigen Stattgabe ihres Einstellungsantrags hätte dann ihre Webseite unverändert wieder freigegeben werden können. Die Schuldnerin hat jedoch unverändert die ihr mit Urteil vom 05.01.2012 verbotene Aussage auf ihrer Webseite belassen. Damit hat sie nichts unternommen, um dem Urteil, dass jedenfalls seit dem 01.02.2012 vorläufig vollstreckbar war, zu entsprechen. Des Weiteren ist ihr auch vorzuwerfen, dass sie – nachdem sie am 01.02.2012 von der vorläufigen Vollstreckbarkeit Kenntnis hatte – erst am 27.02.2012 Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt hat. Nach ihrer eigenen Argumentation hätte sie damit durch die sehr späte Antragstellung fast einen Monat gewonnen, in welchem sie weiter ihre verbotene Werbeaussage verbreitete. Auch dieses Verhalten entspricht nicht dem eines Schuldners, der grundsätzlich darauf bedacht wäre, das Unterlassungsgebot einzuhalten.

3.
Des Weiteren hat die Gläubigerin eine CD mit Werbespots vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass auch auf TV-Spots im Hintergrund die verbotene Aussage verwendet wurde. Die Schuldnerin bestreitet zwar „vorsorglich“, dass es solche Werbespots gab und meint, dass die dahingehende Behauptung der Gläubigerin „nicht nachvollziehbar“ sei. Da es sich um ihre eigenen Werbespots handelt und sie im Verfahren vor dem OLG auch gerade mit den hohen Kosten für einen neuen Dreh einer Werbung argumentiert hat, ist das pauschale Bestreiten unbeachtlich. Ihr sind die Werbespots natürlich bekannt. Da die Schuldnerin unstreitig jedenfalls bis zum 20.03.2012 nichts unternommen hat, um dem Urteil gerecht zu werden, muss die Kammer davon ausgehen, dass diese TV-Spots ebenfalls in dieser Form unverändert weiter gesendet worden sind.

Die Schuldnerin hat daher sowohl hinsichtlich ihrer Webseite als auch hinsichtlich ihrer TV-Spots schuldhaft gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, so dass gegen sie ein Ordnungsgeld festzusetzen war, § 890 ZPO.

4.
Selbst wenn man unterstellt, dass die Schuldnerin tatsächlich davon ausgegangen war, dass das OLG ihrem Einstellungsantrag stattgibt, hätte sie nicht einfach die ihr verbotene Aussage weiter werblich verwenden dürfen. Die unveränderte Verwendung zeigt, dass ihr nicht daran gelegen war, dem gerichtlichen Gebot gerecht zu werden. Aufgrund der Weiterverwendung in TV-Spots und auf ihrer Internetseite hat sie mindestens grob fahrlässig gegen das Verbot verstoßen. Unter Berücksichtigung der bundesweiten Ausstrahlung der TV-Spots und der bundesweiten Erreichbarkeit von Internetauftritten, des Interesses der Schuldnerin an der Fortsetzung des Verstoßes im Verhältnis zu den Kosten der Abänderung sowie unter Berücksichtigung des Verhaltens der Schuldnerin nach Ablehnung ihres Einstellungsantrags erscheint ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000 EUR angemessen, die Verstöße zu ahnden und die Schuldnerin dazu zu bewegen, sich in Zukunft an das gerichtliche Verbot zu halten. Ihr Verhalten nach der Entscheidung des OLG Köln zeigt, dass sie auch in voller Kenntnis des Verbots und der Vollstreckbarkeit, nur sehr zögerlich und nacheinander einzelne Ebenen der Webseite zu ändern begonnen hat und gerade nicht unverzüglich alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem gerichtlichen Unterlassungsgebot zu genügen.

5.
Die Kammer hält vor diesem Hintergrund ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,00 EUR für ausreichend, aber auch erforderlich, um einerseits den zumindest grob fahrlässigen Verstoß der Schuldnerin mit seinen erheblichen, bundesweiten Auswirkungen zu ahnden und die Schuldnerin andererseits anzuhalten, das gerichtliche Unterlassungsgebot künftig zu befolgen. Da aus ihrer Sicht, bereits die Produktion eines neuen Werbefilms erhebliche Kosten von über 200.000 EUR verursacht, kann nur ein erhebliches Ordnungsgeld, die Schulderin anhalten, sich in Zukunft an das gerichtliche Verbot zu halten.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891, 91 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 EUR
Kehl
Dr. Schäfer
Chang-Herrmann

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