LG Köln: Wenn die Spiegelung eines fremden Videos die Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt

veröffentlicht am 31. Juli 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Köln, Urteil vom 10.06.2009, Az. 28 O 173/09
§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG

Das LG Köln hatte zu entscheiden, wann ein Video-Portal, welches fremde Videos hostet, für Persönlichkeitsverletzungen, die in solchen fremden Videos begründet sind, haftet. Im vorliegenden Fall wurde eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin anerkannt. Ob die Verfügungsbeklagte sich die streitgegenständlichen Äußerungen aufgrund der optischen Präsentation zu eigen gemacht habe, könne offen bleiben, da sie jedenfalls infolge ihrer Untätigkeit nach der Löschungsaufforderung als Störerin passivlegitimiert sei.

Die Passivlegitimation richte sich nach der allgemeinen Störerhaftung. Die für Livesendungen in Rundfunk und Fernsehen geltenden medialen Privilegierungen erstreckten sich nicht auf im Internet wiedergegebene Wiederholungen, denn Internetangebote seien – wie etwa auch Aufzeichnungen im Fernsehen – dem nachträglichen Zugriff des Anbieters in keiner Weise entzogen (BGH GRUR 2007, 724). Auch die Haftungsprivilegien des TMG seien auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar (BGH NJW 2004, 3102).

Als Störer hafte demnach auf Unterlassung, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beitrage (vgl. BGH, NJW 2004, 3102). Die Haftung des Störers setze jedoch die Verletzung von Prüfungspflichten voraus (vgl. BGH, NJW 2001, 3265). Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung zuzumuten sei (vgl. BGH, NJW 2004, 2158). Hierbei seien die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen habe oder vornehme, zu berücksichtigen (vgl. LG Berlin, MMR 2005, 786). Die gebotene Überprüfung könne bei Zweifel zu einer Rückfragepflicht bei der Rechtsabteilung führen (vgl. BGH GRUR 1990, 1012).

Eine Störerhaftung für Hyperlinks könne etwa dann begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrecht erhalten bleibe, obwohl nach einer Abmahnung oder Klageerhebung eine zumutbare Prüfung ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt werde (vgl. BGH, NJW 2004, 2158).

Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichterten, dürften im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit an die nach den Umständen erforderliche Prüfung allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im „World Wide Web“ ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien praktisch ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, NJW 2004, 2158).

Der Betreiber einer Suchmaschine etwa brauche keine umfangreiche Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen; ihm werde lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der angemahnte Eintrag auf der Trefferliste aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen sei (vgl. LG Berlin, MMR 2005, 786). Wie intensiv die Prüfung eines Suchmaschinenbetreibers sein müsse, hänge davon ab, wie genau die Verstöße konkretisiert seien (vgl. OLG Nürnberg, MMR 2009, 131).

Auch dem Betreiber eines Bezahlsystems sei ohne Weiteres eine Prüfung zumutbar, wenn der Betroffene im Wege einer Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte Inhalte konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend mache. In einem solchen Fall brauche der Betreiber jedoch ebenfalls keine umfangreichen Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen. Auch ihm werde lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der angemahnte Beitrag aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. LG Berlin, ZUM-RD 2005, 148).

Die mit einer sachlichen Begründung untermauerte Behauptung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründe jedenfalls eine Prüfungspflicht (vgl. OLG Nürnberg, MMR 2009, 131).

Nach diesen Grundsätzen habe die Verfügungsbeklagte hier gegen die ihr obliegende Prüfungspflicht verstoßen. Denn der Verfügungsbeklagten werde auf die Behauptung einer Rechtsverletzung gerade keine Löschungsverpflichtung sondern „nur“ eine Prüfungspflicht auferlegt. Hierdurch würden die Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten und die Informationsfreiheit der Nutzer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, sondern es werde ein angemessener Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen herbeigeführt.

Anhand der Abmahnung habe die Verfügungsbeklagte feststellen können und müssen, dass die Verfügungsklägerin bei unterstellter Unwahrheit der Tatsachenbehauptung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wäre und hätte folglich in einem zweiten Schritt auch die dargelegte Unwahrheit prüfen müssen.

Die Verfügungsklägerin habe die konkrete Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Löschungsaufforderung schlüssig dargelegt und sachlich begründet. Insbesondere habe sie die Unwahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht pauschal behauptet, sondern hinreichend dargelegt.

Dabei könne dahinstehen, in welchem Umfang die Verfügungsbeklagte die Unwahrheit der streitgegenständlichen Äußerung hätte prüfen müssen, da jedenfalls das Ausbleiben jedweder Prüfung eine Störerhaftung begründet habe. Dabei könne auch gegenüber einem Störer bei Begründung und Bestimmung einer Prüfungspflicht hinsichtlich der Unwahrheit einer verletzenden Tatsachenbehauptung von dem Betroffenen nicht verlangt werden, dass er die Unwahrheit mittels eines Titels gegen den Äußernden oder einer Unterlassungserklärung darlegen müsse. Solch hohe Voraussetzungen würden das allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen, da dieser gegen ihn verletzende Äußerungen – insbesondere im Internet – schnell und effektiv vorgehen können müsse; dies beinhaltet auch das parallele Vorgehen gegen mehrere Störer, ohne dass zunächst erfolgreich gegen den Täter vorgegangen werden müsse.

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