LG Köln: Der öffentliche Verkauf von rechtskräftigen Forderungstiteln auf einer Titelbörse ist zulässig

veröffentlicht am 22. März 2010

LG Köln, Urteil vom 17.03.2010, Az. 28 O 612/09
§§ 823 Abs. 2; 1004 BGB; § 4 Abs. 1; § 29 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BDSG

Das LG Köln hat entschieden, dass der Schuldner zweier rechtskräftig titulierter Forderungen nicht verhindern kann, dass diese Daten auf einer Titelbörse veröffentlicht werden. Die Beklagte betrieb im Internet unter www…..com ein als „Titelbörse“ bzw. „Die Titelbörse“ bezeichnetes Online-Portal, über welches titulierte Forderungen gehandelt wurden, wobei die Beklagte selbst in die Kaufverhandlungen nicht involviert war und hierfür auch keine Provisionen erhielt. Auf der Plattform wurden insbesondere Titel deutscher Schuldner gehandelt.

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1 BDSG durch deren Übermittlung an die anfragenden Nutzer der Internetseite www…..com zu. Diese Übermittlung sei vielmehr nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BDSG zulässig.

3. Bei den veröffentlichten Daten des Klägers handelt es sich um Daten i. S. d. § 3 BDSG, deren Veröffentlichung der Kläger nicht gem. § 4 Abs. 1 BDSG zugestimmt habe. Grundsätzlich stellte eine von den Vorschriften des BDSG nicht gedeckte Erhebung, Verarbeitung oder Übermittlung personenbezogener Daten zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BGH, 22.05.1984 – VI ZR 105/82, NJW 1984, 1886; vgl. auch Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Auflage 2006, § 1 RN 6 u. § 35 RN 25 f.). Jedoch liege eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht dann nicht vor, wenn gemäß § 4 Abs. 1 BDSG die Erhebung, Verbreitung und Nutzung personenbezogener Daten unabhängig von einer Einwilligung des Betroffenen zulässig sei, nämlich wenn diese durch das BDSG oder eine andere Vorschrift erlaubt sei.

Als solche Rechtsvorschrift greife vorliegend § 29 Abs. 2 BDSG ein, die eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 1 BDSG darstelle. Danach ist das Übermitteln geschäftsmäßig erhobener, gespeicherter oder veränderter personenbezogener Daten, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandelt dient zulässig, wenn der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse hieran habe, es sei denn, dass ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung überwiege. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Für den Ankauf des Titels müssten sich Titelverkäufer und Titelinteressent unmittelbar miteinander auseinandersetzen. Für die Übermittlung der vollständigen Daten des Titelschuldners erhält die Beklagte zwar eine Gebühr von 2,00 EUR von dem Titelinteressenten. Ob der Titelinteressent sich dann mit dem Titelgläubiger über einen Ankauf des Titels einige, liege jedoch nicht im Herrschaftsbereich der Beklagten. Eine Abschlussgebühr für den Titelverkauf, eine Provision auf die Beitreibung des Titels oder Ähnliches erhalte sie zudem nicht. Die Beklagte übermittele die Titeldaten auch gerade nicht an die Titelinteressenten, um selbst offene Forderungen eintreiben zu lassen.

Der Geschäftszweck der Beklagten sei daher – da sie mit dem Verkauf bzw. Ankauf der Titel und der weiteren Forderungsbeitreibung nichts weiter zu tun habe – lediglich die Übermittlung von Titeldaten, um hierdurch den derzeitigen Titelinhaber und den Kaufinteressenten zusammenzubringen. Dabei flössen ihr die Titeldaten von außen zu, da Dritte, die Titelgläubiger, sie in ihre Datenbank einstellten. Für die Einstellung der Daten zum Titel auf ihrer Internetseite und die Übermittlung der vollständigen Titeldaten erhalte die Beklagte jeweils eine Gebühr. Die Daten würden somit zu einer Ware für die Beklagte, nur für die Verarbeitung der Daten erahlte sie sowohl Gebühren als auch eine Rückmeldung ihrer registrierten Nutzer. Diese nutzten die Plattform der Beklagten wegen dieser Daten, um möglicherweise dann ohne die Beklagte über den Ankauf der „Ware Schuldtitel“ untereinander zu verhandeln.

Die Datenübermittlung an die Titelkaufinteressenten durch die Beklagte greife nicht rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in Form seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung ein. Denn es sei ein berechtigtes Interesse von Dritten an den streitgegenständlichen Schuldtiteldaten gegeben, § 29 Abs. 2 Nr. 1 BDSG, während ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Übermittlung dieser Daten angesichts der konkreten Gestaltung des Angebots der Beklagten nicht angenommen werden könne, § 29 Abs. 2 Nr. 2 BDSG.

Die durchzuführende Gesamtabwägung ergebe für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt, dass das Interesse der registrierten Nutzer an den übermittelten Daten berechtigt sei und kein Grund zu der Annahme bestehe, dass das Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Übermittlung bei Abwägung zwischen seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, dem Recht der Beklagten auf Berufsfreiheit nach Art 12 Abs. 1 GG und der Interessen der Titelkaufinteressenten schutzwürdig wäre.

Ein berechtigtes Interesse Dritter an der Kenntnis der personenbezogenen Daten eines anderen könne nur insoweit vorliegen, als die Kenntnis für die vom Empfänger beabsichtigten Ziele und Zwecke erforderlich sei. Es fehle stets für solche Informationen, die der Empfänger nicht benötige. Die Ziele und Zwecke des Empfängers müssten dabei aber von der Rechtsordnung nicht ausdrücklich geschützt sein, so dass auch rein wirtschaftliche Interessen genügen könnten (BGH, 22.05.1984, Az. VI ZR 105/82, NJW 1984, 1886). Je nach der Zweckbestimmung eines Auskunftssystems sei der Empfängerkreis von vorneherein so festzulegen, dass hierzu nur solche gehörten, bei denen ein solches Interesse vorliegen könne (Gola/Schomerus, a. a. O., § 29 Rn. 21). Ein solches Interesse sei durch die Ausführungen der Beklagten zu ihrem Geschäftszweck, ihren Kunden und den Sicherungsmechanismen ihrer Plattform anzunehmen.

Es werde im Rahmen des kostenfreien Angebots nur ein begrenzter Datensatz verfügbar gemacht (voller Name, Wohnort, die ersten drei Ziffern der Postleitzahl). Soweit diese persönlichen Daten jedoch verfügbar gemacht und übermittelt würden, bestehe ein berechtigtes Interesse der Titelkaufinteressenten hieran.

Eine listenmäßige Anzeige von Daten, nach denen ein registrierter Nutzer nicht selbst gesucht hat, finde auf der Plattform der Beklagten nicht statt.

Außerdem ziele die Plattform der Beklagten offensichtlich auf die Übermittlung von Titelinformationen an Titelkaufinteressenten und nicht an neugierige Dritte. Der Kläger bestreite die Sicherungsmechanismen der Beklagten nicht. Diese seien indes schon darauf ausgerichtet, nur Titelkaufinteressenten (bzw. Titelverkäufer) als registrierte und damit zugangsberechtigte Nutzer in der Plattform einzubinden. Hierfür bedürfe es eines umständlichen, postalischen Registrierungsprozesses unter Angabe der Adressdaten des Nutzers und der Zusicherung des Nutzers, die Daten vertraulich zu behandeln. Die Freischaltung erfolge erst, nachdem die postalisch an den Nutzer versandte Registrierungsvereinbarung nebst Vertraulichkeitsvereinbarung zu den Daten erneut auf dem postalischem Wegen an die Beklagte zurückgelangt sei. Die Beklagte habe damit dem Empfängerkreis der übermittelten Daten durch diese Sicherungsmaßnahmen sowie die Gestaltung ihrer Internetauftrittes selbst, welcher sehr sachlich gestaltet ist, eindeutig festgelegt und zwar auf solche Nutzer, die Titel tatsächlich (ggf. gewerblich) aufkaufen wollten.

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