LG Mönchengladbach: Wenn die negative Feststellungsklage Vorrang vor der Leistungsklage hat

veröffentlicht am 20. September 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Mönchengladbach, Urteil vom 21.06.2010, Az. 8 O 18/10
§ 296a ZPO; § 12 Abs. 1 S. 2 UWG; § 826 BGB, § 678 BGB

Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass eine Leistungsklage keinen Vorrang gegenüber einer zuvor im gleichen Verhältnis erhobenen negativen Feststellungsklage hat, wenn sie zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Feststellungsklage noch  nicht anhängig war. Darüber hinaus entfiele das Feststellungsinteresse bei früherer Anhängigkeit der Leistungsklage aber auch dann nicht, wenn der Feststellungsrechtsstreit zu diesem Zeitpunkt schon entscheidungsreif sei und es deshalb einer sinnvollen Prozessökonomie widerspräche, den Feststellungskläger auf das gerade erst beginnende Leistungsverfahren zu verweisen. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Mönchengladbach

Urteil

Es wird festgestellt, dass kein Anspruch der Beklagten zu 2. gegen den Kläger aus der Abmahnung vom 18.9.2009 auf Unterlassung und Erstattung der Rechtsanwaltskosten besteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. voll, der Beklagten zu 2. zu 7 % und jeweils 14 % der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Die Beklagte zu 2. trägt jeweils 86 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie 93 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger betreibt ein privates sogenanntes „Blog“ unter der Internetadresse „….“, in dem er über Themen rund ums Internet berichtet. Die Beklagte zu 2. betreibt ein Reiseunternehmen. Sie führt die Dienstleistungen eines Reisebüros aus und veranstaltet auch eigene Reisen.

Der Kläger berichtet in seinem Blog unter anderem über Gewinnspiele. Im Blog werden Unternehmen kritisiert, die Gewinnmitteilungen per E-Mail an Empfänger zusenden, die wiederum auf einen Link klicken müssen, um den vermeintlichen Gewinn zu bestätigen. Oft werde bei solchen „Gewinnen“ eine Vorabzahlung für die verschiedensten Dinge gefordert, die die Reise erheblich verteuerten. Darüber hinaus hätten die Mailempfänger in den meisten Fällen auch nicht an einem Gewinnspiel teilgenommen. In diesem Zusammenhang wird in dem Blog auch über die Beklagte zu 2. berichtet.

Mit Schreiben vom 18.9.2009 ließ die Beklagte zu 2. den Kläger abmahnen. Der Kläger wurde aufgefordert es zu unterlassen, über die Beklagte zu 2. unwahre Tatsachen zu behaupten, insbesondere folgende Tatsachenerklärungen zu unterlassen:

die Angebote der Unterlassungsgläubigerin seien „überteuert“,
es handele sich um „Geldmacherei“,
die Gewinner würden „gelinkt“,
die Dienstleistung der Unterlassungsgläubigerin sei „Nepp“,
die Unterlassungsgläubigerin ziehe „den Leuten Geld aus der Tasche“,
es gäbe einen „Haken“,
es handele sich um reine „Verkaufsveranstaltungen“,
das Angebot sei „Abzocke“ oder „Mist“,
„alte Menschen würden gnadenlos ausgenommen“ und
bei Absage der Reise müssten Stornogebühren in Höhe von 300,00 Euro bezahlt werden.

Der Kläger behauptet, die von der Beklagten zu 2. aufgelisteten angeblichen Behauptungen seien in den Blogbeiträgen so überhaupt nicht zu finden. In der Abmahnung würde lediglich eine „gefühlte Zusammenfassung“ wiedergegeben, die so jedoch wörtlich nicht in den Beiträgen zu finden seien.

Der Kläger begehrt nun Feststellung, dass der Beklagten zu 2. kein Anspruch auf Unterlassung und Erstattung der Rechtsanwaltskosten bestehe. Außerdem verlangt er den Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die zur Abwehr der gegnerischen Abmahnung angefallen seien.

Der Kläger beantragt,

1.

festzustellen, dass kein Anspruch der Beklagten zu 2. gegen den Kläger aus der Abmahnung vom 18.9.2009 auf Unterlassung und Erstattung der Rechtsanwaltskosten besteht.

2.

nach erfolgter Feststellung die Beklagten zu 1. und 2. zu verurteilen, an ihn die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe des 1,3fachen Satzes nach RVG VV 2300 zuzüglich Auslagenpauschale – berechnet auf einen Streitwert in Höhe von 10.000,00 Euro – zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten und legen dies im Einzelnen dar, dass die Beklagte zu 2. als seriöses Reiseunternehmen mit der sogenannten „Gewinnspielmasche“ nichts zu tun habe. Da sie nicht zu solchen dubiosen Veranstaltern gehöre, sei es für die Beklagte zu 2. von elementarer Bedeutung, daran keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Deshalb sei die Abmahnung erforderlich gewesen. Die in der Abmahnung genannten Behauptungen habe der Kläger unter den Überschriften „…… und Reisegewinne“ und „…… liest offensichtlich das Blog bei uns mit“ veröffentlicht oder veröffentlichen lassen. Ein nicht unerheblicher Teil der Beiträge sei unzutreffend, verleumderisch und geschäftsschädigend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig und begründet.

Da die Beklagte Rechte aus ihrem Abmahnschreiben vom 18.9.2009 herleitet, hat der Kläger ein Feststellungsinteresse dahingehend, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien aus dem Abmahnschreiben vom 18.9.2009 nicht besteht.

Das Feststellungsinteresse ist auch nicht entfallen.

Soweit die Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 04.06.2010 vorträgt, sie habe in dieser Sache eine Leistungsklage am 02.06.2010 bei dem Landgericht Essen anhängig gemacht, ist dies gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Nach § 296a ZPO können Angriffs-und Verteidigungsmittel nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, nicht mehr vorgebracht werden.

Es besteht auch kein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte zu 2. im Hinblick darauf, dass der Rechtsstreit zwischen den Parteien bereits seit Anfang November 2009 anhängig ist, nicht bereits früher eine Leistungsklage erhoben hat.

Im Übrigen ist bei der Frage, ob das Feststellungsinteresse für eine (negative) Feststellungsklage besteht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (BGHZ 99,340, Juris, Rn. 12).

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war die Leistungsklage noch nicht anhängig.

Im Übrigen entfällt das Feststellungsinteresse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch dann nicht (bei Anhängigkeit der Leistungsklage), wenn der Feststellungsrechtsstreit (wie hier) zu diesem Zeitpunkt schon entscheidungsreif ist, und es deshalb einer sinnvollen Prozessökonomie widerspräche, den Feststellungskläger auf das gerade erst beginnende Leistungsverfahren zu verweisen.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Die Beklagte zu 2. hat keinerlei Rechte aus der Abmahnung. Solche hätte sie nur dann, wenn dem Kläger ein wettbewerbswidriges Verhalten oder ein sonstiges, die absoluten Rechte der Beklagten zu 2. verletzendes Verhalten (§ 823 BGB) vorgeworfen werden könnte. Die ist hier aber nicht der Fall.

Auch bei einer negativen Feststellungsklage verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Verletzte die rechtsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat, der Verletzer dagegen diejenigen Umstände, die den rechtsbegründenden Tatsachen ihre Bedeutung oder Grundlage nehmen.

Hier hat die Beklagte zu 2. nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass der Kläger die oben näher beschriebenen Äußerungen getan hat oder ihm diese zuzurechnen sind. Die Beklagte zu 2. beschränkt sich darauf vorzutragen, dass diese Äußerungen im Blog des Klägers gefallen seien. Wo und in welchem Zusammenhang diese Äußerungen gemacht worden sind, trägt die Beklagte zu 2. dagegen nicht vor. Dieses wäre aber erforderlich gewesen. Denn nur im Kontext mit anderen Äußerungen und anderen Umständen kann entschieden werden, ob die beanstandeten Äußerungen wettbewerbsrechtlich relevant sind. Insbesondere muss festgestellt werden, ob es sich bei bestimmten Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder um Werturteile handelt, bei denen die Voraussetzungen und Konsequenzen für das wettbewerbsrechtliche Verhältnis zwischen den Parteien unterschiedlich sein können. Soweit die Beklagte zu 2. auf den Internetausdruck Bezug nimmt, genügt dies nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag. Der Ausdruck besteht aus über 40 Seiten. Die Kammer ist nicht verpflichtet, sich aus diesen mehr als 40 Seiten das herauszusuchen, das möglicherweise den Vortrag der Beklagten zu 2. stützt. Darauf ist die Beklagte zu 2. – insoweit nicht protokolliert – in der mündlichen Verhandlung vom 17.5.2010 auch hingewiesen worden. Die Reaktion der Beklagten zu 2. darauf war, dass sie mehr dazu nicht sagen könne.

Da nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger wettbewerbswidrig gehandelt hat, stehen der Beklagten keinerlei Rechte aus der Abmahnung vom 18.9.2009 zu.

Ein Zahlungsanspruch steht dem Kläger dagegen nicht zu.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde Ersatz der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, die zur Abwehr einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung erforderlich gewesen seien.

Ein Anspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG besteht nicht. Diese Vorschrift ist weder unmittelbar noch analog anwendbar auf die Kosten, die der vermeintliche Schuldner aufwenden muss, um eine unbegründete Abmahnung abzuwehren (Köhler/Bornkamm UWG, 28. Auflage, § 12 Rn. 1. 78a).

Der Kläger kann von den Beklagten auch keine Zahlung gem. § 826 BGB verlangen. Ein solcher materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch kommt nur ganz ausnahmsweise in Missbrauchsfällen in Betracht. Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht vorgetragen. Soweit er behauptet, die Abmahnung der Beklagten diene ausschließlich zur Gewinnerzielung der dadurch entstehenden Anwaltskosten, es gehe hier nur um Einschüchterung, ist dies substanzlos. Es fehlen jedwede Einzelheiten dazu, die den Vortrag des Klägers stützen könnten.

Aus den gleichen Gründen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung gem. § 678 BGB zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert:

hinsichtlich der Beklagten zu 2.: 10.800,00 Euro

hinsichtlich des Beklagten zu 1.: 800,00 Euro

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