LG München: Provider muss nicht IP-Adressen von vermeintlichen Filesharern auf Zuruf speichern

veröffentlicht am 8. Dezember 2011

LG München I, Beschluss vom 20.08.2011, Az. 21 O 7841/11
§ 101 Abs. 2 UrhG, § 101 Abs. 9 UrhG

Das LG München I hat entschieden, dass § 101 UrhG kein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, wonach Internetprovider „auf Zuruf“ IP-Daten zu speichern haben. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht München I

Beschluss

In dem Rechtsstreit

gegen
….

wegen einstweiliger Verfügung

erlässt das Landgericht München I – 21. Zivilkammer – durch …. am 01.08.2011 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 4 ZPO folgenden

Beschluss

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.04.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin, die glaubhaft macht, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an einer Reihe von Filmen, darunter den Filmen … zu sein, den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin geboten werden soll, auf Zuruf IP-Adressen zu speichern, die die Antragstellerin als solche von Kunden dar Antragsgegnerin ermittelt, die im Rahmen der Teilnahme an illegalen Tauschbörsen einen dieser drei Filme ganz oder teilweise uploaden.

Die Antragstellerin wertet zahlreiche Filme, darunter die genannten, in Deutschland in den jeweiligen Auswertungsstufen exklusiv aus und hat zur Ermittlung illegaler Dateiangebote in Tauschbörsen die Firma X GmbH in L beauftragt. Diese hat im April eine Reihe von IP-Adressen ermittelt, unter denen im Rahmen der Teilnahme an illegalen Tauschbörsen einer der drei oben genannten Filme im Internet angeboten wurde. Diese IP-Adressen sind nach dem Vortrag der Antragstellerin der ehemaligen H zugeordnet gewesen und jetzt dem Label „A“ der Antragsgegnerin zugeordnet. Sie bezieht sich insoweit auf die entsprechen RIPE-Eintragungen.

Die Antragsgegnerin hat in einem Merkblatt „Urheberrechtsanfragen“ nach § 101 UrhG vom 01.04.2011 mitgeteilt, dass die Adressen, die der ehemaligen H zuzuordnen sind, im Gegensatz zu den Adressen, die der … zugeordnet sind, generell nicht gespeichert werden.

In der 14. Kalenderwoche 2011 haben die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin im Auftrag verschiedener Rechteinhaber stündlich und damit auch innerhalb der jeweils laufenden Internetverbindung Aufforderungen zur Sicherung der Daten an die Antragsgegnerin gerichtet, darunter auch die in AST 8 aufgeführten Schreiben, mit denen auf ermittelte Rechtsverletzungen im Umfang der Anlage AST 3 hingewiesen wurde. Die Antragsgegnerin hat sich nicht dazu geäußert, ob sie die Daten der konkret benannten Rechtsverletzungen gelöscht hat oder nicht, sondern nur auf die allgemeine Praxis der früheren H verwiesen (Anlage AST 9).

Die Antragstellerin ist der Auffassung, es bestehe anschließend an die Begründung des Oberlandesgerichts Hamburg im Verfahren 6 U 60/09 (NJOZ 2010, 1222 – Datenverwendung) ein gesetzliches Schuldverhältnis aufgrund der Regelung des § 101 Abs. 2 UrhG, das sich konkretisiere, wenn die Antragsgegnerin über die Rechtsverletzungen in Kenntnis gesetzt werde. Ab diesem Zeitpunkt habe sie die Pflicht, alles zu tun oder zu unterlassen was zumutbar und erforderlich sei, um der Auskunftsverpflichtung nachzukommen.

Eine vorherige gerichtliche Überprüfung bzw. Anordnung sei bei dieser Speicherpflicht nach §§ 96 TKG, 101 UrhG, 242 BGB gerade nicht vorauszusetzen. Sie bezieht sich dabei auch auf die Entscheidung des Landgerichts München I vom 14.42009, Az. 7 O 5535/09.

Ein Richtervorbehalt bestehe nicht, was aus dem Wortlaut des § 101 Abs. 9 UrhG folge. Ein rechtzeitiger vorheriger Erlass gerichtlicher Sicherungsanordnungen sei im Hinblick auf die Speiercherpraxis der Antragsgegnerin praktisch auch nicht möglich, da die Gerichte dann gezwungen wären, nahezu stündlich und jeweils innerhalb weniger Minuten nach Antragstellung unzählige einstweilige Anordnungen auf Datensicherung zu erlassen, die darüber hinaus innerhalb weniger Minuten der Antragsgegnerin zugestellt werden müssten.

Aufgrund dieser Tatsache sei eine vorbeugende gerichtliche Geltendmachung erforderlich, die mit dem vorliegenden Antrag verfolgt werde. Die Sicherung der Daten auf Zuruf sei möglich und zumutbar, da bei der Antragsgegnerin als DSL-Provider für die Dauer der Internetverbindung, höchstens für 24 Stunden, eine konstante Verbindung gehalten werde; dass Sicherungsaufforderungen selbst nach einigen Stunden nicht ins Leere liefen, zeige der vorstehend zitierte Fall in Hamburg. Die Sicherung sei auch zumutbar, da ein möglicherweise entstehender personeller Mehraufwand zu einem entsprechenden Anspruch der Antraggegnerin gegen die Antragstellerin auf Aufwendungsersatz aus § 101 Abs. 2 Satz 3 UrhG führe.

Auch datenschutzrechtliche Bedenken bestünden nicht, da das bloße Vorhalten von Daten einen äußerst geringen Eingriff darstelle, weil in diesem Stadium keinerlei irreparable Beeinträchtigungen der Rechte der betroffenen Kunden drohten. Die Antragstellerin bezieht sich insoweit auf das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 256/08, Rdn. 148 ff. vom 11.03.2008).

Eine eigene Rechtsgrundlage für die Speicherung der zur Auskunftserteilung notwendigen Daten sei nicht erforderlich, da diese Speicherung denklogisch zwingend eine notwendige Vorstufe der Auskunftserteilung darstelle und deshalb – soweit die Auskunftserteilung selbst gerechtfertigt sei – stets ebenfalls gerechtfertigt sei. Sie bezieht sich insoweit auf einen Aufsatz von Ladeur, NJOZ 2010, 1606.

Mit der Tatsache, dass der eigentlichen Auskunftserteilung zwingend ein gerichtliches Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG vorausgehe, sei den datenschutzrechtlichen Belangen der Betroffenen hinreichend Rechnung getragen. Die Antragstellerin bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 02.03.2010, 1 BvR 256/08 in den Teilziffern 254 ff. zu Auskunftsansprüchen gegenüber Dienstanbietern durch Behörden.

Hilfsweise stützt sie die Speicherverpfichtung auf eine bestehende Störerhaftung.

Ergänzend hat sie noch nach Übermittlung der Schutzschrift vorgetragen, dass zahlreiche der ermittelten IP-Adressen sich über Stunden nicht verändert hätten, sondern stattdessen wiederholt bzw. dauerhaft für illegale Angebote der hier verfahrensgegenständlichen Werke genutzt worden seien.

Sie verfolge keine generelle Speicherverpflichtung der Antragsgegnerin, sondern ausschließlich eine Speicherung auf Zuruf im Falle einer festgestellten konkreten Verletzung.

Die Sicherungspflicht ergebe sich nicht nur aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, sondern auch aus einer weiteren Sonderbeziehung zwischen den Parteien, die daraus folge, dass der Antragsgegnerin ab dem Zeitpunkt der Kenntnisverschaffung bewusst sei, dass der Internetanschluss eines ihrer Kunden gegenwärtig für Urheberrechtverletzungen missbraucht werde.

Die Datenlöschung für mindestens sieben Tage sei auch nach den datenschutzrechtlichen Grundsätzen erlaubt und hinsichtlich möglicher technischer Störungen unter Umständen sogar erforderlich. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Löschung unmittelbar nach Verbindungsende bestehe nicht.

Die Antragsteilerin hat noch darauf hingewiesen, dass sich im Internet die Äußerungen in Foren dahingehend häuften, zu Providern wechseln zu wollen, die behaupten, die Verbindungsdaten nicht zu speichern, da dann die Ermittlung von Verletzungen nicht möglich sei, und dass tatsächlich bei derartigen Providern der Anteil verletzender Inhalte am Datenverkehr erheblich höher sei als bei den Providern, die Daten speichern und somit Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG ermöglichten.

Die Antragsgegnerin hat eine Schutzschrift zu den Akten gereicht, in der sie auf § 96 Abs. 1 Satz 3 TKG hingewiesen hat, wonach gespeicherte Verkehrsdaten nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen sind. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, es nicht möglich, nach Beendigung einer Internetverbindung noch zu rekonstruieren, welchen Kunden eine IP-Adresse zugeordnet sei. Darüber hinaus fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da das Vorgehen der Antragstellerin – die Versendung von bisher 18 E-Mails mit dem identischen Text – rechtsmissbräuchlich sei, da die Antragstellerin versuche, bei der Antragsgegnerin einen enormen Verwaltungsaufwand dadurch zu verursachen, dass jeweils im Stundentakt einige IP-Adressen gemeldet würden, statt Anfragen zu bündeln.

Dazu bestreitet sie die Rechtsinhaberschaft der Antragstellerin. Sie bestreitet auch das gewerbliche Ausmaß der jeweiligen Verletzungen. Sie bezieht sich zur Unterst?ützung ihrer Auffassung auf die Rechtssprechung der Oberlandesgerichte Frankfurt, Hamm und Dü?sseldorf, wonach es mangels gesetzlicher Grundlage keinen Anspruch des Auskunftsgläubigers nach § 101 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 UrhG auf die die Auskunft erst ermöglichende Speicherung gebe.

II.

A.
Das Verfügungsverfahren ist zulässig, da kein Vorrang eines Verfahrens nach FamFG besteht; die Kammer nimmt insoweit auf OLG Hamburg, MMR 338, 339 , Ziff. 2 – Urheberrechtlicher Anspruch auf Drittauskunft und LG München I, MMR 2010, 111, 112 Bezug (a. A. v. Petersdorff-Campen zu LG München I, MMR 2010, 111, 115).

B.
Der Verfügungsantrag war aber zurückzuwelsen, da die Kammer sowohl Zweifel am Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses hat, aus dem sich die Verpflichtung zur Speicherung der Verbindungsdaten ergibt, wie auch an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Speicherung, und im Übrigen der teilweise von der Antragsgegnerin zitierten Rechtsprechung dahingehend folgt, dass die Schließung der angesichts der Praxis offensichtlich bestehenden gesetzlichen Regelungslücke dem Gesetzgeber vorbehalten ist und nicht durch die Gerichte erfolgen kann.

Im Einzelnen:

1.
Dass es sich jedenfalls bei den in einem späteren Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG mitzuteilenden persönlicher Daten des „hinter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse stehenden Nutzers um personenbezogene Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG und damit um Verkehrsdaten i. S. d. § 3 Nr. 30 TKG handelt, wird von der herrschenden Meinung – nach Auffassung der Kammer zutreffend – bejaht (BGH MMR 2011, 341 (m. Anm. Karg) unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG zur „Vorratsdatenspeicherung“ (NJW 2010, 833 [= MMR 2010, 3561; vgl. OLG Köln, a.a.O. 340; OLG Frankfurt/M. MMR 2010, 62 – Keine Datenspeicherungspflicht des Access-Providers auf Zuruf; OLG Hamm MMR 2011, 193; OLG Düsseldorf MMR 2011;546, 547 urheberrechtlicher Auskunftsanspruch „auf Zuruf“).

2.
Dass dies auch hier gilt, mag angesichts des Vortrags der Antragstellerin in nachgereichten Schriftsatz zur Schutzschrift betreffend die langfristige Verwendung jeweils einzelner IP-Nummern in mehreren Fällen zwar zweifelhaft sein; der Kammer ist aber bekannt, dass Provider je nach dem Charakter der Kundenbeziehung teils dynamische, teils statische IP-Nummern vergeben, sodass davon auszugehen ist, dass im vorliegenden Verfahren jedenfalls auch die Speicherung dynamischer IP-Nummern auf Zuruf begehrt wird.

2. [wohl 3.]
Das OLG Hamburg (MMR 2010, 338 – Urheberrechtlicher Anspruch auf Drittauskunft) hat die Speicherungspflicht mit folgenden Erwägungen bejaht:

a)
Es hat das Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhälthisses aus der sich gem. § 101 Abs. 2 Nr, 3 i.V.m. Abs. 3 UrhG ergebenden (materiellrechtliche) Auskunftsverpflichtung in der Form einer wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung eigener Art entsprechend BGH GRUR 1987, 54, 55 – Aufklärungspflicht des Abgemahnten angenommen und hieraus die Verpflichtung angenommen, die Daten nicht zu löschen, nachdem die dortige Antragsgegenerin auf den konkreten Verbindungsvorgang hingewiesen worden war.

b)
Zur Verhinderung eines derartigen Verstoßes sei die Ast. gem. §§ 1004 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. den o.g. Vorschriften berechtigt, die Ag. vorbeugend auf weiteres Vorhalten der Daten in Anspruch zu nehmen, da sie durch die fehlende Bereitschaft, die Daten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anordnungsverfahrens vorzuhalten eine Erstbegehunggefahr für eine Löschung gesetzt habe.

c)
Datenschutzrechtlich ergebe sich das Recht zum weiteren Vorhalten der Daten aus § 96 Abs. 2 TKG i.V.m, 101 Abs. 2, 9 UrhG, da es sich bei dem Anspruch auf sog. „Drittauskunft“ gem. § 101 Abs, 2 und Abs. 9 UrhG es sich um einen „durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zweck“ i.S.v. § 96 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. TKG handle.

Ein Widerspruch zur Auffassung des OLG Frankfurt (MMR 2010, 62) bestehe nicht, da der Anspruch nur bestehe, wenn der Berechtigte gegenüber dem Provider konkret ankündige, in einem angemessen kurzen Zeitraum ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG einzuleiten.

Warum das OLG Hamburg in der nächsten Ziffer unter II 3 b dd) (2) der Urteilsgründe allerdings diese Zulässigkeit nur dann bejaht, wenn der Berechtigte gegenüber dem Provider konkret ankündigt, in einem angemessenen kurzen Zeitraum ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG einzuleiten, ergibt sich aus den auch vom OLG Hamburg zitierten Vorschriften nicht.

2. [wohl 4.]
Das OLG Frankfurt (MMR 2010, 62), das OLG Hamm (MMR 2011, 193) und das OLG Düsseldorf, (MMR 2011, 546) wie eine Mehrzahl von Stimmen in der Literatur (Maaßen, Anm. zu OLG Frankfurt, MMR 2010, 62, 63f.; Schulze zur Wiesche, Anm. zu LG Hamburg MMR 2009, 570, 574; v. Petersdorff-Campen, zu LG München I MMR 2010 111, 115; Schricker-Wimmers, UrhG, 4. Aufl., § 101 Rdn. 112 a) haben dagegen den Anspruch nicht für begründet gehalten:

a)
Alle drei Oberlandesgerichte haben den Anspruch gerade für eine Speicherung auf Zuruf, wie er hier begehrt wird und wie sie auch Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Hamburg war, nicht für gegeben gehalten, da § 101 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 UrhG keinen Anspruch auf Speicherung von Verkehrsdaten auf Zuruf begründe, sondern einen Auskunftsanspruch regle. Die verfassungsrechtliche Privilegierung nach § 101 Abs. 10 UrhG gelte nur für den Auskunftsanspruch. Die Regelung eines derartigen Sicherungsanspruchs sei dem Gesetzgeber vorbehalten.

b)
Das OLG Frankfurt a.a.O. weist darauf hin, dass ein Anspruch auf Speicherung von Verkehrsdaten auf Zuruf auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 101 UrhG, mit der Begründung, anderenfalls liefe er Auskunftsanspruch leer, gestützt werden kann, da dem Gesetzgeber bekannt war, dass die erforderlichen Informationen fehlen könnten:

Der Bundesrat hatte nämlich im Zusammenhang mit der Einführung der Vorratsdatenspeicherung darauf hingewiesen und sich für eine Berücksichtigung urheberrechtlicher Belange auch in § 113b TKG ausgesprochen (vgl BR-Drs. 798/1/07).

3.
Die Kammer folgt dieser Meinung und hält einen Verfügungsanspruch vorliegend nicht für gegeben:

a)
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Abgemahntem und Abmahner im Wettbewerbsrecht, die auch vom OLG Hamburg in der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidung in Bezug genommen wurde (vgl. II.1 der Gründe), beruht darauf, dass im Rahmen dieser Rechtsprechung eine Rücksichtnahme des Abmahnenden auf die Interessen des Störers angenommen wird, die es im Gegenzug im Wettbewerbsrecht nach Treue und Glauben erforderlich macht, den Störer als verpflichtet anzusehen, auf eine Abmahnung fristgemäß durch Abgabe einer ausreichenden Unterlassungserklärung oder deren Ablehnung zu antworten, um den Abmahnenden nicht in einen Prozess zu drängen, der für ihn möglicherweise mit unvermeidbaren ungebührlichen Kostennachteilenverbunden ist (BGH GRUR 1990, 381, 382 – Antwortpflicht des Abgemahnten).

b)
Ein Vergleich dieser Interessenlage mit der Interessenlage im vorliegenden Fall scheint der Kammer kaum möglich:

aa) Eine Verpflichtung nicht zur Antwort, sondern zur Speicherung der Daten führt nur dann zu Kostennachteilen bei den Rechteinhabern, wenn diese daraufhin richterliche Gestattungen und vorausgehende Sicherungsanordnung aufs Geratewohl beantragen und diese dann wegen Löschung der Daten ins Leere gehen.

bb)
Umgekehrt ist, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, davon auszugehen, dass ohne eine Sicherung auf Zuruf, wie sie auf durch das vorliegende Verfahren bezweckt wird (sogenannte Freeze-Anordnung) im Regelfall die Daten gelöscht sind, wenn eine gerichtliche Anordnung die Provider erreicht, so dass eine Einreichung eines solchen Antrags aufs Geratewohl auf Dauer von den Rechteinhabern unterlassen werden wird.

cc)
Dass die Konsequenz daraus ist, dass Verletzer bei derartigen Providern nicht ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden können, ist nicht Gegenstand und auch nicht Ziel eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Die Kammer sieht durchaus, dass sich de facto durch die erfolgreiche Weigerung einer Reihe von Providern, hier auch der Antragsgegnerin, die ansonsten die Verbindungsdaten sieben Tage speichert, Speicherungen der Verbindungsdaten auch im Falle von bereits festgestellten Rechtsverletzungen vorzunehmen, rechtsfreie Räume im Internet ergeben. Angesichts der enormen Datenmengen, die über illegale Tauschbörsen abgewickelt werden, bedeutet das Vorhandensein derartiger rechtsfreier Räume eine empfindliche Beeinträchtigung der allgemeinen Rechtssicherheit. Es ist auch kaum hinnehmbar, dass im Internet Teilnehmer an illegalen Tauchbörsen offen dazu aufgefordert werden, solche Provider zu wählen, die die Verbindungdaten überhaupt nicht speichern, weil sie dann nicht belangt werden können.

c)
Die begehrte Rechtsfolge erfordert aber nach dem oben ausgeführten die Schließung einer Gesetzeslücke; dies kann nach Auffassung der Kammer nicht durch Richterrecht erfolgen (so neben den oben zitierten drei Oberlandesgerichten auch etwa Maaßen, Anm. zu OLG Frankfurt, MMR 2010, 62, 63 f.; Schulze zur Wiesche, Anm. zu LG Hamburg MMR 2009, 570, 674):

aa)
Die Konstruktion einer derartigen Speicherungsverpflichtung hätte nämlich einen, wenn auch im Vergleich zur Benennung der Anschlussinhaber geringfügigeren, jedenfalls aber nicht grundrechtsirrelevanten Eingriff in die Rechte der Anschlussinhaber zur Folge. Angesichts der nicht abschätzbaren, aber jedenfalls nicht von vornherein negierbaren Gefahren dafür, dass allein die Speicherung eine Identifizierung der Anschlussinhaber durch Dritte, insbesondere durch Hackerangriffe, ermöglicht, ist besondere Vorsicht bei der begehrten Ausdehnung der Anwendung von bisher hierfür bestehenden gesetzlichen Vorschriften veranlasst, auch wenn diese offensichtlich den Zweck eines wirksamen Schutzes der Inhaber von nach dem UrhG geschützten Rechten nur unzureichend erfüllen.

bb)
Auch wenn die Zuerkennung von ergänzenden Ansprüchen, die vom Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses abweichen, gerade im gewerblichen Rechtsschutz bei der Begründung der zu Bezifferung des Schadenersatzes erforderlichen Auskunftsverpflichtung des Verletzers gemäß § 242 BGB nicht unbekannt ist, ist bei der Annahme derartiger ergänzender Ansprüche dann jedenfalls besondere Zurückhaltung geboten, wenn es sich um Bereiche handelt, in denen verfassungsmäßige Rechte Dritter betroffen sind. Da der Gesetzgeber für die nachgeschaltete Auskunft nicht nur einen Richter – sondern sogar einen Kammervorbehalt eingeführt hat – erscheint es nicht möglich, die Schließung der – angesichts des oben Gesagten im Hinblick auf die entstehenden rechtsfreien Räume eindeutig gegebenen – gesetzlichen Regelungslücke Richterrecht anzuwenden. Vielmehr hält die Kammer den Gesetzgeber für gehalten, im Rahmen des Schutzes der Eigentumsrechte der Inhaber von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten entsprechende handhabbare Vorschriften zu erlassen.

d)
Dazu kommt, dass auch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer Speicherung über die gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 1 TKG privilegierten Zwecke der Provider hinaus gesetzlich nicht geregelt ist (die Kammer geht eben nicht von einem sonstigen gesetzlichen Zweck in Form des vom OLG Hamburg angenommenen gesetzlichen Schuldverhältnisses aus) und daher sehr zweifelhaft erscheint (vgl. BGH NM 2011, 1509 = MMR 2011, 341 – Speicherung dynamischer IP-Adressen; vgl. auch die in Tz. 22 in Bezug genommene Äußerung des. Bundesdatenschutzbeauftragten).

4.
Der Verfügungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zurückzuweisen.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat telemedicus (hier). Dort wird auch darauf hingewiesen, dass die Fehler innerhalb der Gliederung auch im Original nicht korrekt sind.

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