LG Stuttgart: Die Verwendung gesetzlicher Begriffe in der Widerrufsbelehrung reicht nicht aus / Von „Fernabsatzvertrag“ bis „Verbraucher“

veröffentlicht am 9. November 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Stuttgart, Urteil vom 09.05.2008, Az. 39 O 25/08 KfH
§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG; §§ 312 c Abs. 1 Satz 1; 312 d; 355 BGB

Das LG Stuttgart hat einem Onlinehändler untersagt, bei Internetverkäufen eine Widerrufsbelehrung zu verwenden, welche die nachfolgenden Formulierungen enthält:  „Als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB steht Ihnen bezüglich der bei uns im Wege des Fernabsatzes gekauften Waren ein Widerrufsrecht zu.“ Hinweis: Dem Verfahren wurde ein Streitwert von 30.000 EUR zu Grunde gelegt. Dies dürfte jedoch in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass sich der Gebührenstreitwert aus der Addition der Summe von Klage und Widerklage ergab (§ 45 Abs. 1 GKG).

Die von der Beklagten in ihrer Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung  „Als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB steht Ihnen bezüglich der bei uns im Wege des Fernabsatzes gekauften Waren ein Widerrufsrecht zu“ verstoße gegen das Transparenzgebot des § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wonach Informationen so zu fassen seien, „dass der rechtsunkundige Durchschnittsverbraucher in der Lage sei, den Inhalt der Information ohne Einholung von Rechtsrat zu erfassen“ (MüKo-Wendehorst, BGB, 5. Aufl., 2007, § 312 c Rdnr. 85). Die Widerrufsbelehrung und sämtliche in ihr enthaltenen Formulierungen müssten danach klar und verständlich sein. Ein Beispiel für eine derartige Klarheit und Verständlichkeit liefere die Musterbelehrung gemäß Anl. 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV, wobei es insoweit darauf ankomme, wie sie ein durchschnittlicher Verbraucher verstehen könne.  Von dieser Musterbelehrung weiche die Beklagte jedoch mit ihrer Formulierung erheblich ab.

Die Formulierung „als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB“ könne vom Verbraucher so verstanden werden, dass die Beklagte nur demjenigen ein Widerrufsrecht einräumen wolle, der ihre Produkte als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB und nicht als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB kaufe, wenn er die Tatbestandsmerkmale des § 13 BGB erfülle. Der Verweis auf gesetzliche Vorschriften, deren Kenntnis nicht vorausgesetzt werden könne, soll jedoch durch das Transparenzgebot gerade verhindert werden – insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, allein § 13 BGB genannt werde, da diese Vorschrift in Abgrenzung zu § 14 BGB zu verstehen sei, welcher in der Widerrufsbelehrung jedoch keine Erwähnung finde, was das Verständnis der Belehrung erschwere und ihrer Klarheit entgegenstehe. Der Käufer müsse sich als juristische Laie die rechtliche Frage stellen, ob er Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sei, was für einen durchschnittlichen, rechtsunkundigen Verbraucher nicht von vorn herein ohne Einholung von Rechtsrat möglich sei. Es bestehe daher die Gefahr, dass der Laie vor dem Hintergrund der für ihn notwendigen Einholung von Rechtsrat auf die Ausübung seines Widerrufsrechtes von vorn herein verzichte oder deshalb nicht widerrufe, weil er fälschlicherweise der Auffassung sei, mangels Verbrauchereigenschaft stünde ihm ein Widerrufsrecht nicht zu.

Entsprechendes gelte auch im Hinblick auf die Formulierung „bezüglich der bei uns im Wege des Fernabsatzes gekauften Waren“. Auch hier liege eine von der Musterbelehrung abweichender Zusatz vor. Da es sich entgegen der Beklagtenauffassung bei dem Begriff „Fernabsatz“ durchaus um einen juristischen Fachausdruck handele, müsse sich der rechtsunkundige Laie, von dem das richtige Verständnis dieses verwendeten Fachbegriffes nicht erwartet werden könne, auch hier informieren, was unter Fernabsatz zu verstehen sei, was ihn wiederum von der Ausübung seines ihm zustehende Widerrufsrechtes abhalten könne. Die Einbeziehung derartiger juristischer Fachbegriffe in die Widerrufsbelehrung, deren Kenntnis beim rechtsunkundigen Durchschnittsverbraucher nicht vorausgesetzt werden könne, stehe der Klarheit und Verständlichkeit der Belehrung, wie sie § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB fordere, entgegen. Insoweit werde auch die Gefahr begründet, dass der Verbraucher im Zweifel auf sein Widerrufsrecht verzichten könnte, wenn er sich nicht sicher sein könne, ob der getätigte Kauf ein Fernabsatzgeschäft sei oder nicht.

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