LG Stuttgart: Gegen unberechtigte Filesharing-Abmahnung kann negative Feststellungsklage erhoben werden / Streitwert von 60.000 EUR

veröffentlicht am 14. Juli 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtLG Stuttgart, Urteil vom 11.07.2007, Az. 17 O 243/07
§ 97 Abs. 1 UrhG, § 256 Abs. 1 ZPO

Das LG Stuttgart hat darauf hingewiesen, dass der zu Unrecht Abgemahnte zwar substantiiert darzulegen hat, warum er als Täter eines Urheberrechtsverstoßes ausscheidet, dabei aber den Abmahner nicht auf konkrete Fehler (etwa Zahlendreher in der Zugangskennung) aufmerksam machen muss, bevor er gegen den Abmahner negative Feststellungsklage erhebt. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger den Beklagten mitgeteilt, dass er weder die genannten Musikdateien noch die Filesharing-Software zum fraglichen Zeitpunkt auf seinem Rechner installiert gehabt habe. Unter Vorlage von Log-Dateien teilte der Kläger weiter mit, er besitze einen virtuellen Server, auf den er am fraglichen Tag mehrmals zugegriffen habe, und zwar auf einen passwortgeschützten Bereich, meist unter dem Benutzernamen „…“. Da diesen Zugriffen die protokollierte IP-Adresse zugeordnet gewesen sei, habe die IP-Adresse nicht über seinen Anschluss genutzt werden können. Die Zuordnung der IP-Adresse zu seinem Anschluss sei offenbar fehlerhaft erfolgt und die Ansprüche der Beklagten unbegründet. Der Kläger ließ den Beklagten anwaltlich eine Frist zur Prüfung und Rücknahme ihrer Forderungen setzen und reichte nach Fristablauf Klage auf negative Feststellung der Unterlassungsansprüche ein. Dieser gab das Landgericht statt und legte der Beklagten die Kosten auf.

Der Kläger habe die Beklagten vorgerichtlich darauf hingewiesen, dass ihre Ansprüche unberechtigt seien. Unter Vorlage von Server-Logs habe der Kläger den Beklagten in seinem Schreiben vom 25.04.2007 konkret dargelegt, warum er nicht diejenige Person habe sein können, die unter der IP-Adresse … gehandelt habe. Der Kläger wies zudem darauf hin, dass die von Beklagtenseite mitgeteilte IP-Adresse … dem Standort Wesel in Nordrhein- Westfalen zugeordnet sei.

Den Beklagten hätten sich, so die Kammer, spätestens aufgrund des Schreibens des Klägers Zweifel am richtigen Gegner aufdrängen müssen, zumal sie selbst der Staatsanwaltschaft Duisburg in ihrer Strafanzeige mitgeteilt hätten, dass der Verdächtige einen Einwahlknoten im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Duisburg genutzt haben müsse, der Kläger jedoch zum fraglichen Zeitpunkt seinen Wohnsitz in … gehabt habe. Da den Beklagten die Akte der Staatsanwaltschaft Duisburg zur Einsicht vorgelegen hätte, hätten sie auch nachvollziehen können, wie es zum falschen Angriff gegen den Kläger gekommen sei. Der Kläger habe die Beklagten, nachdem er bereits im Schreiben zuvor ausführlich mitgeteilt habe, warum er nicht diejenige Person sein konnte, die die Urheberrechtsverletzung begangen hatte, nicht gesondert noch auf den Zahlendreher der Staatsanwaltschaft hinweisen müssen.

Besonders empfindlich erwies sich für die ursprünglich abmahnende Seite, dass das Landgericht einen hohen Streitwert von 60.000,00 EUR festsetzte. Der Kläger wolle mit seiner Klage festgestellt haben, dass den Beklagten keine Unterlassung- und/oder Schadensersatzansprüche aus Urheberrechtsverletzungen zustünden. Das geltend gemachte Interesse des Klägers an der Klage sei damit höher als der vergleichsweise vorgerichtlich von Beklagtenseite mitgeteilte Betrag von 3 500,00 EUR. In ihrer vorgerichtlichen Abmahnung seien die Beklagten von einem Gegenstandswert von 10 000,00 EUR je unberechtigt im Internet angebotenem Musiktitel ausgegangen. Da dem Kläger das Bereithalten von 287 Audio-Dateien in der Abmahnung vom 04.04.2007 vorgeworfen worden sei, hielt das Gericht einen Streitwert von insgesamt 60 000,00 EUR für die negative Feststellungsklage für angemessen.

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