LG Wuppertal: „Bäckerei“, in der nicht gebacken wird, ist keine irreführende Bezeichnung

veröffentlicht am 14. Oktober 2013

LG Wuppertal, Urteil vom 08.05.2013, Az. 13 O 70/12
§ 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG

Das LG Wuppertal hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Ladenlokals, in welchem Backwaren einer anderen Bäckerei angeboten werden, als „Bäckerei“ nicht irreführend ist. Nach der Verkehrsauffassung sei eine Bäckerei ein Geschäft, in welchem Backwaren erworben werden können, es müsse dort jedoch nicht zwangsläufig selbst gebacken werden. Durch die Handwerksordnung geschützt sei nur der Begriff „Bäcker“, der vorliegend jedoch nicht genutzt werde. Da der Verkehr durch die Begrifflichkeit nicht getäuscht werde, liege keine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Wuppertal

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe es ist, die Einhaltung der Regelungen des lauteren Wettbewerbs zu beachten. Die Beklagte ist Inhaberin der „Bäckerei K“ in T. Sie ist nicht in der Handwerksrolle eingetragen. Die von ihr vertriebenen Backwaren stellt die Beklagte nicht selbst her, sondern bezieht diese von der Bäckerei C in X. Die gelieferten Brötchenteiglinge backt die Beklagte selbst auf.

Im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit warb die Beklagte ursprünglich mit den Bezeichnungen „Bäckerei K“, „Bäckerei-Café“ und „Bäckerei K Ihre Familienbäckerei“.

Die Klägerin sprach mit Schreiben vom 30.09.2011 eine Abmahnung aus und forderte die Beklagte vergeblich auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf Anlage K2 d.GA verwiesen.

Die Beklagte verwendet nun jedoch nicht mehr die Bezeichnung „Bäckerei K Ihre Familienbäckerei“, sondern „Bäckerei K Ihr Familienbäckereiladen“. Mit den Begriffen „Bäckerei K“ und „Bäckerei-Café“ wirbt sie weiterhin. Die Werbeaussagen finden sich u.a. auf Werbeschildern am Geschäftslokal, einem Geschäftsfahrzeug und der Webseite der Beklagten. An der Außenwerbung des Geschäftslokals findet sich an zwei Stellen unter Verwendung des Logos der Bäckerei C ein Hinweis „frische Backwaren von: C … schmeckt man!“.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Werbeaussagen und des Internetauftritts wird auf die Anlagen K1 a) bis K1 j) zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, ein Hinweis auf die Herkunft der Backwaren von der Bäckerei C befinde sich nur am Geschäftslokal sowie auf der Webseite der Beklagten und nicht auf der gesamten Außenwerbung. Ferner seien ihr durch die Abmahnung Kosten in Höhe von 219,35 € entstanden. Wegen der Einzelheiten des Betrages wird auf die Darlegungen der Klägerin hierzu in der Klageschrift, dort S. 8ff, verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten sei gem. § 4 Nr. 11 UWG unlauter und gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 UWG irreführend. Die Beklagte rufe bei ihren Kunden die Fehlvorstellung hervor, dass sie in der Handwerksrolle eingetragen sei und dass sie das Bäckerei-Handwerk selbst ausübe und nicht lediglich fremd gefertigte Backwaren vertreibe.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs zu werben für die Ausübung von wesentlichen Teiltätigkeiten des Bäcker-Handwerks, so lange eine Eintragung mit diesem Handwerk in der Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer nicht besteht, insbesondere zu werben mit den Angaben: „Bäckerei“ und/oder „ihr Familienbäckereiladen“,

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot gemäß Ziff. 1 die Verhängung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00,- € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, und für den Fall, dass ein festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, die Verhängung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, anzudrohen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie Aufwendungsersatz in Höhe von 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Begriff „Bäckerei“ sei im Gegensatz zu dem Begriff „Bäcker“ nicht geschützt. Der Ort, an dem das Handwerk des Bäckers ausgeübt werde, werde zudem mit „Backstube“ bezeichnet und nicht mit dem Wort „Bäckerei“. Der durchschnittliche Verbraucher verstehe unter einer „Bäckerei“ allein eine Verkaufsstelle für Backwaren.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

(1)
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG zu.

Die Voraussetzungen einer unlauteren Wettbewerbshandlung i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG liegen nicht vor. Gem. § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. § 1 HandwO stellt eine Vorschrift in diesem Sinne dar (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 4, Rn. 11.79). Gem. § 1 Abs. 1 und 2 HandwO iVm Nr. 30 der Anlage A zur HandwO darf das Gewerbe des Bäckers als zulassungspflichtiges Handwerk nur von in der Handwerksrolle eingetragenen Personen ausgeübt werden.

Die fehlende Eintragung der Beklagten stellt keine Zuwiderhandlung gegen § 1 HandwO dar, da die Beklagte nicht das Handwerk des Bäckers ausübt. Der Begriff „handwerksmäßig“ i.S.d. § 1 Abs. 2 HandwO ist in der HandwO nicht legaldefiniert. Er setzt jedoch gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten voraus. Die Beklagte stellt die von ihr vertriebenen Backwaren nicht selbst her, sondern bezieht diese von der Bäckerei C. Spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, die gerade zur Herstellung von Backwaren erforderlich sind, setzt die Beklagte nicht ein. Sie profitiert vielmehr von den Kenntnissen und Fertigkeiten der Bäckerei C. Eine solche Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften der Handwerksordnung. Sie stellen bestimmte Qualitätsanforderungen an den Unternehmer und dienen daher auch dazu, im Interesse der Abnehmer von Handwerksleistungen einen gewissen Qualitäts- und Sicherheitsstandard zu garantieren (OLG Frankfurt, GRUR 2005, 695 mwN). Diese Anforderungen hat vorliegend primär die Bäckerei C bei der Herstellung der Backwaren zu beachten. Hier sind Qualitäts- und Sicherheitsstandards einzuhalten. Eine andere Bewertung folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte die gelieferten Brötchenteiglinge selbst aufbackt. Dies stellt keine handwerkliche Tätigkeit i.S.d. HandwO dar, da hierzu keine speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind.

Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer i.S.v. §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG unlauteren Wettbewerbshandlung vor. Eine geschäftliche Handlung ist gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Herkunft und die Art und Weise der Herstellung enthält. Irreführend ist insbesondere, fremde Erzeugnisse als eigene, d.h. selbst hergestellte auszugeben (vgl. etwa Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 5, Rn. 4.197).

Die Beklagte ruft durch die Verwendung der Begrifflichkeiten „Bäckerei K“, „Bäckerei-Café“ und „Ihr Familienbäckereiladen“ bei ihren Kunden indes nicht die Fehlvorstellung hervor, dass sie die von ihr vertriebenen Backwaren selbst herstellt.

Der Aussagewert einer Unternehmensbezeichnung richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Diese ist einem ständigen Wandel unterworfen und fließend (Köhler/Bornkamm, UWG, a.a.O., § 5, Rn. 5.3).

Die Werbung der Beklagten richtet sich an die Durchschnittsbevölkerung unterschiedlichsten Alters. Deren Verkehrsauffassung ist maßgeblich.

Danach liegt eine Irreführung des Durchschnittsverbrauchers vorliegend nicht vor.

Selbst wenn mit dem Begriff der „Bäckerei“ früher die Assoziation einer Backstube einherging, ist diese Assoziation heute nicht mehr vorherrschend. Sie basiert auf einem nicht mehr zeitgemäßen Vorstellungsbild. Selbstständige Bäckereibetriebe mit einer eigenen Backstube sind heute die Ausnahme. Vorherrschend sind Ketten, deren reine Verkaufsfilialen häufig als „Bäckerei“ (z.B. Stadtbäckerei Münster) oder sogar „Bäcker“ (z.B. SB-Bäcker) bezeichnet werden. Hier ist es für den Kunden offensichtlich, dass der jeweiligen Filiale keine eigene Backstube angeschlossen ist. Vielmehr werden lediglich – wie auch im vorliegenden Fall – Brötchenteiglinge angeliefert, die dann aufgebacken werden. Für den Kunden ist es auch meist nicht entscheidend, dass die von ihm gekauften Backwaren direkt aus einer der Verkaufsfiliale angeschlossenen Backstube stammen. Vielmehr stellt sich der Kunde unter dem Begriff „Bäckerei“ heutzutage schlicht ein Geschäft vor, in dem Backwaren bezogen werden können. Folglich tätigt er seinen Einkauf auch nicht mit dem Vorstellungsbild einer angeschlossenen Backstube.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung „Bäckerei“ auch nicht davon abhängen, ob es sich um einen unselbstständigen Filialbetrieb einer in der Handwerksrolle eingetragenen Bäckerei oder um eine selbständige Verkaufsstelle – wie sie die Beklagte führt – handelt. Auch für das im Bäckereigewerbe beliebte Franchise-System sind selbstständige Verkaufsstellen kennzeichnend, die dennoch die Unternehmensbezeichnung des Franchise-Gebers führen. Im Rahmen eines Franchise-Vertrages tritt der Franchise-Nehmer unter einer vom Franchise-Geber festgelegten einheitlichen Geschäftsbezeichnung auf. Er setzt die Waren am Markt jedoch auf eigene Rechnung und im eigenen Namen.

Überdies weist die Beklagte an ihrem Geschäftslokal und auf ihrer Internetpräsenz unstreitig daraufhin, dass sie Backwaren der Firma C bezieht. Hierdurch unterstützt sie nochmals das heute herrschende Vorstellungsbild, dass nicht jede Bäckerei eine angeschlossene Backstube besitzt. Mittlerweile verdeutlicht sie durch die neuerdings verwendete Bezeichnung „Ihr Familienbäckereiladen“ noch, dass sie die Produkte lediglich vertreibt und nicht selbst herstellt.

Die zwischen den Parteien streitige Tatsache, ob auf der gesamten Außenwerbung der Beklagten ein Hinweis auf die Herkunft der Backwaren zu finden ist, kann mithin dahinstehen: ein durchgängiger Hinweis auf die Herkunft der Backwaren ist nicht erforderlich, da bereits die Bezeichnung „Bäckerei“ nicht zum Ausdruck bringt, dass selbst hergestellte Backwaren vertrieben werden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Bezeichnung „Bäckerei“ die eigene Herstellung der Backwaren nicht indiziert, ist auch keine unzulässige Blickfangwerbung i.S.d. § 5 UWG wegen der räumlichen Anordnung des Hinweises auf dem Werbeschild am Geschäftslokal äußerst rechts und im Fließtext auf der Webseite der Beklagten gegeben.

Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht für den Zeitpunkt der Abmahnung, zu dem die Beklagte noch mit der Bezeichnung „Ihre Familienbäckerei“ warb und nicht wie zum jetzigen Zeitpunkt mit „Ihr Familienbäckereiladen“. Mit der Bezeichnung „Familienbäckerei“ geht keine Fehlvorstellung des Kunden einher, da die Bezeichnung „Bäckerei“ nicht die Vorstellung erweckt, dass sich an den Betrieb eine eigene Backstube anschließt. Auch der Zusatz „Familien-“ steht dieser Bewertung nicht entgegen, da dieser lediglich zum Ausdruck bringt, dass das Geschäftslokal inhabergeführt ist.

Auch die Voraussetzungen einer unlauteren Wettbewerbshandlung i.S.v. §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG liegen nicht vor. Eine Fallgruppe der unternehmensbezogenen Irreführung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG stellt die Irreführung über Befähigung und Qualifikation des Inhabers und seiner Mitarbeiter dar (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 5, Rn. 5.2). Dass die Beklagte durch die Verwendung der Bezeichnung „Bäckerei“ bei ihren Kunden die Fehlvorstellung hervorruft, dass sie in der Handwerksrolle eingetragen ist und über eine dementsprechende Befähigung verfügt, ist nicht ersichtlich. Die Rechtsprechung des OLG Nürnberg (NJW-RR 2007, 551), wonach der Hinweis eines Handwerkers, er betreibe „Spenglerei und Installation“, irreführend sei, wenn er tatsächlich nicht für das Spengler-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen sei, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Kunden der Beklagten gehen gerade – anders als beispielsweise bei einem Heizungsbauer, der für einen Kunden tätig wird – gerade nicht davon aus, dass sie selbst handwerklich tätig wird. Die Frage, ob die Beklagte aufgrund ihrer handwerklichen Tätigkeit in die Handwerksrolle eingetragen ist, stellt sich dementsprechend nicht. Eine Eintragung ist für den Verkauf von Backwaren nicht vorgesehen und eine diesbezügliche Assoziation ginge fehl.

Da keine Zuwiderhandlung gegen § 3 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 UWG vorliegt, steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch gem. § 2 Abs. 1 UKlaG zu.

(2)
Der Klageantrag zu 2) besteht aufgrund der Unbegründetheit des Klageantrags zu 1) nicht.

(3)
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu, da die Abmahnung unberechtigt war. In Ermangelung der Hauptforderung besteht auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht.

(4)
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.

Streitwert: 10.219,35,- €

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