OLG Brandenburg: Ein Richter kann noch nicht wegen Verfahrensverstößen oder rechtlichen Fehlern als befangen abgelehnt werden

veröffentlicht am 7. Mai 2010

OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.03.2010, Az. 1 W 5/10
§ 42 Abs. 2 ZPO

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass ein Richter noch nicht deswegen abgelehnt werden kann, weil er gegen geltendes Verfahrensrecht verstößt oder Rechtsnormen falsch anwendet. Der „Unfähigkeitsbefangenheit“ wurde damit vom Senat eine Absage erteilt.

Das Landgericht habe in der Sache zutreffend entschieden. Die Ausführungen der Beschwerdeschrift führten zu keinem anderen Ergebnis. Umstände, die geeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen, seien weder dargetan oder sonst erkennbar. Ausreichend und erforderlich für ein Ablehnungsgesuch sei ein Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden als einer ruhig und vernünftig denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass gebe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln; es müsse ein Grund vorliegen, der vernünftigerweise die Befürchtung rechtfertige, dass der Richter nicht unparteiisch sachlich entscheiden werde (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rdnr. 8 f.

Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde vom 21.12.2009 sich allein noch dar auf stütze, dass ein richterlicher Hinweis ergangen sei, ohne ihre Ausführungen vollständig zu berücksichtigen, ergäben sich daraus keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes. Die Ablehnung der Richterin könne insoweit nur bei Verstößen gegen das prozessuale Gleichbehandlungsverbot, bei Anhaltspunkten für die negative Einstellung des Richters gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen oder bei willkürlicher Benachteiligung unter Behinderung einer Partei bei der Ausübung ihres Rechts gerechtfertigt sein.

Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Rechtsanwendung der Richterin seien grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Es sei denn, es würden Gründe dargelegt, die dafür sprächen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der Richterin gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruhe; das Ablehnungsverfahren diene nämlich nicht der Überprüfung richterlicher Entscheidung auf etwaige Rechtsfehler und sei kein Instrument der Verfahrens- und Fehlerkontrolle ( BGH, NJW 2002, 2396).

Soweit die Klägerin rüge, dass die Richterin eine vorläufige Rechtsauffassung ohne Berücksichtigung eines Schriftsatzes vom 05.02.2009 kundgetan habe, sei ein Schriftsatz vom 05.02.2009 in der Akte nicht festzustellen. Soweit auf einen Schriftsatz vom 11.02.2009 abgestellt werden solle, sei zu berücksichtigen, dass am 17.06.2009 eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, in der die Richterin rechtliche Hinweise gegeben habe. Die Klägerin habe daraufhin eine Umstellung der Klage erwogen. In der dafür selbst avisierten Zeitspanne von ein bis zwei Monaten habe die Klägerin nicht ergänzend Stellung genommen, sondern erst mit Schriftsatz vom 26.11.2009 im Zusammenhang mit dem auf Antrag des Beklagten anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung. Sofern die Richterin nunmehr vorläufige rechtliche Hinweise in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilt habe, entspreche dies der ihr obliegenden Pflicht zur materiellen Prozessleitung gem. § 139 ZPO. Diese richterlichen Hinweise gäben, da sie rechtzeitig erteilt worden seien, der Klägerin die Möglichkeit zur Stellungnahme noch vor oder ggf. in der mündlichen Verhandlung, um ihre Rechtsansichten darzulegen oder ggf. ergänzend zur Tatsachengrundlage vorzutragen. Anhaltspunkte, dass das prozessordnungsgemäße Verhalten der Richterin auf einer unsachlichen Einstellung gegenüber Klägerin oder gar auf Willkür beruhe, seien nicht gegeben. Es sei insbesondere dem Schriftsatz der Klägerin vom 26.11.2009 nicht zu entnehmen, dass an Teilen des bisherigen Vorbringens, welches vor Erteilung der rechtlichen Hinweise erfolgt sei, weiter festgehalten werden solle.

Ergänzend sei anzumerken, dass die Terminierung der mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beklagten, nachdem das Verfahren infolge der Nichtstellung von Anträgen zum Ruhen gekommen sei, ebenfalls keinen Ablehnungsgrund darstelle. Vielmehr habe die Richterin auch hier in Übereinstimmung mit der ZPO gehandelt und auf Antrag des Beklagten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. Das Nichtsetzen einer Frist zur Stellungnahme für die Klägerin gebe ebenfalls keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ablehnungsgründen. Gemäß § 282 Abs. 1 ZPO habe jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so rechtzeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspreche. Es obliege mithin der Klägerin im eigenen Interesse so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen, dass der Beklagte die erforderlichen Erkundigungen noch einzuziehen vermöge ( § 282 Abs. 2 ZPO ).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspreche der Gegenstandswert für das Richterablehnungsverfahren dem vollen Wert des zu Grunde liegenden Rechtsstreits (Senat NJW-RR 2000, S. 1091, 1092).

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