OLG Brandenburg: Zur Erstattung der Kosten für ein Meinungsforschungsgutachten im Wettbewerbsprozess

veröffentlicht am 22. August 2011

OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.05.2011, Az. 6 W 87/10
§ 91 ZPO

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass auch die Kosten für ein Meinungsforschungsgutachten als Verfahrenskosten festgesetzt werden können, wenn ein solches zur Glaubhaftmachung / Abwehr von (wettbewerbsrechtlichen) Unterlassungsansprüchen eingeholt wird. Im vorliegenden Verfahren hatte der Rechtspfleger 9.101,71 EUR an Verfahrenskosten festgesetzt, wovon allein 3.400,00 EUR an Kosten für ein Meinungsforschungsgutachten entfielen. Der Senat (Zitat, Auszug aus den Entscheidungsgründen):

„Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Kosten i.S.d. § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei, die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH WRP 2004, 1492, 1493).

Für Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gilt dabei, dass auch Kosten von Privatgutachten, die grundsätzlich nicht als Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung anzusehen sind, als notwendig gelten können. Denn in diesen Verfahren sind sowohl der Verfügungsanspruch als auch der Verfügungsgrund glaubhaft zu machen, so dass die Parteien auf präsente Beweismittel i.S.d. § 294 ZPO angewiesen sind (KG NJW 2006, 276). Welche Beweismittel die verständige Partei, die auf die volle Wahrung ihrer Rechte bedacht sein darf, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich erachten kann, richtet sich nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens, ohne dass es darauf ankommt, ob das Beweismittel vom Gericht benutzt wird (OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 544; OLG Hamm RPfleger 2001, 616 f.). Diese Grundsätze gelten auch in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen, wenn es um die Feststellung einer Irreführung i.S.d. § 5 UWG geht (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 UWG, Rdnr. 2.76; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, UWG, Vorb. zu § 12 UWG, Rdnr. 183).

Eine Feststellung hierzu mittels eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage einer Meinungsumfrage ist nicht etwa durch das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen (Köhler/Bornkamm, a.a.O., m.w.N.). Zwar ist, wie die Verfügungsbeklagte zu Recht ausführt, nach Übernahme des europäischen Verbraucherleitbilds in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Frage der Irreführung nach einem normativen Maßstab zu entscheiden, so dass das tatsächliche Verständnis der Verkehrskreise grundsätzlich keine unmittelbare Rolle spielt. Der Prozentsatz tatsächlich irregeführter Personen kann jedoch im Rahmen der wertenden Betrachtung ein Indiz für das Verständnis des nicht notwendig real existierenden Durchschnittsverbrauchers sein, und damit auch im Rahmen des normativen Ansatzes Bedeutung erlangen (Ulbrich, WRP 2005, 941, 942, 946).

Nach diesen Maßgaben sind vorliegend die Kosten der von dem Verfügungskläger in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage erstattungsfähig, da sie zur Glaubhaftmachung erforderlich waren und die Kosten nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen.

Der Verfügungskläger hat das Gutachten zur Vorbereitung der Berufung eingeholt und diese auch darauf gestützt, so dass seine Prozessbezogenheit nicht zweifelhaft sein kann. Auch war die Einholung des Gutachtens sachdienlich. Nach der sich für den Verfügungskläger nach dem erstinstanzlichen Urteil ergebenden Prozesssituation war es für ihn zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, die Irreführungsgefahr durch Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens glaubhaft zu machen. Der Verfügungskläger war erstinstanzlich unterlegen. Das Landgericht hatte die Frage, ob die mit dem Antrag beanstandete Werbung irreführend sei, verneint und sich dabei auf den eigenen Sachverstand sowie die von der Verfügungsbeklagten vorgelegte Erklärung ihres Abteilungsleiters für Küchenmöbel gestützt, wonach bisher noch kein Kunde davon ausgegangen sei, dass bei den angebotenen Marken zu dem Rabatt auch Elektrogeräte enthalten seien. Um seine Position in zweiter und letzter Instanz zu stärken, war der Verfügungskläger, wenn er das Berufungsverfahren erfolgreich durchführen wollte, daher gehalten, die Sachkunde der Richter der ersten Instanz in Zweifel zu ziehen und die seiner Meinung nach irreführende Werbung der Verfügungsbeklagten durch Einholung und Vorlage eines Meinungsforschungsgutachtens, dessen Kosten mit 3.400,00 EUR nicht unverhältnismäßig sind, glaubhaft zu machen.“

Der Volltext der Entscheidung findet sich bei der Kanzlei Prof. Schweizer (hier).

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