OLG Dresden: Inhaber der Domain „fluege.de“ hat kein Anrecht auf die Domain „flüge.de“

veröffentlicht am 28. Januar 2015

OLG Dresden, Urteil vom 25.03.2014, Az. 14 U 1364/13
§ 15 Abs. 4 und Abs. 5 MarkenG, § 5 Abs. 2 MarkenG, § 4 Nr. 2 MarkenG; § 4 Nr.9 UWG, § 4 Nr.10 UWG

Das OLG Dresden hat entschieden, dass der Inhaber und Betreiber der Internetdomain „fluege.de“ gegen den Inhaber der Domain „flüge.de“ keine marken- oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüche auf Freigabe der Domain „flüge.de“ hat. Der zuerst registrierte Domainname „fluege.de“ sei nicht als Unternehmenskennzeichen schutzfähig, da auf Grund der rein beschreibenden Natur keine Unterscheidungskraft vorliege. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Behinderung oder Nachahmung seien nicht gegeben. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Dresden

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung u. a.

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2014 für Recht erkannt:

1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 02.08.2013, 4 HK O 2995/11, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

4.
Das Urteil ist für die Beklagten im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit leisten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

5.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 410.000,00 €.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Löschung einer Domain, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Anwalts kosten geltend.

Die Klägerin vermittelt Reisen, vorrangig via Internet, u. a. Flugreisen über das Portal www.fluege.de. Geschäftsgegenstand der Beklagten zu 1) sind Vermarktung und Handel mit beschreibenden Domains. Sie ist auch Inhaberin der Domain www.flüge.de, Admin-C ist der Beklagte zu 2). Zeitweilig wurden Besucher der Domain auf eine andere Internetseite umgeleitet, auf der sich gesponserte Links von Wettbewerbern der Klägerin fanden.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, verurteilte die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Auskunft und stellte deren gesamtschuldnerische Haftung auf Schadensersatz fest. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Unabhängig voneinander wenden sich beide Parteien mit der Berufung gegen das Urteil.

Die Klägerin beantragt

Unter Abänderung des am 02.08.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, 4 HK O 2995/11, wird die Beklagte verurteilt, die Domain flüge.de durch Erklärung gegenüber Denic eG löschen zu lassen.

Die Beklagten beantragen

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 2. August 2013, Az. 4 HK O 2995/11, wird die Klage auch im Übrigen abgewiesen.

Weiter beantragen die Parteien, die Berufung des Gegners zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sei verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2014.

II.

A.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung der Beklagten und zur Klageabweisung.

Der Klägerin stehen, gestützt auf die für sie registrierte Domain www.fluege.de, gegen die Beklagten kennzeichenrechtliche Ansprüche unter keinem Gesichtspunkt zu.

1.
Das gilt zum einen für Ansprüche aus § 15 Abs. 4 und Abs. 5 MarkenG.

a.
Der von der Klägerin verwendete Domainname www.fluege.de genießt keinen Schutz als Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG.

aa.
Dabei geht der Senat davon aus, dass hinter dem Domainnamen ein organisatorisch verselbstständigter Geschäftsbereich steht, der Träger eines geschützten Unternehmenskennzeichens sein kann. Ein Unternehmen kann für verschiedene, organisatorisch selbstständige Geschäftsbereiche unterschiedliche, jeweils für sich genommen geschützte Bezeichnungen benutzen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10.A § 5 Rn. 8 und Rn. 28).

Die Klägerin verfügt für die Vermittlung von Flügen über einen, auch gegenüber der Vermittlung von Pauschalreisen über das Portal ab-in-den-urlaub.de, selbstständigen Geschäftsbereich, der über das Portal fluege.de erreichbar ist.

Die dazu vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen lassen Fehler nicht erkennen.

bb.
Gleichwohl kann sich die Klägerin für ihre Domain fluege.de nicht mit Erfolg auf einen Schutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG berufen.

Zwar können grundsätzlich Domainnamen als Unternehmenskennzeichen geschützt sein (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2009, I ZR 231/06 – airdsl, Rn. 40; Urt. v. 22.07.2004, I ZR 135/01 – soco.de, Rn. 20, jeweils zitiert nach juris). Das setzt aber voraus, dass sie zum einen kennzeichenmäßig benutzt werden und zum anderen Unterscheidungskraft oder Verkehrsgeltung haben.

Zweifelhaft ist hier bereits, ob die Klägerin den Domainnamen kennzeichenmäßig, also nicht als bloße Adresse, sondern als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft verwendet.

Bei Domainbezeichnungen, denen Unterscheidungskraft zukommt, ist eine kennzeichenmäßige Verwendung regelmäßig zu bejahen. Werden dagegen – wie hier – rein beschreibende Bezeichnungen gewählt, wird der Verkehr die Domain grundsätzlich nicht als Herkunftshinweis verstehen (BGH, Urteil vom 9.2.2012, I ZR 100/10, pjur/pure, Rn. 22 – zitiert nach juris; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3.A., Nach § 15 Rn.45, 118).

Ob sich daran durch die von der Klägerin vorgetragene, umfangreiche Bewerbung der Domain etwas geändert hat, kann dahinstehen.

In jedem Fall fehlt es an den weiteren Schutzvoraussetzungen. Schutz nach § 5 Abs 2 MarkenG genießt ein Kennzeichen nur dann, wenn es entweder namensmäßige Unterscheidungskraft oder Verkehrsgeltung hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2004, I ZR 69/02 – Literaturhaus, Rn. 19 ff., zitiert nach juris). Bei Domainnamen, für die Schutz als Unternehmenskennzeichen beansprucht wird, gilt grundsätzlich nichts anderes (vgl. Hacker/Ströbele aaO Rn.58).

Hier fehlt es sowohl an der Unterscheidungskraft wie auch an einer Verkehrsgeltung.

Der Domainname fluege.de hat für den dadurch gekennzeichneten Geschäftsbereich der Klägerin keine namensmäßige Unterscheidungskraft. Unterscheidungskraft besitzt eine geschäftliche Bezeichnung, wenn sie geeignet ist, als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden zu werden, dieses also namensmäßig von anderen Unternehmen zu unterscheiden (Hacker/Ströbele aaO Rn.34). Rein beschreibenden Angaben fehlt diese Unterscheidungskraft (Ingerl/Rohnke aaO, Nach § 15 Rn.45; Hacker/Ströbele aaO Rn.37).

Wie die Klägerin selbst vorträgt, umfasst der mit dem Domainnamen gekennzeichnete Geschäftsbereich vorrangig die Vermittlung von Flügen, so dass die Bezeichnung der Domain nichts anderes als den wesentlichen Teil der von dem Geschäftsbereich erbrachten Dienstleistungen beschreibt. Das gilt auch angesichts der Zusätze „www.“ und „de“, die – für den Verkehr erkennbar – lediglich funktionale Bedeutung haben (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.2009, I ZR 135/06 – ahd.de Rn. 26).

An dem rein beschreibenden Charakter des Domainnamens ändert auch die Schreibweise des Wortes „fluege“ nichts. Die angesprochenen Verkehrs kreise sind daran gewöhnt, dass – zumeist aus technischen Gründen – das in fast allen Sprachen unbekannte „Ü“ häufig als Umlaut mit „Ue“ umschrieben wird.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Verkehrsgeltung des Domainnamens. Verkehrsgeltung liegt vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem Zeichen und einem bestimmten Unternehmen herstellt und das Erscheinungsbild des Zeichens wiedererkennt (Hacker/Ströbele, aaO, § 4 Rn.23).

Bei beschreibenden Kennzeichen sind die Anforderungen höher, es muss eine sog. qualifizierte Verkehrsgeltung vorliegen, also ein Zuordnungsgrad von regelmäßig nicht unter 50% (Hacker/Ströbele, aaO, § 5 Rn.49; § 4 Rn.43). Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich das nicht. Sie beruft sich auf die im Einzelnen vorgetragenen, erheblichen Aufwendungen, die sie seit 2010 für Fernsehwerbung, Sportmarketing, Banner- und sog. Affiliatewerbung tätigt. So habe sie bezogen auf das Zeichen fluege.de Herkunftsvorstellungen quer durch alle Alters- und Bevölkerungsgruppen geweckt. Außerdem sei die Klägerin mit ihrem Internetportal häufig Gegenstand redaktioneller Berichterstattung und mit mehr als 2,5 Mio. Einzelnutzern im Monat eines der meist besuchten Online-Reisebüros in Deutschland.

Aus all diesen Umständen lässt sich aber nicht auf eine hier erforderliche qualifizierte Verkehrsgeltung schließen. Dafür reicht eine gewisse Bekanntheit „quer durch alle Bevölkerungsgruppen“ gerade nicht aus. Vielmehr müsste ein Zuordnungsgrad von jedenfalls 50% vorliegen. Entsprechendes ist weder konkret vorgetragen, etwa unter Vorlage einer von der Klägerin durchgeführten Verkehrsbefragung, noch unter Beweis gestellt.

Eine solche konkrete Darlegung wäre hier nicht nur wegen des rein beschreibenden Charakters des Domainnamens erforderlich gewesen, sondern auch weil die Klägerin mit ihrem Portal erst seit 2008, mit verstärkter Bewerbung gar erst seit 2010 am Markt tätig ist.

Ebensowenig hat die Klägerin – trotz entsprechender Rüge der Beklagten – Angaben zum Marktanteil des hier in Rede stehenden Portals gemacht. Wieviele Besucher die Internetseite hat, lässt weder einen sicheren Rückschluss auf den Markterfolg noch auf den Marktanteil zu.

b.
Selbst wenn das von der Klägerin beworbene und bekannt gemachte Zeichen infolge Verkehrsgeltung Schutz als Geschäftsbezeichnung genösse, würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG fehlen.

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Domains gelten die allgemeinen Grundsätze (Ingeri/Rohnke aaO, Nach § 15 Rn.128). Es sind also alle relevanten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei eine Wechselwirkung besteht zwischen Zeichenähnlichkeit, Kennzeichnungskraft und Branchennähe (BGH, Urteil vom 18.12.2008, I ZR 200/06 – Augsburger Puppenkiste, Rn. 51 – zitiert nach juris).

Der Schutzumfang hängt somit ab vom Grad der Kennzeichnungskraft (Ingeri/Rohnke aaO, Nach § 15 Rn.72).

Wie sich aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen ersehen lässt, bewirbt sie ihr Vermittlungsportal fluege.de nicht mit einem reinen Wortzeichen, sondern unter Verwendung grafischer Elemente: eines bestimmten Schrifttyps, eines charakteristischen Blautons für Schrift oder Hintergrund und eines Logos, das ein kleines, weißes stilisiertes Flugzeug in einer orangenen Scheibe zeigt (vgl. z.B. Anlagen K 12, K 14 und K 15).

Vieles spricht deshalb dafür, dass sich selbst bei erwiesener Verkehrsgeltung der Schutz auf das beworbene Wort-/Bildzeichen beschränken würde. Dann aber würde – selbst bei Branchenidentität – der Abstand zu der von der Beklagten zu 1) verwendeten Domain flüge.de als reinem Wortzeichen ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr mit dem für die Klägerin geschützten Zeichen auszuschließen, zumal dem Wortbestandteil in beiden Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Ob die unterschiedliche Schreibweise von flüge.de gegenüber fluege.de für sich genommen schon aus der Verwechslungsgefahr führen würde, könnte dann dahinstehen.

2.
Die Klägerin hat auch keine Ansprüche aus einer Benutzungsmarke i.S.v. § 4 Nr. 2 MarkenG.

Selbst wenn man von einer Benutzung der Domain zur Kennzeichnung der dort angebotenen Dienstleistungen ausginge, würde es auch hier an der erforderlichen Verkehrsgeltung fehlen.

B.
Das Klagebegehren lässt sich unter Wettbewerbs rechtlichen Aspekten nicht rechtfertigen. Zwar können Ansprüche aus dem UWG neben solchen aus Kennzeichenrechten gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 19.2.2009,1ZR 135/06 – ahd.de, Rn. 38 – zitiert nach juris).

Hier scheitern sie aber jedenfalls daran, dass es an einem unlauteren Verhalten der Beklagten fehlt. Weder unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Nachahmung fremder Leistungsergebnisse (§ 4 Nr.9 UWG) noch unter dem der gezielten Behinderung (§ 4 Nr.10 UWG) kann die Klägerin gegen die Beklagten vorgehen.

1.
Die Klägerin kann sich auf den lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 9a UWG nicht mit Erfolg berufen. Diese Norm will den Mitbewerber schützen vor der Ausbeutung eines von ihm geschaffenen Arbeitsergebnisses mit unlauteren Mitteln oder Methoden (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 9.2). Dabei genießen nur Leistungsergebnisse mit wettbewerblicher Eigenart Nachahmungsschutz (Köhler/Bornkamm, aaO, § 4 Rn. 9.24).

Diese wettbewerbliche Eigenart fehlt dem Domainnamen fluege.de. Wie schon ausgeführt ist er rein beschreibend und bar jeder Originalität und damit von Hause aus ungeeignet, als Herkunftshinweis zu dienen.

2.
Eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG liegt im Verhalten der Klägerin nicht.

Weder die Registrierung der Domain flüge.de noch deren Verwendung begegnet vorliegend wettbewerbsrechtlichen Bedenken.

Dass die Klägerin damit gehindert ist, diese Domain für sich zu nützen, ist Folge des bei der Vergabe geltenden Prioritätsprinzips und grundsätzlich hinzunehmen (BGH aaO Rn.42), zumal die Klägerin ihrerseits über die Domain fluege.de verfügt. Es gibt auch keine konkreten Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches und daher unlauteres Verhalten der Beklagten (vgl dazu BGH aaO Rn.43 ff.).

Es fehlt auch an einem wettbewerbswidrigen Abfangen von Kunden. Eine solche unlautere Behinderung liegt vor, wenn mögliche Kunden, die bereits dem Mitbewerber zuzurechnen sind, durch unangemessene unsachliche Beeinflussung am Erwerb der Leistung des Mitbewerbers gehindert werden (Köhler/Bornkamm, aaO, § 4 Rn. 10.25).

Davon kann hier nicht die Rede sein. Wer, etwa animiert durch die Werbung der Klägerin, die Website fluege.de aufsuchen will, wird daran von den Beklagten nicht gehindert. Selbst wenn ein gewisser Anteil potentieller Kunden versehentlich „flüge.de“ eingibt, liegt darin keine den Beklagten zuzurechnende gezielte Behinderung der Klägerin, denn es fehlt an einer unangemessenen oder unsachlichen Beeinflussung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe im Sinne des § 543 Abs.2 ZPO für eine Zulassung der Revision gibt es nicht. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Die entscheidungserheblichen rechtlichen Probleme werfen keine höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfragen auf.

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