OLG Dresden: Zum Streitwert bei (unwahren) Äußerungen im Internet

veröffentlicht am 4. Januar 2019

OLG Dresden, Beschluss vom 20.11.2018, Az. 4 W 982/18
§ 823 BGB, § 1004 BGB

Das OLG Dresden hat entschieden, dass der Streitwert einer Äußerungsklage, die sich auf eine Veröffentlichung im Internet bezieht, davon abhängt, welche tatsächliche Breitenwirkung durch die Äußerung erzielt wurde. Es komme nicht darauf an, dass theoretisch jeder im Internet eine Äußerung auf einer Homepage zur Kenntnis nehmen könne, sondern auf die tatsächliche Nutzerzahl. So sei eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine unwahre Behauptung auf einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspreche, nicht allein wegen der Veröffentlichung im Internet als besonders schwerwiegend anzusehen Darüber hinaus sei bei Unternehmen streitwertmindernd zu berücksichtigen, wenn diese lediglich in ihrer Sozialsphäre, jedoch nicht wirtschaftlich betroffen seien. Zum Volltext der Entscheidung nachstehend:


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Oberlandesgericht Dresden

Beschluss

In Sachen

Stadtverband xxx, … vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
– Kläger und Beschwerdegegner –

gegen

S. J., …
– Beklagte und Beschwerdeführerin –

wegen Unterlassung

hier: Beschwerde

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch … als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 20.11.2018 beschlossen:

I.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichtes
Leipzig vom 15.10.2018 abgeändert und der Streitwert auf 10.000 € festgesetzt.


II.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.


Gründe

I.
Die gemäß §§ 567 ff ZPO, 68 GKG zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Streitwert für die begehrte Unterlassung der unstreitig unwahren Tatsachenbehauptung ist mit lediglich 10.000,- € anzusetzen, § 3 ZPO.

Nach § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Für die Streitwertfestsetzung bei Unterlassungsansprüchen wegen einer Ehrverletzung sind neben dem Grad der Verbreitung die Schwere des Vorwurfs sowie die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruches des Verletzten in der Öffentlichkeit, die wirtschaftliche Bedeutung sowie die sonstige Bedeutung der Sache einzubeziehen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 09. April 2018 – 4 W 296/18 –, juris, vgl. auch Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 1830 ff.). Ausgangspunkt für die Bemessung sind die Werte des § 52 Abs. 2 GKG (5.000,00 EUR) und des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (5.000,00 EUR), die nach Maßgabe des Einzelfalles zu erhöhen oder zu vermindern sind. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren unter dem der Hauptsache liegt, weil das für ein Verfahren maßgebende Interesse des Antragstellers an der Sicherstellung im Regelfall nicht das Befriedigungsinteresse erreicht (Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort: „Einstweilige Verfügung“), beträgt der Streitwert einer Unterlassungsklage ohne besondere Bedeutung im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung regelmäßig 5.000,00 EUR (Senat, Beschluss vom 23.01.2013 – 4 W 1363/12).

Vorliegend handelt es sich jedoch um ein Hauptsacheverfahren, in dem das Befriedigungsinteresse unvermindert anzusetzen ist. Von einer nicht unerheblichen Breitenwirkung, die sich auch auf die Bemessung des Streitwertes auswirken muss, ist überdies auszugehen. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass sich die streitgegenständliche Äußerung in eine „gezielte Kampagne“ der von der Beklagten vertretenen YYYvereinigung „Wir bleiben“ einfügt, die sich in Opposition zu der Klägerin bei der Vertretung von YYY in XXX sehe. Auch wenn diese Behauptung nur auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht wurde und nicht bekannt ist, in welchem Umfang sie von anderen YYY tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde, kommt ihr damit eine potentiell nicht unerhebliche Breitenwirkung in YYYkreisen zu, zumal auch die Behauptung der Klägerin unbestritten geblieben ist, in ihrem Stadtverband seien 207 YYYvereine organisiert. Die hiermit verbundene Befürchtung, aufgrund der von der Beklagten angegebenen – nicht zutreffenden – Zahlen zu dem von der Klägerin verpachteten Grundstücksbestand seien Rechtsstreitigkeiten mit zahlreichen Mitgliedsvereinen zu erwarten gewesen, ist zumindest nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Da behauptet wurde, die Klägerin habe einen Betrag von 930.000,- € zu Unrecht nicht „an die Vereine zurückgezahlt“, liegt dem Rechtsstreit nicht zuletzt auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Unterlassung einer solchen Äußerung zugrunde.

Andererseits kann für die Bemessung aber auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin als juristische Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lediglich in ihrer Sozialsphäre verletzt sein kann und dass tatsächlich wirtschaftlich nachteilige Folgen für sie nicht eingetreten sind, jedenfalls nicht behauptet werden. Es steht auch nicht zu erwarten, dass über den Kreis der YYY in XXX hinaus die Äußerung weitere Beachtung erfahren hätte. Dass von einer auf einer Homepage veröffentlichten Äußerung potentiell jedermann Kenntnis erlangen kann, spielt hierbei keine Rolle. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auf einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht, ist nicht allein wegen der Veröffentlichung im Internet als besonders schwerwiegend anzusehen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 –, BGHZ 199, 237-270, Rn. 53). Keine Rolle spielt für die Bemessung, dass die Beklagte sich verpflichtet hat, als Konsequenz aus der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung Abmahnkosten aus einem Streitwert von 20.000,- € zu zahlen. Ein hieraus möglicherweise entstehender Indizwert, dass auch die Beklagte dem Rechtsstreit eine erhebliche wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung beimisst, wird bereits durch die Klageerwiderung entkräftet.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist der Streitwert in der Gesamtabwägung auf lediglich 10.000,- € festzusetzen. Der Streitwertbeschluss des Landgerichts war entsprechend abzuändern.

II.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nach § 68 GKG nicht.

Vorinstanz:
LG Leipzig, Az. 08 O 610/18

I