OLG Düsseldorf: Konkurrenzverbot zwischen Verlag und Herausgeber umfasst nicht die Verteilung einer kostenlosen Mitgliederzeitung eines Clubs des Herausgebers

veröffentlicht am 3. Dezember 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Düsseldorf, Urteil vom 06.12.2011, Az. I-20 U 164/11
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Produktion und Verteilung einer unentgeltlichen Mitgliederzeitung des Marketing-Clubs eines Herausgebers nicht gegen dessen vereinbartes Konkurrenzverbot mit einem Verlag verstößt. Verlag und Herausgeber hatten die gemeinsame Herausgabe einer Zeitschrift „A“ vereinbart und im zu Grunde liegenden Vertrag die Klausel „keine Konkurrenzobjekte der Zeitschrift zu betreiben oder sich an einem derartigen Projekt zu beteiligen“ aufgenommen. Darunter falle jedoch nicht die Verteilung einer Mitgliederzeitung „H“ unter den Mitgliedern des Marketing-Clubs, da der Zeitschrift „A.“ durch das Vorhaben des Antragstellers keinerlei Einbuße bei den abgesetzten Exemplaren drohten, weil die künftig mit der Zeitschrift „H.“ versorgten Mitglieder der Marketing-Clubs auch weiterhin mit der Zeitschrift „A.“ ausgestattet würden. Daher sei nach der vorzunehmenden Auslegung des Vertrags kein Verstoß anzunehmen. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

Auf die Berufung des Antragsgegners werden das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. August 2011 abgeändert, die Beschlussverfügung der Kammer vom 19. April 2011 aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe

A.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Danach sind die Parteien zusammen Herausgeber der Zeitschrift „A.“, die von der Antragstellerin zudem verlegt wird. Der Antragsgegner hat die monatlich erscheinende Zeitschrift als „Vereinsmagazin“ jedem seiner Mitglieder im Pflichtbezug zukommen lassen, genauer den Mitgliedern der ihn bildenden regionalen Marketing-Clubs; die Zeitschrift enthält eine bestimmte Anzahl von Seiten zur Selbstdarstellung des Antragsgegners.

Der Zusammenarbeit der Parteien liegt ein allein auf sie übergegangener Vertrag vom 30. September 1996 zugrunde, in dessen § 4 Absatz 4 es heißt, Herausgeber und Verlag verpflichteten sich, während der Laufzeit des Vertrags „keine Konkurrenzobjekte der Zeitschrift zu betreiben oder sich an einem derartigen Projekt zu beteiligen.“ Zudem gründeten die Parteien des Rechtsstreits mit Vergleich vom 23. April 2004 eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft zum Zwecke der Nutzung und Verwertung der Zeitschrift.

Die Antragstellerin wendet sich vorliegend, gestützt auf die genannte Vertragsklausel und die zwischen den Parteien bestehende vertragliche Pflicht zu Zusammenarbeit und Treue, dagegen, dass entsprechend einer Ankündigung an die Mitglieder der Marketing-Clubs der Antragsgegners jetzt auch die wöchentlich im D. F., Frankfurt am Main, erscheinende Zeitschrift „H.“ als ein mit der eigenen Zeitschrift konkurrierendes Medium verteilt werde. Die konkurrierende Zeitschrift würde damit, so macht die Antragstellerin geltend, ihre Auflage nahezu verdoppeln und zum Marktführer werden; die zu erwartende Vermehrung dort geschalteter Anzeigen werde zu Lasten der eigenen Zeitschrift „A.“ gehen.

Der Antragsgegner hat in Bezug auf das bloß „angedachte“ Vorhaben – die Zeitschrift „H.“ solle von den Marketing-Clubs bezahlt werden, wozu er selbst einen Zuschuss leiste – auf Unterschiede der beiden Publikationen verwiesen, sie mithin nicht als Konkurrenzobjekte gesehen, zudem auch auf andere Kriterien hingewiesen, die für die Schaltung von Anzeigen wichtiger seien als die Auflagenhöhe einer Publikation. Der Vertrag enthalte keine Exklusivbindung an die Antragstellerin. Eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht werde nicht verletzt.

Das Landgericht hat in einer Verteilung der als konkurrierend angesehenen Zeitschrift „H.“ eine „Beteiligung an einem Konkurrenzobjekt“ im Sinne des Vertrages gesehen, worunter bei der gebotenen Auslegung der Klausel alle „Handlungsalternativen zu dem Betrieb einer Zeitschrift“ fielen, „die die Verbreitung dieser Zeitschrift in irgendeiner Form fördern,“ und unter Bejahung auch eines Verfügungsgrundes mit dem angefochtenen Urteil eine zunächst erlassene Beschlussverfügung dahingehend bestätigt, dass dem Antragsgegner verboten werde, während der Laufzeit des Vertrags der Parteien die Zeitschrift „H.“ an die Mitglieder seiner Mitglieder verteilen zu lassen. Gegen das Urteil hat der Antragsgegner Berufung eingelegt.

Er macht geltend, das Landgericht habe die präzise Vertragsklausel zu den ganz konkreten Verhaltensweisen des „Betreibens“ und „sich Beteiligens“ unzulässig weit ausgelegt und als „allumfassende Wettbewerbsklausel“ missdeutet. Die Klausel enthalte kein pauschales Verbot des „Förderns“. Das „Betreiben“ setze ein Mindestmaß an Einflussnahme auf die Zeitschrift voraus, woran es im Streitfall fehle. An einem „Beteiligen“ fehle es, weil kein Teil tatsächlicher oder rechtlicher Art am Unternehmen „H.“ oder dessen Verlag erworben werden solle. Die Parteien seien keine Exklusivbindung eingegangen. So sei die „A.“ zugleich die Organzeitschrift des V. D. I. e.V. Die Lieferung der Zeitschrift „H.“ solle die Attraktivität der Mitgliedschaft in den Marketings-Clubs erhöhen. Die beiden Zeitschriften des Streitfalls konkurrierten im Übrigen gar nicht, wozu der Antragsgegner auf sein nochmals unterstrichenes erstinstanzliches Vorbringen verweist. Die Lieferung der Zeitschrift „H.“, wie sie in einzelnen Marketing-Clubs bereits praktiziert werde, wirke sich nicht negativ auf die Zeitschrift „A.“ aus. Hinsichtlich eines Anspruchs aus der Treuepflicht eines Gesellschafters fehle der Antragstellerin die Prozessführungsbefugnis. Schließlich habe bei Antragstellung, so meint der Antragsgegner, keine Gefahr einer Ankündigung ober Umsetzung der Kooperation mit dem D. F. bestanden. Auch sei das Eilbegehren am Anfang auf das Verbot einer Belieferung seiner, des Antragsgegners, Mitglieder gegangen, die aber niemals beabsichtigt gewesen sei. Das Begehren habe nicht korrigierend ausgelegt werden dürfen.

Der Antragsgegner beantragt

die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Antragstellerin begehrt

die Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Unter Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz stütz sie ihr Unterlassungsbegehren auf die explizite Vertragsklausel, die Treuepflicht unter Gesellschaftern und eine allgemeine vertragliche Treuepflicht.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts, durch das die zuvor gegen ihn erlassene Beschlussverfügung mit modifiziertem Inhalt bestätigt worden ist, ist zulässig und wegen Fehlens eines Verfügungsanspruchs begründet. Der erkennende Senat verneint die für das begehrte Verbot angeführten vertraglichen Anspruchsgrundlagen.

Die beabsichtigte unentgeltliche Verteilung der Zeitschrift „H.“ durch die dem Antragsgegner angehörenden Marketing-Clubs an ihre Mitglieder bedeutet auch bei dem vom Antragsgegner eingeräumten eigenen Kostenzuschuss keinen Verstoß gegen das Verbot in § 4 Abs. 4 des Vertrags vom 30. September 1996, „Konkurrenzobjekte der (eigenen) Zeitschrift zu betreiben oder sich an einem derartigen Projekt zu beteiligen.“

Das beanstandete Vorhaben des Antragsgegners stellt zum einen eine Unterstützung der ihm angehörenden Marketing-Clubs beim Bezug der Zeitschrift „H.“ dar, mit der diese ihren Mitgliedern einen Vorteil gewähren wollen, welcher augenscheinlich den Nutzen der Mitgliedschaft erhöhen soll. Zum anderen bewirkt das Vorhaben in Bezug auf Herausgeber und Verleger der Zeitschrift „H.“ eine Steigerung des Absatzes der Zeitschrift, die damit sicher auch im Wettbewerb gestärkt wird. Mit diesem Inhalt unterfällt das Vorhaben aber nicht der angeführten Vertragsklausel, die ihrem Wortlaut nach und mit Rücksicht auf den Regelungszusammenhang – der Vertragsparagraph grenzt die Rechte der Herausgeber und des Verlegers ab – den Antragsgegner als Mitherausgeber der Zeitschrift „A.“ in seiner Handlungsfreiheit nur in dem dort näher umschriebenen Maße beschränkt: Solange der Antragsgegner aufgrund des Vertrages Mitherausgeber der Zeitschrift ist, darf er kein Konkurrenzobjekt „betreiben“ und „sich“ nicht an einem solchen „beteiligen“. Der erste Begriff bedeutet, dass er kein entsprechendes Unternehmen unterhalten darf, also in der Terminologie des einschlägigen Verlagsrechts nicht „Herr des Unternehmens“ eines Konkurrenzobjekts sein darf, eine Stellung, die bei Zeitschriften dem Herausgeber und dem Verleger zukommen kann. Wer in anderer Eigenschaft den Absatz einer Zeitschrift fördert, wie gerade der, der sie – sei es auch in größerem Umfang – selbst bezieht oder zum Bezug anderer einen Beitrag leistet, „betreibt“ die Zeitschrift nicht. Mit dem zweiten zur Umschreibung des Verbots verwandten Begriff sollte der Geltungsbereich der Vorschrift sicher erweitert werden, nicht aber auf den bloßen Bezug der Zeitschrift – sei es auch in größerem Umfang -, erst recht nicht auf die Unterstützung des Bezugs eines anderen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch „beteiligt sich“ der Bezieher einer Zeitschrift nicht an dem „Zeitschriftenobjekt“, nicht einmal der Groß- oder Einzelhändler. Für ihre Tätigkeit liegt vielmehr der Begriff der „Absatzförderung“ nahe. Im gegebenen Zusammenhang ist die an zweiter Stelle angesprochene „Beteiligung“ als Erweiterung des an erster Stelle genannten „Betreibens“ so zu verstehen, dass auch die Stellung als einer von mehreren „Herren“ des konkurrierenden Zeitschriftenunternehmens verboten sein soll, also eine Stellung als einer von mehreren Herausgebern oder Verlegern, und auch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einem Herausgeber- oder Verlagsunternehmen. Für ein vom dargelegten Wortsinn abweichendes, untereinander aber übereinstimmendes Verständnis der verwandten Begriffe bei den kontrahierenden Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags fehlt jeder Anhaltspunkt.

Der Senat sieht im Vorhaben des Antragsgegners keinen Verstoß gegen eine in den Verträgen vom 30. September 1996 und 23. April 2004 nicht ausdrücklich benannte Treuepflicht gegenüber der Antragstellerin als Mitherausgeberin und einziger Verlegerin der Zeitschrift „A.“ oder gegenüber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Vergleich vom 23. April 2004. Eine solche Pflicht müsste dahin gehen, die Zeitschrift „H.“ im Wettbewerb mit der eigenen Zeitschrift nicht durch zusätzliche Abnahmen zu fördern. Gegenüber dem zugrunde liegenden Interesse müsste das eigene Interesse des Antragsgegners zurückstehen, die Mitgliedschaft in seinen Marketing-Clubs durch die Lieferung der Zeitschrift „H.“ aufzuwerten. Bei der Gewichtung der Interessen ist klar hervorzuheben, dass der Zeitschrift „A.“ durch das Vorhaben des Antragstellers keinerlei Einbuße bei den abgesetzten Exemplaren droht, weil die künftig mit der Zeitschrift „H.“ versorgten Mitglieder der Marketing-Clubs auch weiterhin mit der Zeitschrift „A.“ ausgestattet werden. Es droht vielmehr nur, dass die Absatzzahlen der Zeitschrift „A.“ relativ, im Vergleich mit den Zahlen der Zeitschrift „H.“, zurückgehen, woraus sich, wie die Antragstellerin befürchtet, die Verlagerung eines Teiles der Anzeigenaufträge ergeben könnte, in welcher Höhe auch immer. Auch darf nicht übersehen werden, dass die Zeitschrift „A.“ nicht allein das „Verbandsmagazin“ des Antragsgegners ist, sondern außerhalb der Mitgliedschaft der Marketing-Clubs ebenfalls abgesetzt wird; dort wird die Zeitschrift ihre Marktstellung auch weiterhin ausbauen können.

Für die ergänzende Vertragsauslegung, welche die Antragstellerin erstrebt, sieht der Senat keinen Raum. Angesichts der Regelungsdichte des Vertrags vom 30. September 1996 bei dem Punkt, was Herausgeber und Verlag im Verhältnis zueinander in Bezug auf die Zeitschrift „A.“ dürfen – sein § 4 Nr. 3 enthält selbst Bestimmungen in Bezug auf „Veranstaltungen und weitere Publikationen“ – und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Parteien bei der Aushandlung und Abfassung des Vertrags ersichtlich nicht nur eine hohe Sachkompetenz hatten, sondern ihnen schon damals ausgezeichneter Rechtsrat zur Verfügung stand, vermag er im Vertrag keine Regelungslücke zu erkennen, die mit einer Beschränkung der Freiheit des Antragsgegners bei der Gewährung von Vorteilen an die Mitglieder seiner Marketing-Clubs – der genuines Funktion eines Verbands – zu schließen wäre, damit nicht die Zeitschrift „A.“ der Auflage nach hinter eine andere Zeitschrift zurückfällt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung des Senats ist infolge Erschöpfung des Rechtszugs ohne Weiteres vollstreckbar.

Streitwert: 100.000 Euro, nach der nicht angegriffenen Festsetzung für die erste Instanz.

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