OLG Düsseldorf: Werbehinweis „Made in Germany“ nur erlaubt, wenn alle wesentlichen Produktionsschritte in Deutschland ausgeführt werden

veröffentlicht am 19. Mai 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Düsseldorf, Urteil vom 05.04.2011, Az. I-20 U 110/10
§§ 3; 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG; § 127 MarkenG

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der in der Nachkriegszeit eingeführte Begriff „Made in Germany“ oder übersetzt „Produziert in Deutschland“ nur dann verwendet werden darf, wenn auch alle wesentlichen Produktionsschritte tatsächlich in Deutschland ausgeführt werden. Im vorliegenden Fall waren bei einem angebotenen Besteckset die Rohlinge in China hergestellt und auf in Deutschland hergestellten Maschinen geschmiedet, geschnitten, gehärtet und geschliffen worden. Letzteres reichte dem Senat nicht aus, um dem Beklagten die Verwendung des Hinweises „Made in Germany“ zu erlauben. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2011 durch … für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.07.2010 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.07.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A)
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte vertreibt unter anderem ein Besteckset „M „. welches aus jeweils sechs Messern, Gabeln, Löffeln und Kaffeelöffeln besteht. Auf der im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Produktverpackung findet sich neben einer schwarz-rot-goldenen Flagge der Hinweis „Produziert in Deutschland“. In der Packung befindet sich ein Produkteinleger, der ebenfalls im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben ist und der die Überschrift aufweist:

„Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb dieses hochwertigen MICHELANGELO – Bestecks
MADE IN GERMANY“

Tatsächlich werden die Gabeln, Löffel und Kaffeelöffel in Deutschland hergestellt.

Die Rohmesser werden auf in Deutschland hergestellten Maschinen in China geschmiedet, umgeschnitten, gehartet und geschliffen und sodann in Deutschland mehrfach poliert.

Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern ein Besteckset, bei dessen Messern das Rohmesser in China hergestellt wird, indem dort unter Verwendung einer in Deutschland entwickelten und aus Deutschland exportierten Maschinentechnologie das später zum Messer werdende Werkstück erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umgeschnitten, gehärtet und geschliffen wird, mit dem Hinweis „Produziert in Deutschland“ wie auf der im Tenor abgebildeten Produktverpackung ersichtlich bzw. mit dem im Urteil abgebildeten Produkteinleger, in dem es heißt „Made in Germany“ zu kennzeichnen. Ferner hat es die Beklagte zur Zahlung von 208,65 EUR vorgerichtlicher Kosten verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Die Beklagte macht geltend, das Landgericht habe die Verbrauchererwartung bezüglich eines Essbestecks nicht zutreffend bestimmt. Maßgebend sei bei Messern hier auch der Poliervorgang. Zudem seien 75% der Besteckteile vollständig in Deutschland hergestellt. Insoweit müsse es ausreichen, wenn nur 45% des Fertigungsanteils in Deutschland erfolgt sei. Auch der Zollkodex stelle auf den Ort ab, an dem die letzte wirtschaftlich gerechtfertigte Be- und Verarbeitung stattgefunden habe. Die Messer wiesen die gleichen Eigenschaften auf wie vollständig in Deutschland gefertigte.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erst-instanzlichen Sachvortrages.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zum Ersatz der vorgerichtlichen Kosten verurteilt. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt darauf Bezug.

Der Kläger hat aus §§ 128, 127 MarkenG und aus § 8 Abs. 1, Abs. 3, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte.

Die Klagebefugnis des Klägers steht außer Streit, § 128 MarkenG, § 8 Abs. 3 UWG. Für die Frage, ob eine irreführende Benutzung der Bezeichnung „Hergestellt in Deutschland“ in Verbindung mit der deutschen Nationalflagge vorliegt, kommt es – wie von der Beklagten nicht in Frage gestellt wird, auf die Verkehrsauffassung an (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. § 127 Rn. 3; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auf!., § 127 Rn. 6, Büscher in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz. 2. Aufl., § 127 MarkenG Rn. 8). Diese Verkehrsauffassung kann der Senat selbst bestimmen, da die Mitglieder des Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen.

Danach ist eine Irreführung nicht unerheblicher Teile der angesprochenen Verkehrskreise aber gegeben.

Die Beklagte stellt bei Ihrem Besteck das Herstellungsland in ganz besonderem Maße heraus, und zwar sowohl durch die auffallende Angabe „Produziert in Deutschland“ mit einer Deutschland-Fahne auf der Packung, als auch als ganz herausgehobene Eigenschaft auf dem Einlegezettel. Dort wird „Made in Germany“ gerade als einziges Merkmal besonders herausgestellt.

Die besondere Herausstellung des Herstellungslandes begründet bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Erwartung, sämtliche Teile des beworbenen Bestecks seien in Deutschland hergestellt. Es ist insoweit schon zweifelhaft, ob in einem Fall, in dem dies nur auf eine Mehrzahl verschiedener Teile eines Gesamtbestecks zutrifft, die Prozentangaben der IHK (45% Fertigungsanteil) bzw. die Bestimmungen des Zollkodexes, nach denen der letzte wesentliche Bearbeitungsschritt maßgebend sein soll. einschlägig sind oder ob nicht vielmehr auch danach die Voraussetzungen bei allen Teilen des Bestecks erfüllt sein müssen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend sind nämlich nicht diese Regelungen, sondern die Erwartung der Verbraucher. Diese kann zwar durch eine entsprechende Praxis geprägt werden. Dies ist im hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht festzustellen. Vielmehr wird hinsichtlich des Bestecks die Herkunft aus Deutschland geradezu als einziges Merkmal herausgestellt, welches aus Sicht des Verbrauchers also gerade den Unterschied zu anderen, vergleichbaren Bestecken ausmacht. Dann wird er aber erwarten, dass diese herausgehobene Angabe auf alle Teile des Bestecks und nicht nur auf den überwiegenden Teil zutrifft. Es kommt dabei noch nicht einmal auf den Umstand an, dass die Qualitätserwartungen gerade bei Messernansetzen dürften, sich auf die Messer also ein ganz erheblicher, Ober die weiteren Besteckteile hinausgehender, Anteil an der Qualitätserwartung bezieht. Die Motivation eines Verbrauchers, sich gerade für ein in Deutschland hergestelltes Produkt zu entscheiden, kann zudem, wie in der Berufungsverhandlung angesprochen worden ist, begründet sein; sie muss nicht allein auf besonderen Qualitätsvorschlägen beruhen. Sie kann ihren Grund z.B. auch in der Sorge um hiesige Arbeitsplätze haben.

Bei Industrieprodukten – wie hier – geht der Verkehr davon aus, dass die Behauptung „Produziert in Deutschland“ voraussetzt, dass alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt sind (Büscher a.a.O. Rn, 10 m.w.N., Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auf!., § 5 Rn. 4.84). Wurde es nur um das Design gehen, wäre der Begriff „produziert“ ebenso wie „made“ falsch. Die Messer werden aber zu einem ganz erheblichen Teil in China hergestellt. Sie werden – auch wenn dies ein wichtiger Produktionsschritt sein mag – in Deutschland lediglich poliert. Damit besteht hinsichtlich der Messer aufgrund der Angaben auf der Packung und dem sie aufnehmenden Hinweis auf dem beigelegten Hinweisblatt die Erwartung, dass jedenfalls alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt sind, die jedoch nicht gerechtfertigt ist, da jedenfalls grundlegende und zumindest ebenfalls bedeutende Herstellungsschritte in China erfolgt sind. Dass sie auf aus Deutschland stammenden Maschinen erfolgt sein sollen, vermag hieran nichts zu ändern.

Die von der Beklagten für in Asien hergestellte Messer in Anspruch genommene hohe Qualität und hygienische Unbedenklichkeit vermögen nicht zu begründen, warum ein im Wesentlichen in China hergestelltes Produkt in Deutschland als „Produziert in Deutschland“ verkauft werden soll. Gegen die Höhe der Abmahnkosten wendet sich die Beklagte nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert:

15.000,00 EUR (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

I