OLG Frankfurt a.M.: Darf sich ein privater Energieversorger „Stadtwerke“ nennen?

veröffentlicht am 6. August 2012

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.11.2011, Az. 6 U 277/10
§ 5 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Firmenbestandteil „Stadtwerke“ bei einem privaten Energieversorger grundsätzlich zu einer Irreführung des Verkehrs führen kann, da dieser den Eindruck vermittelt erhält, dass es sich um ein kommunales Unternehmen handelt. Im vorliegenden Verfahren wurde ein Wettbewerbsverstoß jedoch ausgeschlossen, da das fragliche Unternehmen 1. bereits seit 35 Jahren privat sei, 2. das Unternehmen sich nur auf dem Gebiet der fraglichen Gemeinde betätige und 3. auf die Zugehörigkeit zu einem privaten Konzern in der Werbung Stadtwerke X – ein Unternehmen der … hingewiesen werde. Unter diesen Voraussetzungen könne nur ein sehr kleiner, wettbewerbsrechtlich nicht relevanter Teil der Verkehrskreise auf ein Energieversorgungsunternehmen in kommunaler Hand schließt. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.11.2010 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage, die erstinstanzlich darauf gerichtet war, es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, in ihrer Firmenbezeichnung den Bestandteil „Stadtwerke“ zu verwenden, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein dahingehender Unterlassungsanspruch folge insbesondere nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Dabei hat es offen gelassen, ob die Parteien Mitbewerber sind, da die Firmierung der Beklagten jedenfalls aufgrund der besonderen Umstände dieses Einzelfalles nicht als irreführend zu beanstanden sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, in ihrer Firmenbezeichnung den Bestandteil „Stadtwerke“ zu verwenden,

hilfsweise

sich als „Stadtwerke X – ein Unternehmen der …“ zu bezeichnen oder die Internetdomain „Stadtwerke-X“ zu benutzen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. genannten Handlungen begangen hat, und zwar durch Nennung des Zeitraums, der Art und der Auflage der verwendeten Werbemittel;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.780,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezeug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Allerdings ist die mit dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag verbundene Klageänderung gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Klageänderung ist sachdienlich, weil es prozesswirtschaftlich ist, die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Unterlassungsvarianten gemeinsam mit dem Gegenstand des Hauptantrages zu entscheiden. Auch kann die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Denn Gegenstand des Hilfsantrages ist die konkrete Firmierung der Beklagten sowie ihre Internetdomain, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Tatsachenvorbringens war.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Weder die mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen.

Dabei unterstellt der Senat, wie bereits im vorausgegangenen Eilverfahren 6 U 65/10, dass zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Der Senat hatte dazu in seinem Urteil vom 24.06.2010 ausgeführt:

„Allerdings scheitert der Verfügungsanspruch nicht schon daran, dass die Antragstellerin nicht legitimiert wäre, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Antragstellerin ist ein privater Anbieter auf dem Gassektor, die neben Weiterleitern, industriellen Großverbrauchern und örtlichen Gasversorgungsunternehmen auch ihr Schwesterunternehmen, die Firma A, mit Gas beliefert, die dieses wiederum an Privat- und Gewerbekunden weiterliefert. Die Antragsgegnerin vertreibt Strom, Wasser und Fernwärme an Privathaushalte und Gewerbebetriebe.

Sofern die Antragsgegnerin Strom vertreibt, besteht zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da Strom und Gas alternativ als Energiequelle beispielsweise für den Betrieb von Herden in Betracht kommen.“

An dieser Beurteilung hält der Senat fest.

Die mit dem Hilfsantrag beanstandete Firmierung der Antragsgegnerin als „Stadtwerke X – ein Unternehmen der …“ ist jedoch aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht als irreführend gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG zu beanstanden. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil betreffend das Eilverfahren ausgeführt:

„Zwar weist die Antragstellerin mit Recht darauf hin, dass die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Begriff „Stadtwerke“ an sich ein kommunales Unternehmen assoziieren, das als solches im besonderen Maße vertrauenswürdig ist und bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken kann, sozusagen in das eigene Unternehmen zu investieren, wenn man Kunde dort ist (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 08.12.2009, Rdn. 40-47, Aktenzeichen 4 U 128/09). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die beanstandete Firmierung seit mehr als 35 Jahren benutzt. Da die Antragsgegnerin sich auf einem räumlich begrenzten Gebiet betätigt, ist davon auszugehen, dass nach so langer Zeit allenfalls ein unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise noch dem Irrtum erliegt, es handele sich bei der Antragsgegnerin um ein kommunales Versorgungsunternehmen. Diesem Eindruck wird auch dadurch entgegengewirkt, dass die Antragsgegnerin auf ihrem Internetauftritt und auf ihrem Briefkopf unter der Firma „Stadtwerke X“ den Hinweis gibt: „ein Unternehmen der …“. Auch wenn dieser Umstand für sich genommen nicht geeignet wäre, eine Irreführungsgefahr auszuschließen, trägt er im Rahmen der Gesamtumstände dazu bei, die Irreführungsgefahr zu minimieren.“

Auch hieran hält der Senat fest. Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass die Geschäftsanteile der Beklagten bereits im Jahr 1974 von der … übernommen worden sind, hat die Beklagte dies durch Vorlage der entsprechenden notariellen Urkunde (Anlage BB1, Bl. 180 f. d. A.) hinreichend dargelegt; dem ist die Klägerin nicht weiter entgegengetreten. Zu ergänzen ist, dass sich der Geschäftssitz der Beklagten im Haus der … befindet, was durch ein entsprechendes Schild vor dem Gebäude, wie aus den Abbildungen in der Anlage B2 (Bl. 68 f. d. A.) ersichtlich, kenntlich gemacht wird. Entgegen der Auffassung der Klägerin deutet dieses Schild nicht auf zwei Unternehmen hin, die völlig unabhängig voneinander sind, sondern auf miteinander verbundene Unternehmen.

Daher kann es der Beklagten weder generell, noch in der Form, wie von ihr gehandhabt, verboten werden, sich als „Stadtwerke X – ein Unternehmen der …“ zu bezeichnen. Dies vermag der Senat, der zu den potentiell angesprochenen Verkehrskreisen gehört, aus eigener Sachkunde zu beurteilen.

Auch die Benutzung der Internetdomain „Stadtwerke-X“ ist nicht als irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, ist aufgrund der konkreten Marktsituation davon auszugehen, dass die weit überwiegende Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise mittlerweile wissen, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen der … handelt. Aufgrund des Auftretens der Beklagten, welches sich dadurch auszeichnet, dass sie stets darauf hinweist, ein Unternehmen der … zu sein, darf angenommen werden, dass nur ein sehr kleiner, wettbewerbsrechtlich nicht relevanter Teil der Verkehrskreise von der Internetdomain „Stadtwerke-X“ auf ein Energieversorgungsunternehmen in kommunaler Hand schließt. Selbst wenn zugunsten der Klägerin zu unterstellen sein sollte, dass die hiervon ausgehende Irreführungsgefahr nicht vernachlässigbar sein sollte, ist im Rahmen der bei § 5 UWG vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die Domain der Firmierung der Beklagten entspricht, welche sie seit fast 40 Jahren verwendet. Daher ist das Interesse der Beklagten an der Weiterbenutzung höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit, eine allenfalls marginale Irreführungsgefahr auszuschließen (vgl. BGH GRUR 2003, 628, 630 – Klosterbrauerei). Auch ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Internetnutzer, der diesen Domainnamen eingibt bzw. anklickt, sofort auf eine Seite stößt, auf welcher sich die Beklagte als „Stadtwerke X – ein Unternehmen der …“ vorstellt. Zwar mag das Privileg, eine Irreführung, die durch den Domainnamen erzeugt worden ist, durch einen Hinweis auf der ersten sich öffnenden Internetseite zu beseitigen, nur für Gattungsbezeichnungen sowie zwischen gleichnamigen gelten (Köhler/Bornkamm, UWG 29. Auflage, § 5 Rdz. 4.110 unter Verweis auf BGH GRUR 2002, 706, 708 – vossius.de). Das schließt es jedoch nicht aus, diesen Umstand im Rahmen der Interessenabwägung ergänzend heranzuziehen, wenn eine allenfalls marginale Irreführungsgefahr in Rede steht.

Erst recht kann die Klage mit dem Hauptantrag keinen Erfolg haben. Da es der Beklagten aus den dargelegten Gründen nicht untersagt werden kann, sich als „Stadtwerke X – ein Unternehmen der …“ zu bezeichnen, ist ein Unterlassungsanspruch erst recht unbegründet, der darauf abzielt, es der Beklagten generell zu verbieten, in ihrer Firmenbezeichnung den Bestandteil „Stadtwerke“ zu verwenden. Daher muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob der Antrag bereits deshalb zu weit gefasst ist, weil er nur einen Bestandteil des Unternehmenskennzeichens der Beklagten zum Gegenstand hat (so für ein Verbot aus §§ 5, 15 Markengesetz BGH GRUR 2000, 605, 607 – comtes/ComTel).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles.

I