OLG Frankfurt a.M.: Der isolierte Verkauf von CoAs (Certificates of Authenticity) ist unzulässig

veröffentlicht am 2. April 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30.01.2014, Az. 11 W 34/12
§ 14 MarkenG, § 24 MarkenG; § 69c Nr. 1 UrhG, § 97 UrhG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der isolierte Verkauf von zu Computerprogrammen gehörenden CoAs gegen Kennzeichenrechte verstößt und damit unzulässig ist, soweit dem Vertreiber nicht ein Recht zur Lizenzerteilung eingeräumt wurde. Bei der Weitergabe einer CoA handele es sich um eine Vervielfältigungshandlung, da dem Käufer dadurch die Installation des Programmes ermöglicht werde. Dieses Vervielfältigungsrecht sei dem Vertreiber von der Rechtsinhaberin nicht eingeräumt worden, Erschöpfung liege ebenfalls nicht vor. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30.08.2012 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Die Klägerin macht urheber- und markenrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Computerprogramm „A“ und den dazu von ihr verwendeten Echtheitszertifikaten (Certificate of Authenticity, CoA) geltend. Der Beklagte hat solche CoAs isoliert zum Kauf angeboten.

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt, dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

1) „…Echtheitszertifikate … als Lizenzen… anzubieten, feilzuhalten und/oder sonstwie in Verkehr zu bringen;

2) … Echtheitszertifikate … ohne die gemäß Verpackung im Originalzustand zugehörigen weiteren Bestandteile …[Handbücher, Datenträger] .. anzubieten, feilzuhalten und/oder sonstwie in Verkehr zu bringen;

3) ohne Einwilligung der Klägerin hergestellte und/oder in Verkehr gebrachte (= gefälschte) Vervielfältigungsstücke des [Programms …. ] anzubieten, feilzuhalten und/oder sonstwie in Verkehr zu bringen;

4) … mit dem Zeichen… versehene Computerprogramme oder Datenträger anzubieten etc und/oder zu besitzen und/oder in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen, insbesondere wenn die Kennzeichnung mittels eines Echtheitszertifikats …. erfolgt.“

Des Weiteren hat sie entsprechende Auskunfts- und Vernichtungsansprüche sowie Feststellungsklage hinsichtlich einer Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz erhoben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und der Anträge wird auf den angefochtenen Beschluss Bl. 207 ff d.A. Bezug genommen.

Der Beklagte hat für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat seinen Klageabweisungsantrag im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klage jedenfalls nach der Entscheidung des EuGH vom 03.07.2012 (Az. C-128/11, Oracle/UsedSoft) unbegründet sei.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.08.2012 (Bl. 207 ff d.A.) den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten zurückgewiesen und sodann mit Urteil vom 27.9.2012 der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Zur Begründung hat es jeweils ausgeführt, der Unterlassungsanspruch zum Klageantrag 1) ergebe sich aus den §§ 97, 69c Nr. 1 UrhG. Der Beklagte habe mit dem Angebot eines „Lizenzkeys“ zum Ausdruck gebracht, der Käufer erwerbe mit dem dann isoliert gelieferten CoA die Berechtigung zur Installation des Programms, was eine Vervielfältigung erfordere. Der Beklagte habe jedoch selbst keine Rechte zur Gestattung der Vervielfältigung erworben und habe solche Rechte daher auch nicht weitergeben können. Die zitierte Rechtsprechung des EuGH sei nicht einschlägig, weil es nicht um einen Vertrieb von Vervielfältigungsstücken der Software gehe. Im Übrigen sei vom Beklagten darzulegen und zu beweisen gewesen, dass gegebenenfalls bezüglich jeder einzelnen von ihm zugleich mit den CoAs übertragenen Lizenz konkret die Voraussetzungen der Erschöpfung vorlagen.

Der Unterlassungsanspruch zum Klageantrag 2) ergebe sich aus § 14 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG. Das isolierte Anbieten berge im Hinblick auf die bekannte Softwarepiraterie und die Funktion der CoAs die Gefahr, dass die CoAs zur Kennzeichnung illegaler Softwarekopien eingesetzt würden. Eine Erschöpfung nach § 24 MarkenG sei nicht eingetreten, weil sich die Erschöpfung nur auf die Waren selbst, nicht aber auf die Kennzeichen beziehe.

Der Unterlassungsanspruch zum Klageantrag 3) ergebe sich aus den §§ 97, 69c Nr. 1 UrhG. Der Beklagte sei dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, dass es sich bei den vertriebenen Vervielfältigungsstücken um solche handele, die weder aus der Produktion der Klägerin stammten, noch mit deren Zustimmung produziert worden seien. Er habe auch nicht vorgetragen, dass es sich um rechtmäßig hergestellte Kopien handele, hinsichtlich derer die vom EuGH entwickelten Voraussetzungen der Erschöpfung vorgelegen hätten.

Der Unterlassungsanspruch zum Klageantrag 4) ergebe sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das mit den Klagemarken versehene Angebot von CDs bzw. USB-Sticks sei ohne Zustimmung der Klägerin als Markeninhaberin erfolgt; der Beklagte habe auch im geschäftlichen Verkehr gehandelt.

Die Folgeansprüche ergäben sich aus den §§ 19 MarkenG, 101 UrhG (Auskunftsanspruch), §§ 14 Abs. 6 MarkenG, 97 Abs. 2 UrhG (Schadensersatzanspruch) und §§ 18 MarkenG, 98 UrhG (Vernichtungsanspruch).

Gegen den ihm am 03.09.2012 zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat der Beklagte am 06.09.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.09.2012 nicht abgeholfen.

Mit der Beschwerde macht der Beklagte geltend, die Klägerin habe die CoAs selbst als Lizenzen ausgestaltet. Maßgeblich sei insoweit der Empfängerhorizont. Die Klägerin habe die CoA beispielsweise an B geliefert, damit diese sie weiterverkauften. Nach der Rechtsprechung des EuGH handele es sich dabei der Sache nach um eine umfassende Veräußerung, also einen Verkauf. Das Verbreitungsrecht der Klägerin habe sich durch diesen ersten Verkauf erschöpft.

Auch der Antrag zu I 2) sei unbegründet. Die Klägerin habe selbst wirksame Maßnahmen gegen eine Aufspaltung von Softwarekopien geschaffen, so dass die vom Gericht angenommene Gefahr nicht bestehe. Da die CoAs in ihrer Funktion als Product Keys und als verkörperte Lizenzerklärung über bloße Kennzeichnungsmittel hinausgingen, könne nicht über den Umweg des § 14 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG ein Verbot des Vertriebs von CoAs erreicht werden.

Der Antrag zu I 3) sei unbegründet, weil die Klägerin selbst die Dateien per Download kostenfrei bereitgestellt habe, ohne dass diese mit einer Lizenz oder einem Product Key unmittelbar verbunden gewesen seien.

Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie hält die erstinstanzliche Rechtsverteidigung des Beklagten überdies für mutwillig, weil sie erst mehrere Monate nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist erfolgt sei.

II.
Die nach den §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1)
Dem Beklagten war die begehrte Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu versagen, weil sein Verteidigungsvorbringen zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg hatte.

a)
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. Klageantrag zu I 1 aus den §§ 97, 69c Nr. 1 UrhG bejaht.

Ein Käufer, der von dem Beklagten ein CoA erwirbt, hat die Absicht, das urheberrechtlich geschützte Programm der Klägerin auf seinem Rechner zu installieren, was ihm durch den auf dem CoA befindlichen Product Key faktisch ermöglicht wird. Hierin liegt eine Vervielfältigung des Programms i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG. Der Beklagte als Verkäufer ist als (Mit-)täter dieser Handlung anzusehen, zumal er im Hinblick auf die Garantiefunktion des CoA gegenüber dem Käufer zum Ausdruck bringt, dass dieser mit dem Kauf der CoA auch das Recht zur Vervielfältigung erwirbt.

Zu einer solchen Gestattung der Vervielfältigung ist nach § 69c UrhG allein die Klägerin als Rechtsinhaberin befugt. Der Beklagte hat nicht schlüssig vorgetragen, durch welche(n) Rechtsakt(e) er selbst von wem Vervielfältigungsrechte erworben haben will. Allein der Umstand, dass er im Besitz von – isolierten – CoAs ist, besagt nichts darüber, dass ihm auch Verwertungsrechte zustehen. Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen würde – was nach dem schlüssigen Vorbringen der Klägerin nicht der Fall ist -, dass die CoAs selbst Lizenzen verkörpern, bedürfte es eines konkreten Vortrages für jeden Einzelfall, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung vorlagen. Hierauf hat bereits das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen, ohne dass der Beklagte mit der Beschwerde dazu näher vorgetragen hätte.

b)
Auch ein Unterlassungsantrag gemäß Klageantrag zu I 2 ist aus den vom Landgericht dargelegten Gründen gegeben.

Bei den CoAs handelt es sich um Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen sind. Der Beklagte hat auch in der Beschwerde nichts dazu vorgetragen, dass entgegen der Feststellung des Landgerichts nicht die vom Landgericht angenommene Gefahr einer Benutzung für Waren besteht, hinsichtlich derer Dritten die Benutzung nach § 14 Abs. 2, 3 MarkenG untersagt wäre und somit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG nicht erfüllt wären. So hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren auch ausdrücklich auf einen konkreten Fall Bezug genommen, in dem ein CoA mit einem nicht von der Klägerin stammenden Datenträger mit dem geschützten Programm der Klägerin verbunden worden war, ohne dass der Beklagte insoweit zu den Voraussetzungen der Erschöpfung i.S.d. § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG vorgetragen hätte (s. dazu unten 3).

Zutreffend hat das Landgericht hinsichtlich der CoAs selbst die Voraussetzungen einer Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG verneint. Dem ist die Beschwerde nicht entgegengetreten.

c)
Die Ausführungen des Landgerichts zur Begründung des Anspruchs zu Ziff. I.3 begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Beklagte hat auch mit der Beschwerde weder vorgetragen, dass die Vervielfältigung mit Einwilligung der Klägerin erfolgte, noch dazu, dass hinsichtlich der von ihm vertriebenen Vervielfältigungsstücke des Programms der Klägerin Erschöpfung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH eingetreten war. Dass die Klägerin die unautorisierte Vervielfältigung faktisch ermöglicht hat, wie die Beschwerde geltend macht, führt noch nicht zu einer entsprechenden Befugnis des Beklagten.

d)
Zutreffend hat das Landgericht weiterhin den Klageanspruch zu I 4) aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für begründet erachtet. Der dagegen gerichtete – einzige – Einwand der Beschwerde, marken- und urheberrechtliche Erschöpfung ließen sich nicht unterschiedlich definieren, ist unbehelflich, da der Beklagte die Voraussetzungen weder einer urheberrechtlichen noch einer markenrechtlichen Erschöpfung schlüssig vorgetragen hat.

e)
Gegen die Begründetheit der auf Auskunft, Herausgabe zur Vernichtung und Schadensersatz gerichteten weiteren Klageansprüche hat der Beklagte keine über den Angriff gegen die Unterlassungsansprüche hinausgehenden Einwände erhoben.

2)
Der Antragsteller hat nach § 22 GKG i.V.m. KV Nr. 1812 die Gerichtskosten der Beschwerde zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2, 3 ZPO nicht vorliegen.

Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 2-3 O 27/12

I