OLG Frankfurt a.M. Die Bezeichnung „Whiskey-Cola“ ist nicht wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 7. Mai 2010

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.03.2010, Az. 6 U 219/09
§§ 3, 4 Nr. 11 UWG; Art. 10 Abs. 1, 2 VO (EG) Nr. 110/2008

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass die Bezeichnung „Whiskey-Cola“ nicht wettbewerbswidrig ist.  Gemäß Art. 10 Abs. 2 VO (EG) Nr. 110/2008 ist die Verwendung eines zusammengesetzten Begriffs nach Art. 10 Abs. 1 verboten, wenn eine Spirituose so stark verdünnt wurde, dass der Alkoholgehalt unter dem in der Begriffsbestimmung für die betreffende Spirituose festgelegten Mindestalkoholgehalt liegt. Im vorliegenden Fall ging der Senat allerdings davon aus, dass es sich bei dem Mix-Getränk nicht um verdünnten Whiskey handele. Zitat:

„Die Beklagte verwendet in der Aufmachung (vgl. hierzu Anhang I Nr. 15 der VO (EG) Nr. 110/2008) ihres Produkts zusammengesetzte Begriffe im Sinne der genannten Vorschrift, soweit sie den Begriff „Whiskey“ (vgl. Anhang II Nr. 2 der VO (EG) Nr. 110/2008) in den Angaben „Whiskey & Cola“ und „Bourbon Whiskey & Cola“ benutzt. Auch die Angabe „Cola-Getränk mit … Bourbon Whiskey“ mag hierunter zu fassen sein.

Den Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung wird die Antragsgegnerin unstreitig gerecht, da der im Erzeugnis enthaltene Alkohol ausschließlich von Bourbon Whiskey stammt, der für sich genommen auch den für Whiskey vorgeschriebenen Mindestalkoholgehalt von 40% vol. aufweist.

Hingegen bleibt das Endprodukt (Whiskey/Cola) mit einem Alkoholgehalt von 10% vol. weit unter dem für Whiskey vorgeschriebenen Mindestalkoholgehalt. Ferner ist es wegen des vergleichsweise geringen Alkoholgehalts keine Spirituose im Sinne der Verordnung (Art. 2 der VO (EG) Nr. 110/2008).

Gleichwohl liegt kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 110/2008 vor, weil das von der Antragsgegnerin vertriebene Getränk nicht als verdünnte Spirituose – hier: verdünnter Whiskey – anzusehen ist. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Verordnung spricht aus den vom Landgericht dargelegten Gründen zwar einiges dafür, dass der in der Verordnung verwendete, aber dort nicht eigens definierte, Begriff der Verdünnung nicht auf eine Vermischung mit Wasser zu beschränken ist. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass jedwedes Getränk oder ein anderes Lebensmittel, das unter Verwendung einer bestimmten Spirituose hergestellt wurde, deren Mindestalkoholgehalt aber nicht erreicht, eine Verdünnung der betreffenden Spirituose darstellt.

Soweit die Europäische Kommission in ihren Leitlinien (Guidelines) die Auffassung vertreten hat, der Begriff der Verdünnung i.S.v. Art. 10 II umfasse jeden Prozess, der im Ergebnis dazu führe, dass der Alkoholgehalt derart vermindert werde, dass er unterhalb des definierten Mindestalkoholgehaltes der jeweiligen Spirituose falle, ist zu berücksichtigen, dass diese Leitlinien keine Rechtsnormqualität haben. Im übrigen wird die eben wiedergegebene Definition dadurch relativiert, dass nach den Leitlinien die üblichen Herstellungsschritte für eine Spirituose, auch wenn sie zu einer Reduzierung des Alkoholgehaltes führen, von dem Begriff „Verdünnung“ nicht erfasst werden sollen.

Für eine eher restriktive Auslegung des Begriffs der Verdünnung sprechen folgende Erwägungen: Nach dem Erwägungsgrund (2) der VO (EG) Nr. 110/2008 sollen die den Spirituosensektor betreffenden Maßnahmen dem Verbraucherschutz, der Verhinderung betrügerischer Praktiken und der Verwirklichung von Markttransparenz und fairem Wettbewerb dienen. Diese Zielsetzung spricht im Grundsatz dafür, dass ein unter der Verwendung einer Spirituose erzeugtes Mischgetränk, das uneingeschränkt verkehrsfähig ist, unter prägnanter Angabe seiner wesentlichen Komponenten als das bezeichnet werden sollte, was es ist. Würde die Verwendung eines zusammengesetzten Begriffes, der die Zusammensetzung des Mischgetränks zutreffend erfasst, untersagt – und dies nicht nur als Teil der Verkehrsbezeichnung sondern in der Aufmachung des Lebensmittels schlechthin (vgl. demgegenüber die für Spirituosenmischungen einschlägige Regelung in Art. 11 IV der VO) -, so würde den Verbrauchern eine nützliche Information und dem Vertreiber des Erzeugnisses eine sachgerechte wettbewerbliche Kommunikationsmöglichkeit vorenthalten.

Nach der Auffassung des Senats liegt eine „Verdünnung“ i.S.v. Art. 10 II der VO (EG) Nr. 110/2008 nicht vor, wenn das Endprodukt eine Mischung (vgl. hierzu Anhang I Nr. 4 der VO) aus einer Spirituose nach Anhang II der Verordnung und einem definierten Getränk darstellt, dem der Verkehr keine bloße Verdünnungsfunktion zuschreibt. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Es kommt hinzu, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Getränk Whiskey/Cola um ein seit längerem eingeführtes und dem Verkehr bekanntes Mischgetränk handelt, zu dessen Erzeugung die Beifügung von Cola einen „üblichen Herstellungsschritt“ darstellt.

Soweit der Antragsteller auch die Angabe „Whiskeygehalt: 25%“ beanstandet, liegt zudem schon deshalb kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 110/2008 vor, weil kein zusammengesetzter Begriff i.S.v. Art. 10 I, II der VO verwendet wird. Ein Verstoß gegen Art. 9 IV der Verordnung scheidet aus, weil das Getränk durch die Angabe „Whiskeygehalt: 25%“ weder bezeichnet noch etikettiert wird. Es handelt sich lediglich um eine – zur Information des Verbrauchers zwingend gebotene – Bestandteilsangabe.

Selbst wenn ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen Art. 10 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 110/2008 zu bejahen wäre, wäre der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unbegründet, da jedenfalls keine unzulässige geschäftliche Handlung vorliegt (§ 8 Abs. 1 UWG).

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG wären zwar erfüllt, da Art. 10 Abs. 2 der Verordnung auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine unzulässige geschäftliche Handlung wäre jedoch nur dann gegeben, wenn auch die weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S.1 UWG vorlägen.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 1 UWG erfasst in richtlinienkonformer Auslegung – in Abgrenzung zu § 3 Abs. 1 UWG – geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern, die nicht zu den irreführenden oder aggressiven Geschäftspraktiken i.S.d. Artt. 4 Abs. 4, 6-9 der UGP-Richtlinie gehören, für die also maßgebend auf die in Art. 5 Abs. 2 der UGP-Richtlinie normierte Generalklausel abzustellen ist (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 3 Rn 8 f.; a.A. Piper/ Ohly/ Sosnitza , UWG, 5. Auflage, § 3 Rn 79 f.). Der hier in Rede stehende Rechtsverstoß erfüllt weder die Voraussetzungen einer irreführenden oder aggressiven Geschäftspraktik gemäß den Artt. 4 Abs. 4, 6-9 der UGP-Richtlinie noch einen der Tatbestände im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG.

Eine unzulässige geschäftliche Handlung könnte somit nur dann bejaht werden, wenn das der Antragsgegnerin angelastete Verhalten nicht der für sie als Unternehmen geltenden fachlichen Sorgfalt entsprach und außerdem dazu geeignet war, die Fähigkeit des Durchschnittsverbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 3 Abs. 2 S.1 UWG). Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die beanstandeten Angaben die Fähigkeit des Durchschnittsverbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, beeinträchtigen könnten. Auch eine Verletzung der fachlichen Sorgfalt ist zu verneinen, da die Verwendung der beanstandeten Angaben im Einklang mit den Beratungsergebnissen der Arbeitsgruppe „Wein und Spirituosen“ des Arbeitskreises der lebensmittelchemischen Sachverständigen der Länder und des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit steht, die durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 16.12.2009 (Anlage BK 3) bekannt gemacht wurden.“

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