OLG Frankfurt a.M.: Die unwahre Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren löst Ansprüche auf Richtigstellung und Schadensersatz aus

veröffentlicht am 30. Juli 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.05.2014, Az. 16 U 179/13
§ 823 BGB, § 1004 BGB

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die – nachweislich falsche – Zeitungsberichterstattung über ein Ermittlungsverfahren wegen u.a. Hehlerei gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. Diese löse Ansprüche des Klägers auf Richtigstellung und Schadensersatz aus, da die Beklagte sich in keiner Weise um eine Verifizierung vor der Berichterstattung bemüht habe und ihr daher eine schwere Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten anzulasten sei. Die Richtigstellung habe an gleicher Stelle wie die Erstmitteilung und dem drucktechnisch hervorgehobenen Wort „Richtigstellung“ zu erfolgen. Als Geldentschädigung sah das Gericht einen Betrag in Höhe von 25.000,00 EUR als angemessen an. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. August 2013, 2-03 O 474/12, abgeändert.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „X“ die nachfolgende Richtigstellung an gleicher Stelle wie die Erstmitteilung ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken, wobei das Wort „Richtigstellung“ drucktechnisch hervorgehoben in derselben Schriftgröße und Schrifttype wie die Überschrift „Y“ und der Text der Richtigstellung in der Schriftgröße und Schrifttype wie die Ausgangsmitteilung zu erfolgen hat.

[Text]

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1 30.000,- € und an die Klägerin zu 2 20.000,- €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2013, zu zahlen.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, die Kläger gegenüber Rechtsanwalt A, B-Str. …, O1, von Verbindlichkeiten in Höhe von 677,23 € freizustellen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Kläger gegenüber Rechtsanwalt A, B-Straße …, O1 von Verbindlichkeiten in Höhe von 1.091,83 € als Gesamtschuldner freizustellen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1 29 % und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 71 %.

Das Urteil ist im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung und hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 70.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger zu 1 war rund 20 Jahre lang bis in das Jahr 20… hinein Geschäftsführer der C GmbH, einer Marketinggesellschaft …; die Klägerin zu 2 ist die Ehefrau des Klägers zu 1 und betreibt ein Unternehmen …. Die Beklagte zu 1 verlegt die X. In dieser Zeitung – … – wurden unter dem … 2012 und dem … 2012 zwei Artikel des Beklagten zu 2 veröffentlicht. Der Artikel vom … 2012 mit der Überschrift „Y“ befasst sich mit auf drei ihrem Anschein nach aus D stammenden Schreiben gestützten Vorwürfen des Verdachts der Hehlerei und des illegalen Z- bzw. Mineralienhandels gegen den Kläger zu 1 sowie der Steuerhinterziehung gegen die Klägerin zu 2. In dem Artikel vom … 2012 wird unter der Überschrift „E: …“ darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft O1 vor dem Hintergrund von Ermittlungen in D, wonach der Kläger zu 1 dort einen geraubten Z gekauft haben soll, eine Akte „E“ angelegt habe.

Wegen einer Vielzahl von Äußerungen in beiden Artikeln hat das Landgericht auf Antrag des Klägers bzw. beider Kläger einstweilige Unterlassungsverfügungen erlassen und den Unterlassungsanträgen auch in den nachfolgenden Hauptsacheverfahren (Az. …) umfänglich stattgegeben.

Vorliegend begehren die Kläger hinsichtlich des Artikels vom … 2012 den Abdruck einer Richtigstellung und die Zahlung einer Geldentschädigung – der Kläger zu 1 auch wegen des Artikels vom … 2012 – sowie die Freistellung von Anwaltskosten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 160 bis 168 d.A.) Bezug genommen.

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Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl.168 bis 174 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihnen am 3. September 2013 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem am 2. Oktober 2013 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Dezember 2013 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

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Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. August 2013, Az. 2-03 O 474/12 abzuändern und
I. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „X“ die nachfolgende Richtigstellung an gleicher Stelle wie die Erstmitteilung ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken, wobei das Wort „Richtigstellung“ drucktechnisch hervorgehoben in derselben Schriftgröße und Schrifttype wie die Überschrift „Y“ und der Text der Richtigstellung in der Schriftgröße und Schrifttype wie die Ausgangsmitteilung zu erfolgen hat.
[Text]
II. die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen der Berichterstattung vom ….2012 („Y“) an den Kläger zu 1) und an die Klägerin zu 2) jeweils zum Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit Blick auf den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 25.000,00 € und mit Blick auf die Klägerin zu 2) einen Betrag in Höhe von 20.000,00 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit jedoch nicht unterschreiten sollte,
III. die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, wegen der Berichterstattung vom ….2012 ( „E: …“) an den Kläger zu 1 zum Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens eine Geldentschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit jedoch nicht unterschreiten sollte,
IV. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die Kläger gegenüber dem Rechtsanwalt A, B-Straße …, O1 von Verbindlichkeiten in Höhe von 677,23 € freizustellen.
V. die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Kläger gegenüber dem Rechtsanwalt A, B-Straße …, O1 von Verbindlichkeiten in Höhe von 1.091,83 € als Gesamtschuldner freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist begründet.

1.
Der Kläger zu 1 hat gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Abdruck der begehrten Richtigstellung.

Durch den Artikel wird der Eindruck, gegen den Kläger werde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei und des illegalen Handelns mit Z geführt, und zwar sowohl in D als auch in F. Letzteres ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts aus der fett gedruckten Einleitung „…“ und der Mitteilung, dass Unterlagen betreffend die einzelnen Vorwürfe aus D in F angekommen und jetzt die Namen des Ehepaares in Behördenakten zu lesen seien, Staatsanwälte eingeschaltet seien, Kripobeamte ermittelten und Anwälte aktiv würden. Mit diesen Angaben verbindet der unvoreingenommene Leser in dem angegebenen Zusammenhang, dass (auch) F Behörden und Institutionen gegen den Kläger ermitteln.

Der Eindruck, dass gegen den Kläger Ermittlungsverfahren geführt würden, ist falsch.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass in Anlehnung an § 1004 BGB die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt hat, dass der Betroffene vom Störer die Berichtigung einer unwahren Tatsachenbehauptung verlangen kann, um einem Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen und so die rechtswidrige Störung abzustellen. Eine Form der Berichtigung ist die Richtigstellung (vgl. BGH, Urteil vom 22.4.2008, VI ZR 83/07 = NJW 2008, 2262). Dabei setzt der Anspruch auf Richtigstellung grundsätzlich voraus, dass die Unwahrheit der Behauptung feststeht, weil niemand durch Richterspruch verpflichtet werden darf, etwas als unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist.

Werden aufgrund einer unwahren Tatsachenbehauptung zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht, liegt die Beweislast für die Unwahrheit nach allgemeinen Regeln grundsätzlich beim Kläger. Dies gilt auch bei einem Berichtigungsanspruch. Allerdings kann den Beklagten in Streitigkeiten über eine Richtigstellung eine erweiterte (sekundäre) Darlegungslast treffen, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine Behauptung anzugeben. Der vom Betroffenen zu führende Beweis lässt sich nämlich regelmäßig nur führen, wenn ihm die konkreten Fakten bekannt sind, auf die der Äußernde seine Vorwürfe stützt. Kommt dieser der ihm obliegenden erweiterten Darlegungslast nicht nach, ist nach § 138 Abs. 3 ZPO von der Unwahrheit seiner Behauptung auszugehen (vgl. nur BGH, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht bereits einiges dafür, dass die Beklagte zu 1 ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen ist.

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Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es in D kein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen den Kläger zu 1 gegeben hat oder gibt. Da auch in F kein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger zu 1 geführt wird, ist die begehrte Richtigstellung nicht unwahr, so dass die Beklagte zu 1 zum Abdruck verpflichtet ist.

2.
Auch die Klägerin zu 2 hat gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Abdruck der begehrten Richtigstellung.

Auch insoweit ist bereits fraglich, ob die von der Beklagten zu 1 angeführten Belegtatsachen für eine ordnungsgemäße sekundäre Darlegung der Beklagten ausreichen; zumindest ergibt sich aber auch hier aus den Gesamtumständen, dass gegen die Klägerin zu 2 weder In D noch in F ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerbetrugs geführt wird.

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3.
Der Kläger zu 1 hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der im Artikel vom … 2012 erfolgten Verdachtsberichterstattung über den Vorwurf der Hehlerei und des illegalen Z-Handels aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Höhe von 25.000,- €.

Grundsätzlich vermag nicht jede schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen einen Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung auszulösen; vielmehr kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (ständige Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, zitiert nach juris). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.

Nach diesen Grundsätzen ist ein hinreichend schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu bejahen.

Der gegen den Kläger erhobene Verdacht der in D begangenen Hehlerei und des illegalen Z-Handels wiegt ausgesprochen schwer, wird doch der Kläger damit Straftaten verdächtigt, die im Bereich der internationalen Wirtschaftskriminalität angesiedelt und besonders geeignet sind, die Integrität des Klägers, der auch im Rahmen seiner beruflichen Stellung in der Wirtschaft auf einen guten Ruf angewiesen ist, in Frage zu stellen.

Dabei handelten die Beklagten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie – wie bereits das Landgericht in seinen Urteilen vom …, festgestellt hat – ihre publizistischen Sorgfaltspflichten verletzt haben, und zwar nach Auffassung des Senats in hohem Maße.

Insoweit gilt, dass es zwar zu den legitimen Aufgaben der Medien gehört, Verfehlungen und Missstände aufzuzeigen; sie brauchen nicht damit zu warten, bis der volle Nachweis amtlich bestätigt ist. Sie können ganz im Gegenteil Vorgänge von sich aus aufgreifen, auch in einem Stadium, in dem zunächst lediglich ein Verdacht besteht. Sie haben aber journalistische Sorgfaltspflichten zu beachten. Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. In jedem Fall müssen die Medien, bevor sie über einen Verdacht berichten, durch die ihnen möglichen Ermittlungen die Gefahr, über den Betroffenen etwas Falsches zu berichten, nach Kräften auszuschalten versuchen. Eine Vorverurteilung durch die Medien ist auszuschließen. Deshalb ist auch über Tatsachen und Argumente zu berichten, die den Betroffenen entlasten. Er sollte ferner Gelegenheit zur Stellungnahme haben (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 17.12.2013, a.a.O.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A, Kap. 10 Rn. 154 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Diesen Voraussetzungen sind die Beklagten in keiner Weise gerecht geworden. Die gegen den Kläger zu 1 erhobenen Vorwürfe wiegen schwer. Von daher hätte besondere Veranlassung bestanden, vor einer Veröffentlichung so weit wie möglich sicher zu stellen, dass der geäußerte Verdacht nicht aus der Luft gegriffen ist. Es fehlt aber bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie bereits oben dargelegt, stützen sich die Beklagten auf eine aus einem korrupten Land stammende E-Mail vom … 2012, die bereits aus sich heraus auffallend widersprüchlich und inkonsistent ist, keinen konkreten Sachbearbeiter benennt und in sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür beinhaltet, dass der erhobene Vorwurf der Hehlerei und des illegalen Z-Handels zutreffen könnte. Über irgendwelche verlässlichen Zusatzinformationen zur Verifizierung der Vorwürfe verfügen die Beklagten nicht; sie behaupten auch keine zusätzlichen Recherchen und haben sich vor der Veröffentlichung weder mit D- noch mit F-Behörden in Verbindung gesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beklagten in großer Aufmachung – es handelt sich um einen DIN A 3-Artikel – über die Kläger berichtet haben, beide mit vollem Namen genannt wurden und der Kläger zu 1 zudem dreifach – z.T. ebenfalls groß – abgelichtet wurde; gerade wenn eine schwerwiegende Verdachtsbehauptung auf eine derart dürftige Tatsachen- und Recherchegrundlage gestützt wird, gebietet es eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person nicht unter voller Namensnennung – geschweige denn unter Abbildung – an den Pranger zu stellen (BGH, a.a.O.).

Es bestand im Weiteren keinen Anlass für die Beklagten, unmittelbar nach Erhalt der E-Mail über die Vorwürfe zu berichten. Angesichts der offensichtlichen Widersprüchlichkeit der E-Mail hätte es nahe gelegen, vor einer Berichterstattung zunächst abzuwarten, wie sich die StA verhält und ob überhaupt ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Da sich die Vorgänge, die dem Kläger zu 1 zur Last gelegt werden, ohnehin bereits im Jahr 2011 ereignet haben sollen, lag auch kein Bedürfnis für eine „tagesaktuelle“ Berichterstattung vor.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts haben die Beklagten auch eine auf Sensation ausgehende, präjudizierende Darstellung gewählt. Der gesamte Artikel ist geprägt von Misstrauen gegenüber den Klägern und dem Vorwurf des Mitmischens in kriminellen undurchsichtigen Geschäften, der den Eindruck hinterlässt, dass trotz der aufgeworfenen Fragen und der Beteuerungen der Kläger, dass die Vorwürfe unberechtigt seien, an der Sache sicher etwas dran sei.

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Insgesamt handelt es sich danach um eine schwere Persönlichkeitsverletzung, die für den Kläger verheerende Folgen hatte. Aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung gab sein Arbeitgeber Untersuchungen durch eine Anwaltskanzlei und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G in Auftrag (siehe dazu Urteil des Senats in der Sache …). Auch wenn der Kläger letztlich von den Vorwürfen entlastet worden ist, hatten sie aufgrund des mit ihnen verbundenen Reputationsverlusts erhebliche berufliche Auswirkungen, zumal durch die Untersuchungen bei der C GmbH die Verdächtigungen auch unmittelbar in sein berufliches Arbeitsumfeld hineingetragen wurden. Der Kläger hat auch dargelegt, dass die Berichterstattung zu anonymen Stellungnahmen führte, die im Kreis seiner Mitarbeiter kursierten und in denen die Berichterstattung als wahre Erkenntnis dargestellt wurde (vgl. Bl. 119 d.A.). Daneben wurde die Berichterstattung der Beklagten von einer Vielzahl anderer Medien aufgegriffen, die sich ohne weitere eigene Nachforschungen auf die Beklagte zu 1 bzw. die X als Quelle beriefen. Damit erfolgte eine Verbreitung der Vorwürfe auch über den regionalen Bereich hinaus. Die Kläger haben auch unbestritten weitere gravierende Folgen im privaten und persönlichen Bereich dargelegt.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erachtet der Senat einen Betrag in Höhe von 25.000,- € als erforderlich, aber auch ausreichend, um die Beeinträchtigung angemessen auszugleichen. Der Kläger ist durch die bewusst einseitige Darstellung des gegen ihn erhobenen schwerwiegenden Verdachts unter voller Namensnennung und unter mehrfacher Abbildung seiner Person von den Beklagten vor einer breiten Öffentlichkeit an den Pranger gestellt worden, wobei der Beklagte zu 2 in schwerwiegender Weise gegen die Erfordernisse einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verstoßen hat. Der Kläger ist dadurch einer gravierenden beruflichen, privaten und sozialen Ächtung ausgesetzt worden. Dabei ist nicht ersichtlich, dass diese schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung allein durch einen Unterlassungs- und Richtigstellungsanspruch wiedergutgemacht werden könnte.

4.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen des Artikels vom … 2012 in Höhe von 5.000,- €.

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5.
Die Klägerin zu 2 hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der im Artikel vom … 2012 erfolgten Verdachtsberichterstattung über den Verdacht des Steuerbetrugs in Höhe von 20.000,- €.

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Die damit von dem Senat ausgeurteilte Entschädigungssumme schränkt auch die Pressefreiheit nicht unverhältnismäßig ein. Es handelt sich um schwerwiegende Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht der Kläger, bei denen die Beklagten unter eklatanter Außerachtlassung journalistischer Sorgfaltspflichten wiederholt unwahr über die Kläger berichtet haben, wobei sie die unwahre Berichterstattung auch über die beiden hier streitgegenständlichen Artikel hinaus fortgesetzt haben (vgl. Urteil des Senats in der Sache …). Vor diesem Hintergrund ist es auch unter Berücksichtigung der Pressefreiheit nicht zu beanstanden, wenn bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung ein Hemmungseffekt eintritt.

6.
Aufgrund der schuldhaften Persönlichkeitsrechtverletzungen haben die Beklagten die Kläger von ihren Verbindlichkeiten betreffend die außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten freizustellen.

Nach alledem war der Berufung stattzugeben.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Im Hinblick auf die Verurteilung zur Veröffentlichung einer Berichtigung ist das Urteil erst nach Rechtskraft vollstreckbar (Soehring/Hoene, Presserecht, 5. A., § 31 Tz. 18). Dies folgt daraus, dass eine einmal erfolgte Veröffentlichung nicht mehr abgeändert oder rückgängig gemacht werden kann; dies rechtfertigt es, vor einer abschließenden Verpflichtung zum Abdruck der Richtigstellung den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abzuwarten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.

Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 2-3 O 474/12

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