OLG Frankfurt a.M.: Die Werbung mit einer nicht überprüfbaren Wirkung für ein technisches Gerät ist irreführend

veröffentlicht am 20. November 2013

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 26.09.2013, Az. 6 U 195/10
§ 5 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Werbung mit einer bestimmten Wirkung für ein technisches Gerät irreführend ist, wenn diese Wirkung wissenschaftlich nicht erklärt und auch durch ein Sachverständigengutachten nicht überprüft werden kann. Vorliegend wurde ein Gerät zur Mauerentfeuchtung mit eben dieser Wirkung angepriesen. Die beschriebene Wirkweise sei jedoch physikalisch nicht nachvollziehbar und könne auch nicht unter nachvollziehbaren Rahmenbedingungen gutachterlich geprüft werden. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. August 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt dahingehend abgeändert, dass die Urteilsaussprüche zu III. und IV. aufgehoben werden; die Klageanträge zu III. (Erstattung von Abmahnkosten) und IV. (Feststellungsantrag) werden abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit von Werbeaussagen über ein unter der Bezeichnung „X“ vertriebenes Gerät. Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Darmstadt verwiesen.

Das Landgericht hat es der Beklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr für das Gerät X mit einer mauerentfeuchtenden Wirkung zu werben, insbesondere einzelne Werbeaussagen zu verwenden, die in einer im Internet unter der Domain www….de veröffentlichten Publikation enthalten sind (Anlage K 2, Bl. 29-46 der Akten). Die Beklagte ist ferner verurteilt worden, dem Kläger Ersatz für die Kosten seiner ersten Abmahnung in Höhe von 166,60 € und der Anwaltsgebühren für eine weitere Abmahnung in Höhe von 549,50 € zu zahlen, und das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Zinsen für die verauslagten Gerichtskosten zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe aus §§ 3,5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu. Die Beklagte werbe für das von ihr vertriebene X-Gerät mit der Aussage, dieses entfalte mauerentfeuchtende Wirkung. Die Werbung der Beklagten richte sich in erster Linie an interessierte Bauherren, die eine grundlegende Mauerwerkssanierung ihrer von Baufeuchte befallenen Immobilien beabsichtigten. Adressat der Werbung sei daher ein eher allgemeines Publikum. Dieses erwarte, dass die angebotene Methode in der Praxis nach bestimmten Standards erprobt sei, tatsächlich funktioniere und die hierzu geschriebene Wirkung entfalte und damit den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik entspreche. Tatsächlich könne die Beklagte diese Anforderung aber nicht erfüllen, da wissenschaftlich gesicherte Ursache-Wirkung-Nachweise für die verwendete Methode nicht vorlägen und es daher keine Absicherung des von ihr reklamierten Wirkprinzips gebe.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie dem Landgericht fehlerhafte Rechtsanwendung und unzureichende Tatsachenfeststellung vorwirft. Das Landgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht über die notwendige finanzielle Ausstattung verfüge, um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche in dem hier gezeigten Umfang verfolgen zu können, und dass er somit nicht klagebefugt sei. Da der Kläger ihrem Gerät jegliche mauerentfeuchtende Wirkung abspreche, hätte es an ihm gelegen, dies zu beweisen. Das Vorgehen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich, da er einseitig gegen die Beklagte vorgehe und die eigenen Mitglieder trotz deren wettbewerbswidriger Werbung „schone“.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat am 5. Januar 2012 einen Beweisbeschluss erlassen, um die Frage aufzuklären, ob dem streitgegenständlichen Gerät jegliche Eignung, irgendeine Wirksamkeit gegen Mauerfeuchte zu entfalten, abgesprochen werden kann (Bl. 1706 d. A.). Dazu hat der Sachverständige SV1 zwei vorbereitende schriftliche Stellungnahmen vom 23. April 2012 und vom 8. November 2012 eingereicht (Bl.1783 und 1898 d. A.). Ferner ist im Rahmen eines Einweisungstermins vom 18. April 2013 gemeinsam mit dem Sachverständigen erörtert worden, durch welchen Versuchsaufbau die Beweisfrage aufgeklärt werden kann (Bl. 2168 d. A.). Die Beklagte hat zu den vom Sachverständigen unterbreiteten Vorschlägen ausführlich Stellung genommen.

Der Senat hat durch Beschluss vom 29. Mai 2013 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, den Beweisbeschluss nicht auszuführen (Bl. 2260-2261 d. A.). Die Parteien haben dazu ausführlich Stellung genommen.

II.
Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt weitgehend ohne Erfolg, denn das Landgericht hat ihr mit Recht verboten, mit der mauerentfeuchtenden Wirkung des von ihr vertriebenen X-Gerätes zu werben, und insbesondere die im Urteilstenor aufgeführten Werbeaussagen aufzustellen, die in dem o. g. Internetprospekt enthalten und darauf bezogen sind. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die erste Abmahnung ergibt sich aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 und 9 UWG.

Das angefochtene Urteil ist lediglich im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung der Kosten für die zweite – anwaltliche – Abmahnung und im Feststellungstenor abgeändert und die Klage ist insoweit abgewiesen worden.

Dazu im Einzelnen:

1.
Bedenken gegen die aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG folgende Klagebefugnis des Klägers bestehen nicht. Der Kläger tritt regelmäßig vor dem Senat auf und ist als branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband festgestellt (Anlage K 1). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass dem Kläger die notwendige finanzielle Ausstattung fehlen würde, um die Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche in dem hier geltend gemachten Umfang finanzieren zu können.

2.
Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist unerheblich, denn der Vorwurf, der Kläger schone gezielt seine eigenen Mitglieder, entbehrt der Substanz. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass die streitgegenständliche Werbung etwa auch von Mitgliedern des Klägers verwendet würde.

3.
Der Kläger greift im Kern die Werbeaussage der Beklagten an, das von ihr vertriebene Gerät X könne mauerentfeuchtende Wirkung entfalten. Diese Werbeaussage lässt sich der Internetpräsentation in Anlage K 2 entnehmen und sie ist auch in diesem Kontext zu bewerten. Bei den in Form eines „insbesondere“ – Zusatzes im Klageantrag enthaltenen einzelnen Werbeaussagen handelt es sich lediglich um Beispiele für die angegriffene Werbung mit einer mauerentfeuchtenden Wirkung. Der Kläger spricht dem Gerät jegliche mauerentfeuchtende Wirkung ab und hält die Werbeaussage daher für irreführend (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG).

a)
Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass sich die Werbung der Beklagten an ein breites Publikum wendet, nämlich an private und öffentliche Bauherren, die eine Sanierung des Bauwerks ihrer Immobilien beabsichtigen. Da die Senatsmitglieder selbst zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, können sie die Verkehrsauffassung aus eigener Anschauung beurteilen.

b)
Die streitgegenständliche Internetpräsentation ist so aufgebaut, dass auf allen Seiten in einer Überschriftzeile folgender Text enthalten ist: „Mauertrockenlegung innovativ mit umweltfreundlicher Technologie -Seit 1985-… Über 40.000 zufriedene Kunden, wissenschaftlich nicht erklärbar…“ Auf einer der Internetseiten wird dargestellt, dass das X- Mauertrockenlegungssystem nach dem „physikalischen Wirkprinzip der Magnetokinese“ arbeite. Dieser Begriff, der mit einem © versehen ist, wird auf dieser Internetseite so erläutert, dass es durch ein genau definiertes, natürliches, gravomagnetisches Feld zu einer Abwärtsbewegung (Kinese) der Mauerfeuchte komme. Die Feuchtigkeit wandere sehr langsam wieder zurück in das Erdreich, von wo es gekommen sei und werde dort gehalten. Das Gerät bediene sich seit 1983 eines natürlichen Erdfeldes als Energielieferant und zähle somit zu den begehrtesten drahtlosen Systemen dieser Art und erfülle auch baubiologische Grundsätze. Auf weiteren Seiten dieser Internetpräsentation werden einzelne Referenzprojekte sowie Empfehlungsurkunden dargestellt.

Der Senat folgt dem Landgericht, soweit es angenommen hat, dass der Verkehr nach dieser Präsentation erwartet, dass das Gerät die ihr zugeschriebene Wirkung entfaltet. Der Verkehr entnimmt der Werbung auch, dass die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, mit dem Gerät keine Zufallserfolge zu erzielen sondern vielmehr Ergebnisse, die nicht ohne jedwede Grundlage entstanden und deshalb auch reproduzierbar sind.

c)
Es lässt sich mit den von der ZPO zugelassenen Beweismitteln, namentlich mit einem Sachverständigengutachten, nicht klären, ob das Gerät X die vom Verkehr erwartete Wirkung entfalten kann.

Davon hat sich der Senat mithilfe der gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen SV1 und unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten überzeugt.

Der Sachverständige SV1 hat vorgeschlagen, mit Hilfe eines Laborversuchs zu prüfen, ob das Gerät geeignet ist, irgendeine Wirksamkeit hat gegen Mauerfeuchte zu entfalten. Er hat angeregt, im Rahmen der Laborversuche entweder Mauerwerksproben (Methode 1) oder Mauerwerkselemente (Methode 2) zu durchfeuchten, zu wiegen und sie dann dem Einfluss eines X-Geräts auszusetzen. Die Methode 2 können auch dahingehend variiert werden, dass in zwei getrennten Klimaräumen zuvor durchfeuchtete Steinelemente bei gleichem Klimabedingungen aufgestellt und in dem einen Fall mittels eines X-Gerätes eine Trocknung versucht wird (Methode 3). Die Wirksamkeit des Gerätes könne durch Gewichtsabnahme der Steine im Rahmen regelmäßiger Wiegekontrollen nachgewiesen werden.

Der Sachverständige hat den Laborversuch als die geeignete Methode zur Klärung der Beweisfrage präsentiert, weil auf diese Art und Weise sichergestellt werden kann, dass überprüfbare, nachvollziehbare und wiederholbare Rahmenbedingungen stehen. Er hat nicht ausgeschlossen, dass ergänzend Prüfungen der Wirksamkeit des Gerätes „am realen Objekt“ möglich wären, wenn hinsichtlich der Konstruktion und des Aufbaus des zu untersuchenden Bauteils sowie aller angrenzenden Bauteile ebenso wie beim Feuchtegehalt überprüfbare sowie jederzeit nachvollziehbare und wiederholbare Rahmenbedingungen geschaffen werden könnten. Zugleich hat er aber klargestellt, dass der letztere Versuchsaufbau nur eine Ergänzung des Laborversuchs darstellen könnte, so wie dies in dem als Anlage BE 8 vorgelegten Gutachten der Firma A geschehen sei (Bl. 1963 d. A.).

Die Beklagte trägt demgegenüber vor, ein Laborversuch sei für den Nachweis der (fehlenden) mauerentfeuchtenden Wirkung ihres Gerätes ungeeignet und könne daher die Beweisfrage nicht klären. Für die Wirkung des X-Gerätes sei nämlich der Erdkontakt des zu entfeuchtenden Mauerwerkes unabdingbar. Die aufsteigende Mauerfeuchte nehme aus dem Boden ständig Salze mit und baue auch durch die Reibung zwischen Baufeuchte und Baustoff und anderen physikalischen und chemischen Umständen ein elektrisches Potenzial auf. Die feuchtere und leitfähige Erde bilde dabei den Pluspol und das obere noch feuchte Mauerwerk werde zum Minuspol. Je nach Entfernung zum Erdkontakt bilde sich eine unterschiedliche elektrische Spannung (in der von ihr verwendeten Terminologie auch „Mauerpotenzial“ genannt). Laut einer Arbeitshypothese aus dem Jahr 1992 wirke das Gerät gegen das vertikale Potenzial zur Erde hin, denn es beeinflusse unmittelbar nach der Installation das elektrische Potenzial der Mauer und bewirke eine Umkehr der Bewegung der Wasserteilchen in Richtung Erdboden.

Darüber hinaus trägt die Beklagte vor, dass der Versalzungsgrad des Mauerwerks einen erheblichen Einfluss auf das jeweilige Messverfahren habe. Bei der Wahl der falschen Messmethode könnten gegebenenfalls keine verwertbaren Ergebnisse erzielt werden. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, dass erdberührende Mauern, wie Kelleraußenmauern und Hangmauern bei der Untersuchung nicht zu verwenden seien, da von der Beklagten wegen zusätzlich eindringender seitlicher Feuchte dafür keine Trockenlegung versprochen bzw. garantiert werde. Es sei darüber hinaus notwendig, bei der Auswahl der realen Versuchsobjekte vorher eine Untersuchung auf etwaige Risikofaktoren und Störfaktoren durchzuführen, um Einflussfaktoren auf die Wirkung des streitgegenständlichen Gerätes so weit wie möglich auszuschließen. So dürfe eine zu untersuchende Mauer beispielsweise nicht mit einem Sperrputz oder Zementputz versehen sein, da dann die Wirkung des Gerätes weitgehend aufgehoben sei.

Da das Gerät einen Wirkbereich zwischen 20 und 40 m habe, sei die Beklagte damit einverstanden, bei einem realen Versuchsaufbau eine Distanz zu einem Vergleichsraum von etwa 40 m ausreichen zu lassen. Die Beklagte trägt ergänzend vor, es seien unter Beteiligung der Parteien mindestens 10 – 20 reale Objekte auszuwählen, um etwa 1.000 Messdaten zu erhalten, weil nur dann repräsentative und verallgemeinerungsfähige Ergebnisse zu erzielen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 8. Mai 2013, vom 28. Juni 2013 und vom 22. Juli 2013 verwiesen.

d)
Der Senat sieht angesichts dieser Vorgaben und der Restriktionen, die von der Beklagten für den Versuchsaufbau gemacht werden, keine Möglichkeit, die Beweisfrage durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen:

Wenn das X-Gerät geeignet ist, eine Wirkung auf Mauerfeuchte zu entfalten, dann kann sich das nur mit einer technischen Untersuchung klären lassen, die auf nachvollziehbaren und wiederholbaren Rahmenbedingungen basiert und die nicht von zufälligen Außenbedingungen abhängig ist.

Dass hierfür prinzipiell nur ein Laborversuch geeignet ist, steht außer Frage, weil er nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters die notwendigen reproduzierbaren Rahmenbedingungen schafft.

Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon absehen und unterstellen würde, dass das Gerät nur bei einem mit dem Erdreich verbundenen Mauerwerk Wirkungen entfalten kann, so müssten auch für einen Versuch „am realen Objekt“ reproduzierbare Rahmenbedingungen vorliegen. Es ist aber angesichts der von der Beklagten dargelegten Vorgaben schier unmöglich, diese Rahmenbedingungen in einer repräsentativen Anzahl von Fällen zu schaffen. Wenn als Vergleichsmaßstab keine Kelleraußenwände mit Erdkontakt verwendet werden dürfen, sondern nur Wände, die mit dem Erdreich lediglich auf der Standfläche verbunden sind und auch noch keine Risiko- oder Störfaktoren (deren Definition bislang nur ansatzweise dargelegt und deren Einflüsse auch nicht wissenschaftlich belegt sind) beinhalten und wenn darüber hinaus der vermeintliche Wirkbereich des Gerätes 40 m beträgt, so ist es nicht mehr vorstellbar, dass selbst bei einem großen Gebäude, wie etwa einem Kasernengelände oder einer Kirche eine repräsentative Anzahl von Messstellen gefunden werden können, die identische oder zumindest vergleichbare Rahmenbedingungen aufweisen.

Dies gilt umso mehr, als die Beklagte den räumlichen Wirkbereich des Geräts nicht plausibel festgelegt hat. Der Sachverständige hat im Rahmen des Einweisungstermins die an die Beklagte gerichtete Frage aufgeworfen, wie die Auswirkung des X-Gerätes abgeschottet werden kann, weil nur so eine Versuchsanordnung mit nachvollziehbaren Rahmenbedingungen möglich ist. Diese Frage ist unbeantwortet geblieben, vielmehr hat die Beklagte im Schriftsatz vom 28. Juni 2013 ohne Begründung ausgeführt, es sei unter Umständen möglich, die streitgegenständliche Anlage auch so zu justieren, dass sie im Einzelfall nur 30 Meter wirke.

Der Senat ist nach alldem zu der Erkenntnis gelangt, dass wegen des erforderlichen Mindestabstandes der Messstellen, wegen der von der Beklagten geschilderten vielfältigen Gefahren einer Verfälschung des Ergebnisses beispielsweise durch seitlich eindringende Feuchtigkeit, „Risikofaktoren“ und/oder den Versalzungsgrad des Mauerwerks, so viele Imponderabilien vorliegen, dass es schlichtweg unmöglich ist, Vergleichsobjekte in einer repräsentativen Anzahl zu finden sowie in nachvollziehbarer Weise die Wirkung des Gerätes auf die Durchfeuchtung von Bestandsmauerwerk zu prüfen. Aus diesem Grund war von der Ausführung des Beweisbeschlusses abzusehen.

Der Senat hat auch davon abgesehen, den Zeugen B, Universität …, Polen zur vermeintlichen Wirksamkeit elektrophysikalischer Verfahren auf Mauerfeuchte zu hören. Dass Herr B im Rahmen seiner Dissertation repräsentative Vergleichsuntersuchungen mit dem X – Gerät in dem hier erforderlichen Rahmen durchgeführt hätte, ist nicht vorgetragen, so dass die in sein Wissen gestellten Behauptungen unerheblich sind. Entsprechendes gilt für die weiteren Beweisangebote der Beklagten zum Beleg der vermeintlichen Wirksamkeit des von ihr vertriebenen Geräts, denn die dazu benannten Zeugen können die hier entscheidende Frage aus den oben bereits dargestellten Gründen nicht beantworten.

e)
Der Abbruch der Beweisaufnahme hat zu einer sog. „non-liquet“ – Situation geführt, weswegen zu klären war, wer die prozessualen Folgen tragen muss, dass sich die Frage der (Un)-Wirksamkeit des Geräts zur Mauerentfeuchtung nicht aufklären lässt.

Die Beweislast für einen Verstoß gegen § 5 UWG liegt zwar grundsätzlich beim Kläger. Hiervon gibt es nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmte Ausnahmen, die ohnehin im Hinblick auf Art. 7 der Richtlinie 2006/114/ EG über irreführende und vergleichende Werbung geboten sind (Köhler/Born-kamm, UWG, 31. Auflage, Rn. 3.20 zu § 5 UWG).

Die Rechtsprechung billigt dem Kläger, der in einem Rechtsstreit den Vorwurf irreführenden Wettbewerbsverhaltens erhebt, Darlegungs- und Beweiserleichterungen zu, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Beklagten fallen. Dies hat vor allem bei solchen Werbebehauptungen Bedeutung, bei denen dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Kläger die genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände fehlt und wo es ihm deshalb nicht, oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., Rn 3.23 zu § 5 UWG m. w. N.).

Anwendungsbereiche sind neben der Fallgruppe der „fachlich umstrittenen Behauptung“ auch die Aufklärung innerbetrieblicher Tatsachen des Beklagten, über die dem Kläger regelmäßig Kenntnisse fehlen, ebenso wie die Berühmung einer Alleinstellung oder der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe.

Die vorliegende Fallkonstellation lässt sich zwar nicht in vollem Umfang in eine der der bereits erwähnten Fallgruppen einordnen, sie hat aber unter dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) mit den dortigen Konstellationen so weitgehende Parallelen, dass sich auch hier eine Umkehr der Beweislast gebietet:

(1)
Der Senat hatte ursprünglich erwogen, die Darlegungs- und Beweislast nach den für die Fallgruppe der „fachlich umstrittenen Behauptungen“ entwickelten Grundsätzen auf die Beklagte zu verlagern. Nach dieser Fallgruppe hat derjenige, der sich bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung stützt, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, damit die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angabe übernommen und muss sie im Streitfall beweisen (BGH GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II).

Die Fallgruppe der „fachlich umstrittenen Behauptungen“ hat ihre besondere Bedeutung im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung. Sie ist zwar nicht darauf beschränkt. Ihre Anwendung außerhalb der gesundheitsbezogenen Werbung bezieht sich nach Auffassung des Senats allerdings nur auf solche Werbeaussagen, die abstrahierte (wissenschaftliche oder zumindest wissenschaftlich anmutende) Vorfragen über den Wirkmechanismus eines beworbenen Gerätes einseitig beantworten.

Davon sind im vorliegenden Fall zumindest die in Ziffern 3.), 7- 9.) und 16.) des erstinstanzlichen Urteilstenors aufgeführten Werbebehauptungen der Beklagten umfasst. So wird beispielsweise in Ziffer 3.) behauptet, X könne die kapillar aufsteigende Feuchtigkeit umpolarisieren und so in Richtung Erdreich leiten. Damit wird diese Behauptung als Vorfrage über den vermeintlichen Wirkmechanismus des Geräts dargestellt, ohne klarzustellen, dass die Schulphysik ein solches Prinzip nicht kennt.

Anders verhält es sich mit den Behauptungen der Beklagten, sie habe in bestimmten Sanierungsfällen konkrete Erfolge bei der Trockenlegung erzielt.

Hier wird nicht auf den Wirkmechanismus, sondern ausschließlich auf das Ergebnis abgestellt, so dass es zweifelhaft ist, ob die Grundsätze der o. g. Fallgruppe anwendbar sind. Da der Kläger die Werbeaussage der Beklagten, X wirke gegen Mauerfeuchtigkeit, „in toto“ angreift, war der Senat bei der Abfassung des Beweisbeschlusses davon ausgegangen, dass sich die hiesige Konstellationen nicht in vollem Umfang mit der Fallgruppe der „fachlich umstrittenen Aussage“ erfassen lässt und dass die daraus folgende Beweislastumkehr hier prinzipiell nicht anzuwenden ist.

(2)
Nun kann die dargestellte Frage allerdings dahinstehen, da sich nach der Ermittlungsarbeit des Senats und angesichts des Sachvortrags der Beklagten eine veränderte prozessuale Situation ergeben hat, aufgrund derer die Beklagte die Unmöglichkeit der Sachaufklärung gegen sich gelten lassen muss:

Nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis gibt es keine Erklärung für die Wirkung des X-Gerätes. Die Behauptung der Beklagten, das Gerät könne ohne eine der bekannten Energiequellen die im Mauerwerk aufsteigende Feuchtigkeit in Umkehrprozess der kapillaren Wirkmechanismen in das Erdreich zurückdrücken, lässt sich vom Grunde her mit den geltenden physikalischen Regeln, namentlich mit dem Lehrgrundsatz „Aktion gleich Reaktion“ nicht vereinbaren. Es sind in der Wissenschaft bislang keine Systeme bekannt, die auf unbegrenzte Zeit ohne Energiezufuhr aktiv sind. Aktion und Reaktion sind das Wechselwirkungsprinzip von zwei Kräften, die gegeneinander wirken. Dieses Wechselwirkungsprinzip entspricht dem dritten Axiom von Isaac Newton, welches besagt, dass jede Aktion als Kraft eine gleichgroße Reaktion als Gegenkraft erzeugt. Es müsste daher eine Energiequelle vorhanden sein, wenn ein entsprechender Prozess in Gang gesetzt werden sollte.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass ihr Gerät mit natürlichen Umweltenergien, so genannten „Erdstrahlen“ (und/oder Gravomagnetokinese) arbeite. Sie räumt allerdings selbst ein, dass die von ihr in Anspruch genommenen Energieformen wissenschaftlich nicht anerkannt sind.

Da es somit nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis keine Erklärung für die Wirkung des X-Gerätes gibt und da das entscheidende Beweisthema angesichts der von der Beklagten behaupteten besonderen Voraussetzungen für die Wirkung ihres Gerätes auch empirisch nicht überprüft werden kann, muss die Beklagte die Folgen dieser fehlenden Aufklärbarkeit tragen. Es kann nämlich nicht sein, dass ein Unternehmen mit einer mindestens zweifelhaften, jedenfalls aber wissenschaftlich nicht abgesicherten Wirksamkeitsbehauptung nur deshalb werben darf, weil es diese Wirksamkeit in einem Rechtsstreit von weiteren, wiederum wissenschaftlich nicht abgesicherten Bedingungen abhängig macht, die letztendlich dazu führen, dass eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten unmöglich wird. Damit würden letztendlich auch die Grenzen der Werbefreiheit überschritten, weswegen sich die Beklagte nicht auf den unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechtsschutz der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) berufen kann.

Da die Beklagte angesichts der hier offenbarten Umstände die Beweislast dafür trägt, dass sich die Wirksamkeit des von ihr vertriebenen Geräts nicht aufklären lässt, kann der Kläger ihr untersagen, mit der mauerentfeuchtenden Wirkung des X- Gerätes zu werben.

4.
Der Kläger kann von der Beklagten Ersatz der beim Kläger selbst entstandenen erforderlichen Kosten für das erste Abmahnschreiben verlangen (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG). Die hier verlangte Pauschale liegt nach den Erkenntnissen des Senats im üblichen Bereich.

5.
Der Kläger kann dagegen keinen Ersatz für die Kosten verlangen, die durch die vom Klägervertreter ausgesprochene erneute Abmahnung vom 1. Dezember 2009 entstanden sind (Anlage K 6). Nachdem die Beklagte schon die erste Abmahnung zurückgewiesen und die vom Landgericht Darmstadt erlassene einstweilige Verfügung nicht anerkannt hatte, bestand kein Zweifel, dass sie auch einer erneuten Abmahnung keine Folge leisten würde, weswegen sich ein Erstattungsanspruch auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB) herleiten lässt (vgl. BGH GRUR 2010, 354, 355 Tz. 10 – Kräutertee).

6.
Die Berufung hat ferner Erfolg, soweit damit der Feststellungsantrag angegriffen wird. Es kann offenbleiben, ob neben dem Zinsanspruch gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein weitergehender materiell-rechtlicher Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten für die Zeit von deren Einzahlung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags aus § 9 UWG besteht. Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer schlüssigen Begründung für einen solchen Anspruch, weil der Zinsschaden nicht substantiiert dargelegt worden ist (vgl. dazu BGH v. 7. April 2011, I ZR 34/09, Tz. 37 = GRUR 2011, 742 – Leistungspakete im Preisvergleich).

Die Kostenentscheidung folgt §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt § 708 Nr. 10 ZPO, die Schuldnerschutzanordnung folgt § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Entscheidung beruht auf einer einzelfallbezogenen Auswertung des Sach- und Streitstandes.

Vorinstanz:
LG Darmstadt, Urteil vom 24.10.2010, Az. 16 O 396/09

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