OLG Frankfurt a.M.: Keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Wettbewerbsverstöße im Ausland, wenn sich diese nicht bestimmungsgemäß auf das Inland richten

veröffentlicht am 9. August 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.05.2012, Az. 6 U 103/11
Art. 5 Nr 3 EG-VO 44/2001, § 33 Abs. 1 ZPO, § 4 Nr. 7 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 14 Abs. 2 S. 1 UWG

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass ein deutsches Gericht nicht allein deswegen örtlich und sachlich zuständig ist, weil eine bestimmte, als rechtsverletzend empfundene Aussage auf einer in englischer Sprache gehaltenen für England bestimmten Webseite zu finden ist und zwar auch dann nicht, wenn sich auf der Website anderweitig auch eine Unterseite findet, die in deutscher Sprache gehalten ist und für Deutschland bestimmt ist. Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet sei der Erfolgsort nämlich nur dann im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken solle. Mit einer sehr engen Auslegung des „Presseerzeugnisses“ erklärt der Senat die ohnehin kritische BGH-Entscheidung „New York Times“ zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts im Ausland (BGH, Urteil vom 02.03.2010, Az. VI ZR 23/09 mit krit. Besprechung durch Damm, GRUR 2010, 891 f.) für nicht anwendbar; Zitat: „Hier kann man allerdings nicht so weit gehen, weil die Angebotsseite der Beklagten nicht mit der eines Presseorgans gleichzusetzen ist.“  Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.05. 2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main – berichtigt durch Beschluss vom 12.07.2011 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

I.

1. Der Beklagten wird es verboten, im Wettbewerb handelnd folgende Aussagen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

a) Die Website der A GmbH ist eine rechtswidrige Mittler-Website und/oder

b) die A GmbH verkauft B-Tickets zu überhöhten Preisen und/oder

c) die A GmbH verkauft B-Tickets überteuert weiter und/oder

d) die A GmbH verkauft B-Flüge mit ungerechtfertigten Aufschlägen,

wenn dies geschieht wie in Anlage K 15 zur Klageschrift.

2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Zeitraum sie die unter Ziffer 1. genannten Äußerungen veröffentlicht hat, wo und auf welche Weise sie die vorgenannten Äußerungen veröffentlicht hat und wem gegenüber sie die vorgenannten Veröffentlichungen getroffen hat.

3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die Schäden, die der Klägerin durch die unter 1. genannten Äußerungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen hat.

II.
Die Klägerin wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken an ihren Geschäftsführer, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd für Flugreisen betreffend Linienflüge von einem Flughafen in der Europäischen Union in der Form zu werben und derartige Flugreisen in Form der Buchung anzubieten, dass der Endpreis für derartige Flugreisen nicht von Beginn des Buchungsprozesses an, d.h. bei der ersten Ausweisung des für die Flugpreise zu entrichtenden Preises auf Grund einer entsprechenden Suchanfrage des Kunden – so wie dies aus dem nachfolgend als Anlage A beigefügten Screenshot „Flugangebote aus Suchergebnissen“ der Internetseite www. … .de ersichtlich wird – auch die Gebühr enthält, die die Klägerin gegenüber den bei ihr buchenden Kunden erhebt.

Die weitergehende Klage wird als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird in vollem Umfang, die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine unter der Internet-Domain www…..de tätige Reisevermittlerin. Die Beklagte ist eine bekannte europäische Fluggesellschaft mit Sitz in O1, …. Die Parteien werfen sich gegenseitig wettbewerbswidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Presseerklärung bzw. mit dem Vertrieb von Flugreisen vor. Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil und dem Berichtigungsbeschluss vom 12. 7. 2011 wird verwiesen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten verboten, in deutscher bzw. in englischer Sprache in der Öffentlichkeit die Aussagen zu verbreiten, die Website der Klägerin sei eine „rechtswidrige Mittler-Website“, die Klägerin verkaufe Tickets der Beklagten „zu überhöhten Preisen“, „überteuert“ bzw. „mit ungerechtfertigten Aufschlägen“ weiter. Ferner ist die Beklagte verurteilt worden, der Klägerin Auskunft über den Umfang der genannten Äußerungen zu erteilen und ihr den hierdurch eingetretenen Schaden zu ersetzen.

Das Landgericht hat seine internationale und örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der deutschen und der englischen Version der Pressemitteilung angenommen, weil diese in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar gewesen seien. Die von der Beklagten vor dem irischen High Court, Dublin, erhobene Klage umgekehrten Rubrums beschäftige sich lediglich mit der Zulässigkeit des sog. „Screen Scrapings“ und stehe dem Begehren der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt der doppelten Rechtshängigkeit entgegen noch sei eine Aussetzungspflicht nach Art. 27 bzw. eine Aussetzungsmöglichkeit nach 28 EuGVVO gegeben. Der Klägerin stünden Unterlassungsansprüche zu, weil die Pressemitteilung eine Rufschädigung i. S. des § 4 Nr. 7 UWG darstelle. Es handele sich um pauschale Meinungsäußerungen, deren Aussagegehalt vom Leser nicht verifiziert werden könne und für die ein hinreichender Anlass fehle.

Das Landgericht hat auch der Widerklage stattgegeben. Die Klägerin sei als Vermittlerin tätig und daher nach den Vorgaben der VO (EG) Nr. 1008/2008 verpflichtet, die von ihr erhobene Servicepauschale bereits bei der erstmaligen Angabe des (Flug-)Endpreises auszuweisen. Der Internetauftritt der Klägerin werde dem nicht gerecht.

Beide Parteien haben gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten nach Maßgabe des obigen Tenors zurückzuweisen und auf ihre eigene Berufung, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin nach Maßgabe des obigen Tenors zurückzuweisen.

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

A. Berufung der Beklagten

I.

1.
Das Landgericht Frankfurt war im Hinblick auf die englischsprachliche Version der Pressemitteilung (Anlage K 16) nicht international zuständig. Der Einwand fehlender internationaler Zuständigkeit muss auch im Berufungsverfahren noch geprüft werden (Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., Rn 8 zu § 513 ZPO m. w. N.). Sie ist hier nicht gegeben, weil der Erfolgsort dieser Wettbewerbshandlung nicht im Inland belegen ist (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO).

Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort nur dann im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (BGH GRUR 2006, 513, Tz. 21 – Arzneimittelwerbung im Internet). Dies lässt sich hier mit Rücksicht auf die elektronische Voreinstellung des Internet-Auftritts der Beklagten nicht feststellen:

Jeder Nutzer, der von Deutschland aus die Internet-Seite der Beklagten www…..com aufruft, wird – unstreitig – automatisch auf die deutschsprachige Version der Internet-Seite, nämlich auf www…..com/de geleitet. Dort konnte der Nutzer die zwischenzeitlich entfernte deutsche Fassung der Pressemitteilung vorfinden, die mit der englischsprachigen Version im Wesentlichen inhaltsgleich war (Anlage K 15). Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Beklagte potentielle Interessenten ihres Internetangebots, die ihre Internet-Seite von Deutschland aus besuchten, bestimmungsgemäß allein durch ihre deutschsprachige Pressemitteilung über ihre gerichtlichen Aktivitäten gegen die Klägerin informieren wollte. Diese Annahme wird durch die weitere Gestaltung dieser Internet-Seite untermauert. Zu der englischsprachigen Version gelangt ein Interessent nämlich nur dann, wenn er in dem oben rechts auf der Internet-Seite (ersichtlich am oberen linken Bildrand der Anlage K 15) angebrachten sog. „Drop-down“-Menu die Länder- und Spracheneinstellung „Deutschland (Deutsch)“ ändert und ein anderes Land, für das die englische Sprachfassung vorgesehen ist, eingibt. Ein Nutzer aus Deutschland musste sich daher, um zu der dort veröffentlichten englischsprachigen Pressemitteilung (Anlage K 16) zu gelangen, bewusst von dem für ihn voreingestellten „deutschen“ Angebot abwenden und die Voreinstellung abändern.

Das Merkmal des „bestimmungsgemäßen Auswirkens“ lässt sich vor diesem Hintergrund auch nicht damit begründen, dass in der Pressemitteilung die in Deutschland ansässige Klägerin namentlich benannt und als eine deutsche Mittler-Seite („a German internet ticket-tout“) erwähnt wird. Hiermit allein kann kein finaler Bezug zum deutschen Markt gesehen werden, denn die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, dass die Beklagte gewöhnlich in Englisch kommuniziert, so dass es – ohne daraus einen Inlandsbezug ableiten zu können – verständlich ist, dass sie in Englisch über eine in Dublin, Irland eingereichte Klage berichtet.

Auch die in der Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 02.03.2010 aufgestellten Grundsätze der internationalen Zuständigkeit bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Internet-Veröffentlichungen führen nicht zu einer anderen Beurteilung (VI ZR 23/09 – New York Times – Tz. 20 = GRUR 2010, 461). In dem dortigen Fall war u. a. in der Internet-Ausgabe der „New York Times“ ein Artikel erschienen, in dem der in Deutschland wohnende Kläger als Goldschmuggler und Täter einer Unterschlagung bezichtigt und sein Unternehmen als Teil der organisierten Kriminalität bezeichnet worden war. Den inländischen Wohnsitz des Klägers und das hierdurch hervorgerufene „inländische Interesse“ des Publikums ebenso wie die Tatsache, dass sich die „New York Times“ an ein internationales Publikum richtet, hat dem BGH als ausreichenden Inlandsbezug genügt (a.a.O. Tz. 21).

Rufschädigende Äußerungen gem. § 4 Nr. 7 UWG sind den Persönlichkeitsverletzungen ähnlich, denn sie sind ebenfalls von Natur aus dadurch gekennzeichnet, das der Wettbewerber benannt bzw. kenntlich gemacht und beim angesprochenen Publikum „schlecht gemacht“ wird. Bei Rufschädigungen in Internet-Presseartikeln mag daher allein die Nennung des im Inland ansässigen Wettbewerbers die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts begründen. Hier kann man allerdings nicht so weit gehen, weil die Angebotsseite der Beklagten nicht mit der eines Presseorgans gleichzusetzen ist. Sie wird vom Publikum nicht zur allgemeinen Information sondern nur anlassbezogen, d. h. zur Suche eines Billigflugs besucht, weswegen der oben dargestellten länderbezogenen „elektronischen Voreinstellung“ ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

Der Senat vermag auch der Hilfserwägung des Landgerichts, es bestehe die Gefahr einer Erstbegehung einer Veröffentlichung der Pressemitteilung in der englischen Sprachfassung, wenn die deutsche Presseveröffentlichung verboten würde, nicht zu folgen. Die deutsche und englische Pressemitteilung waren zeitgleich veröffentlicht. Die konkrete „Gefahr“ einer Veröffentlichung der englischen Sprachfassung auf der deutschen Internet-Seite www…..com/de ist nicht dargelegt. Im Übrigen hat der Senat bereits entschieden, dass der Kernbereich des Verbots einer in deutscher Sprache geäußerten Behauptung auch durch andere Sprachfassungen verletzt sein kann, wenn die Aussage mit der verbotenen inhaltlich zumindest hinsichtlich des Teils übereinstimmt, auf den das Verbot ausweislich der Urteilsbegründung gestützt ist (Senat vom 20. 7. 2004 – 6 W 182/03).

2.
Die Klage ist in Bezug auf die deutschsprachige Presseerklärung (Anlage K 15) ist zulässig. Dass insoweit die internationale Zuständigkeit des Landgerichts begründet war (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, § 14 Abs. 2 Nr. 1 UWG), wird in der Berufung nicht mehr in Zweifel gezogen.

a)
Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist unbegründet. Den Ausführungen des Landgerichts sind überzeugend. Die Beklagte wiederholt lediglich ihre erstinstanzlichen Argumente, die aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht verfangen.

b)
Das Landgericht ist mit Recht nicht auf den Einwand der Beklagten eingegangen, die Klägerin fehle im Hinblick auf die vor dem High Court, Dublin erhobene Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis für das hiesige Klagebegehren. In dem dortigen Verfahren soll nämlich lediglich die Zulässigkeit des sog. „Screen Scraping“ untersucht werden. Hier geht es dagegen um geschäftsehrverletzende Äußerungen, die nur im Kontext der jeweiligen Wettbewerbshandlung beurteilt werden können und deshalb nicht allein von der Frage abhängen, ob das von der Klägerin praktizierte „Screen Scraping“ rechtswidrig ist oder nicht. Aus diesem Grund ist der Sachverhalt nicht mit der von der Beklagten vorgebrachten Konstellation vergleichbar, die der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 13. 6. 2006 (GRUR-RR 2007, 45, 46 – Spenglerei und Installation) zugrunde lag.

c)
Das Landgericht hat mit Recht eine Pflicht zur Aussetzung des hiesigen Verfahrens gem. Art. 27 EuGVVO im Hinblick auf die vor dem High Court in Dublin erhobene Unterlassungsklage abgelehnt. Der Senat schließt sich der Begründung der angefochtenen Entscheidung an. Art. 27 EuGVVO will miteinander unvereinbare Entscheidungen von Gerichten verschiedener EU-Mitgliedstaaten verhindern. Diese Gefahr besteht hier nicht, denn der Ausgang der Rechtsstreitigkeiten hängt nicht vom Ausgang des jeweils anderen Verfahrens ab. Das Verfahren vor dem High Court, Dublin, in dem die Rechtmäßigkeit des „Screen Scraping“ geklärt werden soll, behandelt nur eine Teilfrage des hiesigen Verfahrens. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, der Klägerin vorzuwerfen, sie betreibe eine „rechtswidrige Mittler-Website“ hängt in erster Linie davon ab, in welchen Kontext diese Äußerung eingekleidet ist. Der Ausgang des hiesigen Verfahrens ist für die vor dem High Court in Dublin erhobene Unterlassungsklage sowieso ohne Bedeutung.

d)
Das Landgericht hat mit Recht auch nicht von der Möglichkeit einer Aussetzung nach Art. 28 EuGVVO Gebrauch gemacht. Auch insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

II.

1.
Der Klägerin stehen Unterlassungsansprüche in Bezug auf die streitgegenständlichen Äußerungen zu, sofern sie im Kontext der Presseerklärung (Anlage K 15) oder kerngleicher Mitteilungen abgegeben werden (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3, 4 Nr. 7 UWG).

a)
Der Vorwurf, die Klägerin betreibe eine „rechtswidrige Mittler-Webseite“ ist im o. g. Zusammenhang als Werturteil anzusehen. Die Kriterien zur Abgrenzung eines Werturteils von einer Tatsachenäußerung sind vom Landgericht bereits zutreffend und ausführlich dargelegt worden. Hierauf wird verwiesen. Maßgeblich ist, ob sich die Aussage „rechtswidrig“ auf einen konkreten Vorgang bezieht, der als behauptetes tatsächliches Geschehen dem Beweis zugänglich ist. Die schlagwortartige Bewertung eines bestimmten Verhaltens als „illegal“ oder „rechtswidrig“, hier also das Betreiben einer Website mit rechtswidrigen Inhalten, wäre nur dann eine Tatsachenbehauptung, wenn der Vorwurf durch den weiteren Text der Erklärung erläutert und festgelegt würde (BGH GRUR 1993, 409, 410 bei juris Tz.13 – Illegaler Fellhandel).

Hier fehlt es an dieser Festlegung, denn der Leser kann den Vorwurf „rechtswidrig“ sowohl auf das unautorisierte Durchforsten der Webseite der Beklagten als auch darauf beziehen, dass die Tickets unter Missachtung der Nutzungsbedingungen der Beklagten verkauft werden oder dass ungerechtfertigte Aufschläge verlangt werden. Da somit der tatsächliche Bezugspunkt des Vorwurfs nicht eindeutig festgelegt wird, ist die Aussage als Werturteil anzusehen.

Werturteile bzw. Meinungsäußerungen stehen auch im geschäftlichen Verkehr unter dem Privileg der grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 GG. Die Kritik eines Wettbewerbers geht jedoch zumeist – wie auch hier – mit kommerziellen Interessen einher und ist daher nur in engen Grenzen erlaubt. Sie ist nur dann zulässig, wenn für sie ein hinreichender Anlass, hier also ein Aufklärungsinteresse des Publikums, besteht und wenn sie sich im Rahmen des Erforderlichen und sachlich Gebotenen hält (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Rn 7.21 zu § 4 UWG).

Selbst wenn man der Beklagten die Berechtigung zugesteht, über die in Irland erhobene Klage und deren Hintergründe berichten zu dürfen, so überschreitet sie jedenfalls in ihrer Pressemitteilung die Grenze der sachlich gebotenen Information. Der Senat folgt den Erwägungen des Landgerichts und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung. Ergänzend ist lediglich auf folgenden Gesichtspunkt hinzuweisen:

Mit der Aussage „B [die Beklagte] fühlt sich verpflichtet, auch weiterhin im Verbraucherinteresse gegen solche rechtswidrigen Mittler-Webseiten vorzugehen, bis auch der letzten untersagt ist, ….com nur zu durchforsten, um dann unsere Tickets unter Missachtung der Nutzungsbedingungen von B zu überhöhten Preisen zu verkaufen“ erhebt die Beklagte den plakativen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens, den sie auf so unterschiedliche Hintergründe bezieht, dass die angesprochenen Verkehrskreise dem Geschäftsmodell der Klägerin einen insgesamt verwerflichen Charakter beimessen. In diesem Zusammenhang vermittelt die Beklagte ferner den falschen Eindruck, dass die Rechtswidrigkeit des sog. „Screen Scraping“ bereits feststeht und von ihr durch gerichtliche Maßnahmen im Stil einer Anklagebehörde verfolgt werden müsse. Tatsächlich ist die Zulässigkeit des „Screen Scraping“ aber höchstrichterlich noch nicht geklärt und nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden (Senat vom 5. März 2009, 6 U 221/08 = MMR 2009, 400, 401).

b)
Auch bei den Äußerungen, die Klägerin verlange „ungerechtfertigte Aufschläge“, „überhöhte Preise“, und verkaufe „überteuerte Flugtickets“ handelt es sich um unzulässige, abwertende Meinungsäußerungen. Das Landgericht hat mit Recht darauf abgestellt, dass der Bezugspunkt dieser Vorwürfe nicht klargestellt wird. Deswegen wird es dem Publikum nicht ermöglicht, diese Kritik inhaltlich nachzuvollziehen und sie wird als pauschale Abwertung der Klägerin verstanden.

Dem steht auch nicht das von der Beklagten vorgebrachte Anliegen entgegen, die Allgemeinheit darüber aufzuklären, dass es sich bei den Aufschlägen nicht um reguläre Preisbestandteile der Beklagten handle, die durch eine Direktbuchung vermieden werden könnten. Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, es müsse ihr möglich sein, die Allgemeinheit über das „Verstecken“ der Preisaufschläge unter den Rubriken „Steuern und Gebühren“ oder „Gebühren und Mehrwertsteuer aller Reisenden“ aufzuklären. Damit blendet die Beklagte nämlich völlig aus, dass sie sich in der Pressemitteilung dazu gar nicht geäußert hat. Mit ihren pauschalen Vorwürfen hat sie vielmehr den Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung verlassen und eine Geschäftsehrverletzung der Klägerin begangen.

2.
Aus den dargelegten Gründen stehen der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen der geschäftsehrverletzenden Äußerungen der Beklagten und ein (unselbständiger) Auskunftsanspruch über den Umfang der Äußerungen zu (§§ 9 UWG, 242 BGB).

B.) Berufung der Klägerin

I. Die Widerklage ist zulässig. Der Senat schließt sich den Erwägungen des Landgerichts an, wonach § 33 ZPO lediglich einen weiteren besonderen Gerichtsstand für die Widerklage schafft, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln im Zusammenhang steht. Auf diese Voraussetzung kommt es allerdings dann nicht an, wenn – wie hier – ein anderer Gerichtsstand begründet ist (§ 14 Abs. 2 S. 1 UWG).

Unabhängig davon wäre dieses Merkmal hier auch erfüllt. Erforderlich, aber auch ausreichend für die „Konnexität“ im Sinne des § 33 ZPO ist das Vorliegen eines innerlich zusammenhängenden, einheitlichen Lebensverhältnisses (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Rn 15 zu § 33 ZPO). Das ist im Sonderdeliktsrecht des Wettbewerbsrechts zwar grundsätzlich nicht gegeben. Andererseits wird beispielsweise auch im Rahmen der Diskussion um den so genannten „unclean hands“ – Einwand die Möglichkeit der Widerklage ins Spiel gebracht (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, Rn. 2.39 zu § 11 UWG). Die hiesige Sachlage ist damit vergleichbar. Die Beklagte greift nämlich mit ihrer Pressemitteilung die Rechtmäßigkeit des Geschäftskonzepts der Klägerin an. Die Intransparenz von deren Internet-Angebot wird im Rahmen der Widerklage zur Überprüfung durch das Gericht gestellt. Unter diesen besonderen Umständen begründet das Internetangebot der Klägerin und das hierdurch geschaffene Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten ein zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis für die mit Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche.

II.
Die Widerklage ist mit der in den Urteilsausspruch aufgenommenen Konkretisierung begründet (§§ 8 Abs. 1 Abs. 3, 3, 4 Nr. 11 i. V. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der VO (EG) Nr. 1008/2008 (im folgenden EU-LuftverkehrsdiensteVO)).

1.
Die EU-LuftverkehrsdiensteVO enthält Preisinformationspflichten, die sowohl für Fluggesellschaften als auch für Vermittler von Flugdiensten verbindlich sind und von denen die hier verlangte Servicegebühr als unvermeidbare Gebühr im Sinne von Art. 23 Abs. 1 S. 2 EU-LuftverkehrsdiensteVO eingeschlossen wird. Das Landgericht hat sich an den Erwägungen des Oberlandesgerichts Dresden in dessen Entscheidung vom 17. 8. 2010 (14 U 551/10 = GRUR 2011, 248 Tz. 11 bei juris,) orientiert. Die Entscheidung des OLG Dresden ist mittlerweile rechtskräftig, nachdem der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen hat (Az.: I ZR 168/10). Die entsprechenden Ausführungen in der Berufungsbegründung vermögen daher nicht zu überzeugen. Das gilt auch für die Auffassung der Klägerin, es handele bei ihrer Servicegebühr nicht um eine unvermeidbare Gebühr, denn der Kunde könne sie durch Buchung zusätzlicher Leistungen (Mietwagen, Reiserücktrittsversicherung) minimieren bzw. entfallen lassen. Die Klägerin übersieht, dass die LuftverkehrsdiensteVO das Ziel hat, Transparenz und Vergleichbarkeit der Flugpreise sicherzustellen, zu denen solche Zusatzleistungen nicht gehören (Erwägungsgrund 16 sowie Art. 2 Nr. 4 der EU-LuftverkehrsdiensteVO).

2.
Das OLG Dresden hatte noch nicht zu entscheiden, an welcher Stelle des Buchungsvorgangs die Gebühr als Bestandteil des Flug(end-)preises erstmals auftauchen muss. Art. 23 Abs. 1 S. 2 EU-LuftverkehrsdiensteVO normiert, dass der zu zahlende Endpreis für Flugdienste „stets“ auszuweisen ist und den anwendbaren Flugpreis sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen muss.

Dies bedeutet, dass der Endpreis bei der erstmaligen Angabe des Flugpreises genannt werden muss. Die Argumentation des Landgerichts ist überzeugend. Wenn Art. 23 Abs. 1 S. 4 der EU LuftverkehrsdiensteVO verlangt, dass fakultative Zusatzkosten am Beginn des Buchungsvorgangs mitgeteilt werden müssen, so muss das erst recht für unvermeidbare Gebühren gelten, denn nur dann kann der Kunde die Flugpreise effektiv vergleichen. Wenn die Klägerin meint, aus der zuletzt genannten Vorschrift folge im Umkehrschluss, dass zwingende Gebühren nicht schon zu Beginn des Buchungsvorgangs ausgewiesen werden müssten, so lässt sich dies mit der gesetzgeberischen Intention nicht in Einklang bringen. Wie oben schon dargelegt, will Artikel 23 der EU-LuftverkehrsdiensteVO nicht allein die Irreführung der Verbraucher über die Flugendpreise vermeiden sondern vielmehr effektive Preisvergleiche ermöglichen. Dies ist nur möglich, wenn der Kunde schon bei der ersten Ausweisung des Flugendpreises weiß, welche Leistungskomponenten in diesen Preis einfließen.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, die Höhe der Servicegebühr stehe bei der ersten Preisübersicht noch nicht fest, da sich bei der Inanspruchnahme weiterer Zusatzleistungen die Gebühr ermäßigen oder sogar entfallen könne. Im Rahmen der ersten Preisübersicht ist der Endpreis ohne Zusatzleistungen, d.h. mit der dann anfallenden vollen Servicegebühr, zu nennen. Hierdurch wird die Klägerin nicht zu einer möglicherweise überhöhten Preisangabe gezwungen, da auch bei Inanspruchnahme von Zusatzleistungen der Endpreis jedenfalls nicht unter dem Preis liegt, der für den „normalen“ Flug einschließlich der vollen Servicegebühr anfällt.

Eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der o. g. gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ist nicht angezeigt, da nach Auffassung des Senats keine Zweifel an der richtigen Anwendung des Unionsrechts bestehen, die eine solche Vorabentscheidung erforderlich machen könnten (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Rn 3.8 in der Einl. UWG).

3.
Die Klägerin ist ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch den Sternchenhinweis nicht gerecht geworden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der unterlegte Text nur durch „Scrollen“ erreicht werden kann oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass er für sich gesehen nicht transparent ist, d. h. der Kunde ihm die Servicegebühr nicht klar entnehmen kann. Auf diese zutreffende Erwägung des Landgerichts geht die Berufung nicht ein.

4.
Der antragsgemäß modifizierte Unterlassungstenor trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die EU-LuftverkehrsdiensteVO nur für solche Flugdienste gilt, die von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats aus starten (Art. 1 Abs. 1 der VO).

Die Kostenentscheidung folgt §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Schuldnerschutzanordnungen folgen §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung beruht vielmehr auf einer einzelfallbezogenen Bewertung der vorgelegten Beweismittel auf Grundlage der höchstrichterlichen Vorgaben.

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