OLG Frankfurt a.M.: Unwirksame AGB-Klauseln und solche in zu kleinen Scroll-Boxen sind wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 2. September 2008

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.05.2008, Az. 6 W 61/07
§§ 3, 4, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV

Das OLG Frankfurt a.M. hat erneut deutlich gemacht, dass unwirksame AGB-Klauseln zugleich Wettbewerbsverstöße darstellen und abgemahnt werden können. Beanstandet wurde unter anderem die Darstellung der AGB in einer zu kleinen Scrollbox – wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass eine größere Scrollbox zu einer anderen Wertung geführt hätte – und eine Klausel, wonach sich der Onlinehändler vorbehielt, das im Wege einer Bestellung unterbreitete Kaufangebot innerhalb von 4 Wochen anzunehmen. Diese Frist hielt das Oberlandesgericht für unangemessen lang.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In der Beschwerdesache

gegen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.03.2007 am 09.05.2007 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird über das in diesem Beschluss enthaltene Verbot hinaus im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der genannten Ordnungsmittel weiter untersagt, im geschäftlichen Verkehr bei Fernabsatzverträgen im Rahmen von Verkäufen von Öfen über die Online-Plattform ebay

1.
über das Widerrufsrecht nach § 312 c Abs. 1 BGB innerhalb eines Scrollkastens wie folgt zu belehren: …

2.
Allgemeine Geschäftsbedingungen innerhalb eines Scrollkastens wie folgt wiederzugeben: …

3.
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese zu berufen:

a)
„Von diesen Bedingungen abweichende Regelungen, insbesondere auch Geschäftsbedingungen des Käufers, werden nur durch unsere schriftliche Bestätigung wirksam“ und/oder „Fracht- und kostenfreie Versendung erfolgt nur nach besonderer schriftlicher Vereinbarung.“

b)
„… bei Bestellungen durch das Internet ist die Absendung der Bestellung bindend. Wir sind berechtigt, das darin liegende Vertragsangebot innerhalb von vier Wochen durch Zusendung einer Auftragsbestätigung anzunehmen.“

c)
„Im Falle von Mängeln des Liefergegenstandes, zu denen auch das Fehlen zugesicherter Eigenschaften gehört, sind wir nach unserer Wahl berechtigt, den fehlerhaften Liefergegenstand auszubessern oder neu zu liefern.“

d)
„Ansprüche des Käufers auf Gewährleistung sind davon abhängig, dass der Käufer … nicht offensichtliche Mängel innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung anzeigt.“

Die Antragsgegnerin hat die gesamten Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 4, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit den nachfolgend aufgeführten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu.

1.
Die mit dem Beschwerdeantrag zu 1. beanstandete Gestaltung der Widerrufsbelehrung nach § 312 c Abs.1 BGB i.V.m. § 1 Abs.1 Nr. 10 BGB-InfoV wird den gesetzlichen Anforderung an die Klarheit und Verständlichkeit einer solchen Belehrung nicht gerecht. Auf Grund der aus dem Tenor ersichtlichen geringen Größe des Scrollkastens kann der Leser jeweils nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Belehrungstextes zur Kenntnis nehmen. Dadurch wird die Verständlichkeit der Belehrung selbst für den mit dem Scrollen vertrauten Nutzer in einer mit dem Gesetz nicht mehr zu vereinbarenden Weise beeinträchtigt. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass bei einem größeren Scrollkasten eine andere Beurteilung geboten sein kann.

Die mit dem Beschwerdeantrag zu 2. beanstandete Wiedergabe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt gegen § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil sie dem Kunden nicht die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Insoweit gelten die Ausführungen zum Beschwerdeantrag zu 1. entsprechend auch im vorliegenden Zusammenhang.

Die mit dem Beschwerdeantrag zu 3. a) beanstandeten AGB-Klauseln sind mit § 307 Abs. 1 i.V.m. § 305 b BGB unvereinbar. Der Vertragspartner des Verwenders wird unangemessen benachteiligt, wenn die nach § 305 b BGB stets mögliche abweichende Individualabrede von der Wahrung der Schriftform abhängig gemacht wird (vgl. BGH NJW 01, 292).

Die mit dem Beschwerdeantrag zu 3. b) beanstandete AGB-Klausel verstößt gegen § 308 Nr. 1 BGB, weil die Beanspruchung einer Annahmefrist von vier Wochen durch den Verwender – insbesondere beim Fernabsatz über das Internet – unangemessen lang ist.

Die mit dem Beschwerdeantrag zu 3. c) beanstandete AGB-Klausel ist nach § 475 I BGB unwirksam, da sie dem Verbraucher jedes Wahlrecht zur Nacherfüllung abschneidet und daher zu dessen Nachteil von der gesetzlichen Regelung des § 439 BGB abweicht.

Die mit dem Beschwerdeantrag zu 3. d) beanstandete AGB-Klausel verstößt gegen § 475 Abs. 2 BGB, da sie der Sache nach die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche auf weniger als ein Jahr abkürzt; denn nach dem Inhalt der Klausel beginnt die Ausschlussfrist nicht mit der Entdeckung des Mangels durch den Käufer sondern bereits mit der Lieferung.

2.
Die Verstöße gegen die genannten zivilrechtlichen Vorschriften erfüllen zugleich den Tatbestand einer unlauteren Wettbewerbshandlung gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

In der Verwendung der unzureichenden Widerrufsbelehrung liegt ebenso wie in der mit § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB unvereinbaren Wiedergabe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Wettbewerbshandlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG; das gleiche gilt für die Verwendung der unwirksamen AGB-Klauseln.

Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Unternehmer, der Kaufinteressenten nicht oder in unzureichender Form über das ihnen gesetzlich zustehende Widerrufsrecht informiert, sich in der Vertragsanbahnungsphase keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen sich rechtstreu verhaltenden Mitbewerbern verschafft; die ordnungsgemäße Belehrung über das – für den Kunden vorteilhafte – Widerrufsrecht kann im Gegenteil die Bereitschaft zum Kaufentschluss eher fördern. Entsprechendes gilt für die Verwendung unwirksamer oder nicht wirksam vereinbarter AGB-Klauseln, durch die beim Verbraucher vor dem Vertragsschluss zu seinem Nachteil unrichtige Vorstellungen über die Rechtslage hervorgerufen werden können. Aus dem Verstoß gegen die genannten Pflichten zieht der Unternehmer jedoch dann möglicherweise einen geschäftlichen Vorteil, wenn der Käufer nach Kaufabschluss wegen der unzureichenden Belehrung aus Unkenntnis der Rechtslage von der Ausübung des ihm gesetzlich zustehenden Widerrufsrechts oder von der Ausübung sonstiger in Wahrheit bestehender, in den AGB-Klauseln jedoch ausgeschlossener vertraglicher Rechte abgehalten wird. Dieser Umstand reicht aus, um die Erteilung unzureichender Widerrufsbelehrungen und die Verwendung unwirksamer oder nicht wirksam vereinbarter AGB-Klauseln als – zumindest mittelbar – absatzfördernde Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 87, 180 – Ausschank unter Eichstrich II; GRUR 02, 1093 – Kontostandsauskunft; GRUR 2000, 731 – Sicherungsschein) ist auch ein Verhalten des Unternehmers im Rahmen der bloßen Vertragsabwicklung dann ausnahmsweise von einer Wettbewerbsabsicht getragen, wenn es darauf abzielt, planmäßig den Kunden zu übervorteilen. Eine solche Absicht ist bei einem laufenden Verstoß gegen Belehrungspflichten über das Widerrufsrecht regelmäßig zu bejahen (vgl. hierzu bereits Senat GRUR-RR 07, 56). Nichts anderes gilt für die Verwendung unwirksamer oder nicht wirksam vereinbarter AGB-Klauseln (vgl. Senat, Urteil vom 01.12.2005 – 6 U 116/05); in diesem Fall ergibt sich die Planmäßigkeit des Vorgehens schon daraus, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen stets für eine Vielzahl von Geschäften verwendet werden.

Aus dem dargestellten Wettbewerbsbezug des beanstandeten Verhaltens folgt weiter, dass die in Rede stehenden zivilrechtlichen Vorschriften als Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG einzustufen sind (ebenso Kammergericht MMR 05, 466 sowie – differenzierend – Beschluss vom 03.04.2007 – 5 W 73/07; a.A.: OLG Hamburg, Beschluss vom 13.11.2006 – 5 W 162/06).

Die Bagatellgrenze des § 3 UWG ist ebenfalls überschritten, da den Vorschriften über die Widerrufsbelehrung und die Vereinbarung und Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes regelmäßig eine erhebliche Bedeutung zukommt. Eine andere Beurteilung kann nur ausnahmsweise dann geboten sein, wenn auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles der Rechtsverstoß zu keiner konkreten Beeinträchtigung oder Gefährdung des Verbrauchers führt (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 27.11.2006 – 6 W 205/06), solche Umstände sind hier nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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