OLG Frankfurt a.M.: Markenabmahnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Marke zuvor in eine Amazon-Produktbeschreibung eingefügt wird, ohne die mitnutzenden Mitbewerber darüber zu informieren

veröffentlicht am 22. Dezember 2011

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.10.2011, Az. 6 U 179/10
§ 242 BGB; § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG, § 15 Abs. 5 S. 1 MarkenG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Verfolgung markenrechtlicher Ansprüche rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Markeninhaber die Verletzung seines Kennzeichensrechts durch Mitbewerber selbst provoziert hat. Vorliegend hatte der Markeninhaber einer Marke für Sonnenbrillen diese in eine mit anderen Mitbewerbern gemeinschaftlich genutzte Artikelbeschreibung auf der Verkaufsplattform Amazon eingefügt, ohne die Mitbewerber davon in Kenntnis zu setzen. Kurz darauf erfolgte die Abmahnung eines Mitbewerbers. Dass Gericht ging hier von Rechtsmissbrauch auf Grund bewusster Provokation des Verstoßes aus. Wäre es dem Kläger allein darauf angekommen, seine Produkte unter seiner Marke zu vertreiben, so hätte es ihm offen gestanden, sich eine neue ASIN („Amazon Standard Identification Number“) zu wählen und sich damit einfach und zuverlässig gegen künftige Markenverletzungen zu schützen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. 6. 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Erstattung von Abmahnkosten, Auskunft und Schadensersatz wegen der vermeintlichen Verletzung seiner Rechte an der Marke „ALPLAND“. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zwar ein mit der Marke „ALPLAND“ identisches Zeichen für identische Waren benutzt. Er hafte aber nicht als Täter oder Störer für die vom Kläger geltend gemachte Markenverletzung, weil der Kläger selbst seine Marke in die Artikelbeschreibung der unter der von beiden Parteien gemeinsam genutzten Artikelnummer im Amazon – Katalog eingefügt habe. Der Beklagte habe auch keine Pflicht zur Prüfung seines eigenen Internetangebotes verletzt. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass seine Mitanbieter die Artikelbeschreibung nicht einseitig veränderten.

Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er wirft dem Landgericht vor, den Sachverhalt nicht ausgeschöpft und deshalb eine Markenrechtsverletzung verkannt zu haben. Der Beklagte habe unter der Marke des Klägers Sonnenbrillen angeboten und daher das fremde Zeichen widerrechtlich benutzt. Dieser Umstand sei dem Beklagten mit Sicherheit über die Entgegennahme einer Bestellung für die von ihm angebotenen „ALPLAND“ – Sonnenbrillen aufgefallen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

I. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2009 zu zahlen;

II. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die auf der Internet – Handelsplattform „Amazon.de“ vom Beklagten unter dem dortigen „Amazon.de“ Mitgliedskonto „Y“ im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „ALPLAND“ angebotenen und/oder beworbenen Sonnenbrillen, namentlich über

a) Zeit und Dauer der Benutzung der Bezeichnung „ALPLAND“

b) den unter Nutzung der Bezeichnung „ALPLAND“ in dieser Zeit erzielten Umsatz

c) den unter Nutzung der Bezeichnung „ALPLAND“ in dieser Zeit erzielten Gewinn;

III. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der Verwendung und Bewerbung der Bezeichnung „ALPLAND“, namentlich aus dem Angebot von Sonnenbrillen des Beklagten über die Internet- Handelsplattform „Amazon.de“ unter dem dortigen „Amazon.de“ – Mitgliedskonto und „Y“ unter der Bezeichnung „ALPLAND“ entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen. Er weist nochmals ausdrücklich darauf hin, dass er die Vorgehensweise des Klägers für rechtsmissbräuchlich hält. Der Kläger habe die Verwendung des für ihn geschützten Zeichens bewusst provoziert, indem er die Auktionsbeschreibung gegen die Regeln der Fa. Amazon geändert und das Zeichen eingefügt habe.

Die unmittelbar nach der Änderung erfolgte Geltendmachung seiner Kennzeichenrechte stelle ein widersprüchliches Verhalten dar. Der Kläger habe auch nicht vortragen können, welche konkreten Sicherungsmaßnahmen vom Beklagten zur Vermeidung einer Markenrechtsverletzung zu treffen gewesen wären, so dass eine Verletzung einer Prüfungspflicht nicht in Betracht komme.

II.

Das Rechtsmittel des Klägers ist nicht begründet. Ihm stehen keine Kostenerstattungs-, Auskunfts- oder Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu, weil sich die Vorgehensweise des Klägers als rechtsmissbräuchlich darstellt. Dazu im Einzelnen:

1.
Der Senat schließt sich der Einschätzung des Landgerichts, eine täterschaftliche Haftung des Beklagten sei ausgeschlossen, nicht an.

Der Kläger ist Inhaber der Wortmarke „ALPLAND“, die mit Priorität vom 5. 2. 2008 unter anderem für Sonnenbrillen geschützt ist. Tathandlung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 Markengesetz ist das Angebot von Waren unter einem fremden Zeichen. Dies hat der Beklagte getan. Er hat am 9. Juli 2009 ohne Einwilligung des Klägers Sonnenbrillen unter dem Zeichen „ALPLAND“ angeboten (Anlage K 7 – Bl. 38 d. A.). Damit hat er den objektiven Tatbestand einer Markenverletzung adäquat kausal verwirklicht und ist als Täter einer Markenverletzung anzusehen (vgl. zum Wettbewerbsrecht: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Rn 2.5 zu § 8 UWG m. w. N.). Der Unterlassungsanspruch besteht verschuldensunabhängig, damit auch unabhängig davon, ob dem Verletzer das verletzte Kennzeichenrecht bekannt war oder auch nur hätte bekannt sein können (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn 77 vor §§ 14 ff. MarkenG).

2.
Trotzdem bleibt die Klage ohne Erfolg, denn der Beklagte hat dem Kläger mit Recht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen gehalten (§ 242 BGB). Dieser Einwand ist auch im Markenrecht zulässig, und zwar sowohl dann, wenn eine Marke in rechtsmissbräuchlicher Absicht angemeldet wird, als auch dann, wenn in missbräuchlicher Weise Ansprüche aus einem zunächst mangelfrei erworbenen Kennzeichenrecht erhoben werden (Ingerl/Rohnke a.a.O. Rn 321 vor § 14 ff MarkenG). Letzteres ist hier der Fall, weil der Kläger durch eine Veränderung der Artikelbeschreibung im Warenkatalog von „Amazon“ die Markenverletzung des Beklagten bewusst provoziert hat, um unmittelbar danach markenrechtliche Ansprüche geltend machen zu können:

Der Kläger hatte seit 31. Oktober 2007 unter der ASIN-Nummer … im Warenkatalog von Amazon Brillen unter der Gattungsbezeichnung „Pilotenbrille-Sonnenbrille – auch mit schwarzen Gläsern! Inkl. Etui“ angeboten. Diesem Angebot hatte sich der Beklagte in der auf der Handelsplattform Amazon üblichen Weise angeschlossen, so dass beide Parteien über ca. 1 ½ Jahre nebeneinander die gleichen Brillen unter dieser beschreibenden Bezeichnung vertrieben haben. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger zwischen dem 7. und 8. Juli 2009 die Produktbeschreibung geändert und stattdessen seine Marke „ALPLAND“ eingefügt hat. Der Kläger war diesem durch entsprechende Belege (Bl 142/ 143 d. A.) untermauertem Vortrag des Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Änderung der Produktbeschreibung wirkte sich auf die Internet-Präsentationen sämtlicher unter dieser ASIN auftretenden Anbieter aus.

Dass der Kläger den Beklagten nur zwei Wochen später kostenpflichtig abgemahnt hat, belegt, dass er den Beklagten bewusst „in die Falle hat laufen lassen“. Wenn es dem Kläger allein darauf angekommen wäre, seine Produkte über die Amazon-Plattform unter seiner Marke „ALPLAND“ zu vertreiben, so hätte es ihm offen gestanden, sich eine neue ASIN zu wählen und sich damit einfach und zuverlässig gegen künftige Markenverletzungen zu schützen. Warum er diesen Weg nicht beschritten hat, wurde von ihm nicht erklärt. Gegen den Kläger spricht ferner, dass er davon abgesehen hat, seine Mitbewerber über seine Änderung der Produktbeschreibung – namentlich das Einfügen seiner Marke „ALPLAND“ und die daraus erwachsenen rechtlichen Konsequenzen – zu informieren. Das wäre hier bei redlichem Vorgehen angezeigt gewesen, weil das Angebot von allen Mitbewerbern schon länger unter der Gattungsbezeichnung geführt worden war und weil der Kläger nicht ohne weiteres annehmen konnte, dass seinen Mitbewerbern die Abänderung der Produktbeschreibung aufgefallen ist oder zumindest auffallen musste.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagte dargelegt, er habe erst als Folge der streitgegenständlichen Abmahnung vom 27. 7. 2009 die Abänderung der Produktbeschreibung von „Pilotenbrille – Sonnenbrille“ in „ALPLAND“ – Sonnenbrille bemerkt. Den Verkaufsberichten vom 8. 7. 2009 (Bl. 142 d. A.) kann man gegenteiliges nicht entnehmen, weil nicht festgestellt werden kann, dass diese Verkaufsberichte dem Beklagten vor der Abmahnung bekannt geworden sind. Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob dem Händler bei einem Verkauf über Amazon auch die Produktbeschreibung des vom Käufer gewählten Produkts mitgeteilt wird. Der Vortrag in der Berufungsbegründung, dem Beklagten sei dies mit Sicherheit bei der Entgegennahme der Bestellungen aufgefallen, geht daher nicht über eine Spekulation hinaus.

Der Kläger konnte ebenso wenig annehmen, dass der Beklagte von sich aus in dem Zeitraum zwischen der Abänderung der Produktbeschreibung (8. 7. 2009) und der Abmahnung (22. 7. 2009) seinen Internet – Auftritt überprüft und dabei die Markenverletzung bemerkt hatte. Der Beklagte kann zwar mit einer Angebotspalette von ca. 1.500 Artikeln als erfahrener „Amazon.de“ – Händler angesehen werden, von dem verlangt werden kann, dass er regelmäßig seine Angebote prüft, um sich davor zu schützen, dem Verkehr irreführende Angebote zu unterbreiten (vgl. OLG Hamm vom 19. 7. 2011, Az.: I 4 U 22/11 – Anlage K 18). Hier kommt aber zum Tragen, dass das Angebot mehr als 1 ½ Jahre mit einer rein beschreibenden Produktkennzeichnung versehen war und dass die markenrechtliche Kennzeichnung angesichts der Qualität und des Preisgefüges der Produkte für den Verkehr erkennbar keine herausragende Rolle spielen konnte. Unter diesen Umständen konnte der Kläger nicht erwarten, dass die Mitbewerber innerhalb des o. g. Zeitraums von nur zwei Wochen ihre Angebotsseite überprüfen.

Da dem Kläger wegen des berechtigten Einwands des Rechtsmissbrauchs keine Unterlassungsansprüche zustanden, kann er vom Beklagten auch nicht die Erstattung der Abmahnkosten verlangen.

3.
Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz scheiden aus den vorgenannten Gründen ebenfalls aus.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Schuldnerschutzanordnungen folgen §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht auf einer einzelfallbezogenen Bewertung der zum Rechtsmissbrauch vorgebrachten Umstände, so dass ihm keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Senat setzt sich mit seiner Bewertung auch nicht in Widerspruch zu den Gründen der oben zitierten Entscheidung des OLG Hamm. Der dortige Sachverhalt ist mit dem hiesigen schon deshalb nicht vergleichbar, weil dort streitig war, ob der Markeninhaber berechtigt war, sein ursprünglich mit der Marke versehenes und dann abgeändertes Angebot wieder in den „Ursprungszustand“ zu versetzen, was bei der Bewertung des Rechtsmissbrauchs eine große Rolle gespielt hat.

I