OLG Frankfurt a.M.: Preisnachlass durch Gutscheinaktion ist für preisgebundene Bücher unzulässig – auch wenn der Händler den Nachlass von Dritten erstattet bekommt

veröffentlicht am 8. August 2012

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.07.2012, Az. 11 U 20/12
§ 3 BuchPrG, § 5 BuchPrG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Rabatt für preisgebundene Bücher in Form einer Gutscheinaktion, bei der der Kunde ab einem Kaufpreis von 20,00 EUR direkt einen Gutschein im Wert von 5,00 EUR einlösen kann, unzulässig ist. Es liege ein unzulässiger Preisnachlass gemäß §§ 3, 5 BuchPrG vor. Dies gelte auch dann, wenn die 5,00 EUR vom in der Anzeige angegebenen/beworbenen Zahlungssystem an den Buchhändler rückerstattet würden. Es sei dem Beklagten jedenfalls nicht gelungen, im Einzelnen darzulegen, dass die Zahlung der xxx AG allein auf den Buchpreis erfolgte, sondern sich nicht vielleicht vielmehr als Entgelt auf die gebotene Werbemöglichkeit darstellte. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 08.02.2012 teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Der Beschluss – einstweilige Verfügung – des Landgerichts Wiesbaden vom 02.12.2011 wird aufrechterhalten, soweit der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, aufgegeben wird, es zu unterlassen, der Buchpreisbindung unterliegende Bücher gemäß §§ 3, 5 BuchpreisbindungsG gemäß der in der Anzeige Anlage Ast 2 beworbenen Möglichkeit einer Gutscheineinlösung zu verkaufen.

Im Übrigen wird der Beschluss vom 2.12.2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Verfügungsbeklagte 2/ 3 und die Verfügungsklägerin 1/3 zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Verfügungsbeklagte ¾ und die Verfügungsklägerin ¼ zu tragen.

Gründe

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Grundlagen wird im Hinblick auf §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2.

In der Sache hat sie Erfolg, soweit sie zur Einschränkung des Unterlassungstenors auf die hier konkret zu beurteilende Werbung gemäß Anlage ASt 2 führt. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist insoweit begründet, als der Verfügungsbeklagten (i.F.: Beklagte) die hier streitige Werbung gemäß Anlage ASt 2 wegen eines Verstoßes gegen das BuchpreisbindungsG zu untersagen ist. Der Akte lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass für den darüberhinausgehenden allgemeinen Unterlassungstenor eine Grundlage für die Annahme der Wiederholungsgefahr oder aber einer Erstbegehungsgefahr vorliegen würde.

Lediglich zum Zweck der Vermeidung von – seitens der Beklagten aufgezeigten möglichen – Missverständnissen hat der Senat zudem unter Ausschöpfung des Spielraums gemäß § 938 ZPO die Formulierung „verlagsneue“ Bücher in die gesetzliche Bezugnahme umformuliert.

b.

Der Verfügungsklägerin (i.F.: Klägerin) steht ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 5 BuchpreisbindungsG gegen die Beklagte zu, da das mit der Anzeige gemäß ASt 2 beworbene Verhalten gegen die Vorgaben der §§ 3, 5 BuchpreisbindungsG verstößt.

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 BuchpreisbindungsG muss die Beklagte beim gewerbsmäßigen Verkauf von Büchern an Letztabnehmer den nach § 5 Abs. 1 S. 1 BuchpreisbindungsG festgesetzten Preis einhalten. Preisnachlässe sind ihr nur im engen gesetzlichen Rahmen gem. § 7 BuchpreisbindungsG gestattet, dessen Voraussetzungen hier weder behauptet werden noch der Akte entnommen werden können. Im Umkehrschluss zu den in § 7 BuchpreisbindungsG genannten Ausnahmen von der Buchpreisbindung ist die Gewährung von Preisnachlässen in dort nicht aufgeführten Fällen unzulässig (vgl. BGH GRUR 2003, 807 – Buchpreisbindung).

Ein unzulässiger Preisnachlass wird dabei nicht nur gewährt, wenn ein Buch dem Letztverbraucher zu einem anderen als dem nach dem BuchpreisbindungsG zulässigen Preis überlassen wird. Ein Nachlass ist auch dann anzunehmen, wenn dem Kunden gekoppelt mit dem Buchkauf ein Vorteil gewährt wird, der den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt (vgl. BGH GRUR 2010, 1136, 1137 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE). Insbesondere die Gewährung eines Gutscheins über einen konkret benannten Betrag, der beim Kauf auf den Kaufpreis angerechnet wird, stellt sich in diesem Sinne als – unzulässiger – Preisnachlass dar (vgl. auch BGH GRUR 2003, 1057 – Einkaufsgutschein I; OLG Stuttgart Urteil vom 11.11.2010, Az: 2 U 31/100 zitiert nach juris; OLG Köln GRUR 2006, 88 – Gutschein bei Arzneimittelkauf; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2006, 233 – Family Taler). So liegt es hier:

Die Beklagte gewährt im Ergebnis mit der streitgegenständlichen Gutscheinaktion einen Preisnachlass auf den gebundenen Buchpreis. Sie ermöglicht dem Kunden, beim Kauf innerhalb des Aktionszeitraums ab einem Mindestbestellwert von EUR 20,00 unmittelbar einen Gutschein über EUR 5,00 einzulösen mit der Folge, dass gegenüber dem Kunden eine um EUR 5,00 reduzierte Kaufpreisforderung durch den Kaufvertrag begründet wird. Der Kunde hat damit die Möglichkeit, Bücher unterhalb des gebundenen Buchpreises bei der Beklagten zu beziehen. Das beworbene Verhalten führt dazu, dass der Kunde die Entscheidung, bei welcher Buchhandlung er ein Buch bezieht, am Preis ausrichten kann – und bei lebensnaher Betrachtung auch in vielen Fällen wird. Damit begründet die streitgegenständliche Werbung ein Element des Preiswettbewerbs zwischen den Buchhandlungen, welcher gerade durch die Einführung der Buchpreisbindung verhindert werden soll, da andernfalls ein Niveauverlust (u.a. bezogen auf Titel- und Händlervielfalt) befürchtet wird. Zweck der Preisbindung ist insoweit die Sicherung eines leistungsfähigen Marktes für Verlagserzeugnisse und die Förderung des Buchs als Kulturgut; die vielfältige, gleichmäßige und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit dem Kulturgut Buch soll gewährleistet werden (vgl. Wallenfels/Russ, BuchPr6, 6. Aufl., 2012, § 1 Rd. 1, 2 m.w.N.; Senat GRUR 2004, 885, 886 – Startgutscheine für Bücher; Senat MMR 2004, 679, 680). Soll somit mit dem BuchpreisbindungsG die Ausschaltung des Preiswettbewerbs erzielt werden, bedeutet das „Einhalten“ des Buchpreises gem. § 3 BuchpreisbindungsG, dass es nicht möglich sein darf, bei einem Buchhändler „günstiger“ einzukaufen als bei einem anderen (vgl. auch Weidner, Buchpreisbindung – wer muss zahlen?, GRUR-RR 2012, 1, 3ff). Dies aber ermöglicht die Beklagte gerade mit der streitgegenständlichen Werbung. Der Kunde verbindet den niedrigeren Preis mit dem Anbieter dieses Preisvorteils. Da die Struktur einer derartigen Gutscheinaktion an das Vorliegen einer größeren Vertriebsorganisation gebunden ist, würde die Zulässigkeit derartiger Aktionen zu einer Verschiebung des Marktes zu Lasten der kleineren Buchhändler führen. Die Aufmachung der angegriffenen Werbung stützt schließlich auch die Annahme, dass gerade der Preisvorteil in den Vordergrund gegenüber dem Kunden gerückt werden soll: Der sog. Störer in der Mitte der Anzeige ist fettgedruckt und prägnant; dominierender Eindruck für den Kunden ist die Möglichkeit, einen Gutschein in Höhe von 5 EUR einlösen zu können.

Abb.

Soweit die Beklagte demgegenüber den Schwerpunkt der Buchpreisbindung in dem Umstand sehen will, dass der Buchhändler den gebundenen Buchpreis vollständig erhalten soll, kann offenbleiben, ob allein der vollständige Erhalt des Buchpreises seitens des Buchhändlers dem Gewähren eines unzulässigen Preisnachlasses entgegenstehen würde. Vorliegend hat die Beklagte jedenfalls nicht darlegen und glaubhaft machen können, dass die Zahlung der X … AG ausschließlich auf den gebundenen Buchpreis erfolgte, so dass davon auszugehen ist, dass die hier zu beurteilende Gutscheinaktion – anders als in Fällen des Einsatzes von Geschenkgutscheinen als Leistung Dritter i.S.d. § 267 BGB – nicht zu einer vollständigen Begleichung des gebundenen Buchpreises führte.

Da durch den Buchkauf unter Einlösung des Gutscheins eine unmittelbar um EUR 5,00 reduzierte Schuld begründet wird (vgl. auch Beispielsrechnung Bl. 70 d.A.), bestehen bereits erhebliche dogmatische Bedenken, die weitere Zahlung der X … AG an die Beklagte in Höhe von EUR 5,00 als Zahlung eines Dritten auf die durch den Buchkauf begründete Schuld des Kunden i.S.d. § 267 BGB zu werten.

Zudem hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass sich die Zahlung der X … AG bei lebensnaher Betrachtung jedenfalls nicht in voller Höhe allein als altruistische Zahlung für ihr unbekannte Kunden darstellt, sondern einen Entgeltanteil für die ihr mit der streitgegenständlichen Anzeige eingeräumte Werbemöglichkeit enthält. Die Beklagte hat sich mit dieser Argumentation in der Berufungsbegründung lediglich durch Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag auseinandergesetzt. Selbst wenn dies noch als zulässiger Angriff i.S.d. § 520 Abs. 3 ZPO gewertet werden sollte, hält der Senat die Argumentation des Landgerichts für zutreffend:

Die X … AG erlangt durch die Gutscheinaktion einen geldwerten Werbeeffekt (vgl. auch LG Hamburg GRUR-RR 2012, 38, 39 – studibooks.de). Die Anbieter von online-Zahlungssystemen, zu denen die X … AG gehört, kämpfen massiv um Marktanteile. Eine Vergrößerung des Bekanntheitsgrades und die Verbindung des eigenen Unternehmens mit einem großen Onlinebuchhandelsunternehmen beinhalten für die X … AG einen nicht unerheblichen geldwerten Vorteil, den sie zur Gewinnung von Neukunden einsetzen kann. Die Zahlung der EUR 5,00 an die Beklagte stellt sich damit zu einem nicht unerheblichen Teil als Entgelt für die ihr überlassene Werbemöglichkeit dar. Es wäre insoweit jedenfalls Aufgabe der Beklagten gewesen, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Tatsachen hier folgen sollte, dass die Zahlung der X … AG dennoch allein auf den Buchpreis erfolgte (vgl. Landgericht München, Urteil vom 19.4.2005, Az: 33 O 21820/04 – zitiert nach BeckRS 2011, 27504; Wallenfels/Russ, ebenda § 3 Rd. 24). Daran fehlt es.

Für die Wertung, dass die Zahlung von EUR 5,00 an die Beklagte einen Entgeltanteil für die der X … AG eingeräumte Werbemöglichkeit beinhaltet, kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagten der Anzeigeplatz kostenlos seitens der Y eingeräumt wurde. Wäre dies der Fall, hätte die Beklagte dennoch – mangels rechtlicher Verpflichtung zur kostenlosen Werbung für die X … AG – von der X AG wegen der für diese bedeutsamen Werbeeffekte ein Entgelt verlangen oder sich andernfalls für ein anderes Unternehmen entscheiden können. Der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten ist zudem zu entnehmen, dass die streitgegenständliche Anzeige Teil eines Rahmenvertrags war, welcher vorsah, dass die Beklagte 30 Anzeigen bezahlen und 3 Anzeigen kostenlos erhalten sollte (Bl. 71 d.A.). Wirtschaftlich ist damit der Anzeigeraum für 3 „kostenlose“ Anzeigen in den Rahmenvertrag eingepreist worden.

Stellt die Zahlung der X … AG an die Beklagte jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil keine Zahlung auf die durch den Buchkauf begründete Kaufpreisforderung dar, kann offenbleiben, in welchem Zeitraum diese Zahlungen seitens der X … AG erfolgten.

Soweit die Beklagte die Zulässigkeit der Gutscheinaktion mit erstinstanzlich eingeführten Unterlagen des Z1s und des Z2s belegen möchte, überzeugt auch dies nicht. Den Anlagen ist vielmehr ebenfalls zu entnehmen, dass eine Gutscheinaktion nur dann zulässig ist, wenn der Wert des eingelösten Gutscheins vollständig an die Buchhandlung auf den Gutschein erstattet wird. Dies ergibt sich sowohl aus Anlage CF 3 Merkblatt Kundenbindungssysteme des Z 1 … (Bl. 116 d.A.) als auch aus Anlage CF 4 Z2 2003, S. 24, 25 (Bl. 120 d.A.). Vorliegend jedoch hat die Beklagte diese vollständige Erstattung – wie dargestellt – nicht darlegen und glaubhaft machen können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Berücksichtigung fand insoweit, dass in der Berufungsinstanz ein gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren bereits eingeschränkter Antrag zu beurteilen war.

I