OLG Frankfurt a.M.: Streitwert für die Abmahnung von AGB und Widerrufsbelehrung nur 1.000 EUR / Der Umsatz des Abmahners bestimmt den Streitwert

veröffentlicht am 10. November 2008

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 04.11.2008, Az. 6 W 141/08
§ 3 ZPO

Das OLG Frankfurt a.M. hat mit diesem Beschluss erneut deutlich gemacht, dass die Höhe der Streitwerte für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (vorliegend: die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel und einer irrefüh­renden Widerrufsbelehrung) gesunken sind. Vorliegend wurde sogar ein Streitwert von nur 1.000,00 EUR angesetzt, da der An­tragsteller, der seit einigen Jahren über das Internet Handel betrieb, durch den Verkauf von Büchern nur einen äußerst geringen Umsatz erzielt habe und die (anhand von Rechnungen über eingekaufte Ware dargelegten) zukünftigen Vertriebsabsichten und Umsätze gerichtlich geschätzte ca. 3.600,00 EUR nicht übersteigen würden. Hierzu das Oberlandesgericht: „Der eigene Umsatz, den der Antragsteller durch den Verkauf von Büchern erzielt, setzt den Rahmen für die mögliche wirtschaftliche Betroffenheit des Antragstellers und damit auch für den festzusetzenden Streitwert.“ Allgemein erklärte das OLG zu seiner Streitwertbemessung Folgendes:

Seien die beanstandeten Wettbewerbsverstöße  ihrer Art nach nur bedingt geeignet, die wirt­schaftlichen Interessen des Antragstellers zu beeinträchtigen, könne, wenn es sich bei den Parteien um kleinere Unternehmen ohne besondere Marktbedeutung handele, nach der Rechtsprechung des Senats die Festsetzung eines Streitwerts in einer Größenordnung von etwa 5.000,00 EUR in Betracht kom­men. Je nach Lage des Falles könne ein Streitwert in der genannten Größenordnung aber dann zu niedrig oder zu hoch sein, wenn die Bedeutung der Parteien auf dem fraglichen Markt aufgrund konkreter Anhaltspunkte hoch oder aber besonders ge­ring erscheine. Denn das Ausmaß der wirtschaftlichen Betätigung, durch die die Parteien miteinander konkurrieren, bleibe ein wesentlicher Faktor für die Einschät­zung der – wegen der Art des Verstoßes tendenziell geringen – wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Unterlassungsgläubigers.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In der Beschwerdesache

gegen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwer­de des Antragsgegners gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss – einst­weilige Verfügung – der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.06.2008 am 04.11.2008 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Streitwert des Eilverfahrens wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die zulässige Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Sie führt zu einer Ermäßigung des vom Landgericht auf 5.000,00 EUR festgesetzten Streit­werts auf einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR.

Maßgebend für die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 3 ZPO ist das Interesse, das der Gläubiger an der gerichtlichen Durchsetzung der geltend gemachten An­sprüche hat. Anderweitige Interessen sowie präventive Gesichtspunkte sind für die Bewertung von Unterlassungsansprüchen, die ein Mitbewerber geltend macht, unerheblich (vgl. auch [zum Markenrecht] den Beschluss des Senats vom 18.10.2004 – 6 W161/04 = GRUR-RR 2005,71 f.). Das Unterlassungsinteresse des Mitbewerbers orientiert sich an dem ihm bei einer Fortsetzung bzw. (kernglei­chen) Wiederholung der beanstandeten Verstöße drohenden Schaden.

Wie das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausgeführt hat, sind die von dem Antragsteller beanstandeten Wettbewerbsverstöße der Antrags­gegnerin, die die Verwendung einer unwirksamen AGB-Klausel und einer irrefüh­renden Widerrufsbelehrung betreffen, ihrer Art nach nur bedingt geeignet, die wirt­schaftlichen Interessen des Antragstellers zu beeinträchtigen. In derartigen Fällen kann, wenn es sich bei den Parteien um kleinere Unternehmen ohne besondere Marktbedeutung handelt, nach der Rechtsprechung des Senats die Festsetzung eines Streitwerts in einer Größenordnung von etwa 5.000,00 EUR in Betracht kom­men. Ein solcher Streitwert, der im Verhältnis zu den in Wettbewerbsstreitigkeiten sonst angesetzten Werten vergleichsweise niedrig ist, trägt dem Umstand Rech­nung, dass Mitbewerber durch Verstöße der genannten Art nur eher mittelbar be­rührt werden.

Je nach Lage des Falles kann ein Streitwert in der genannten Größenordnung aber dann zu niedrig oder zu hoch sein, wenn die Bedeutung der Parteien auf dem fraglichen Markt aufgrund konkreter Anhaltspunkte hoch oder aber besonders ge­ring erscheint. Denn das Ausmaß der wirtschaftlichen Betätigung, durch die die Parteien miteinander konkurrieren, bleibt ein wesentlicher Faktor für die Einschät­zung der – wegen der Art des Verstoßes tendenziell geringen – wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Unterlassungsgläubigers.

Im vorliegenden Fall, in dem sich der zwischen den Parteien bestehende Wettbe­werb auf den Verkauf von Büchern bezieht, ist zu berücksichtigen, dass der An­tragsteller, der seit einigen Jahren über das Internet Handel betreibt, durch den Verkauf von Büchern bislang nur einen äußerst geringen Umsatz erzielt hat. Nach dem nicht konkret bestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin belief sich der bü­cherbezogene Jahresumsatz des Antragstellers bisher auf rund 100,00 EUR. Der eigene Umsatz, den der Antragsteller durch den Verkauf von Büchern erzielt, setzt den Rahmen für die mögliche wirtschaftliche Betroffenheit des Antragstellers und damit auch für den festzusetzenden Streitwert.

Zu berücksichtigen ist allerdings – bezogen auf den Zeitpunkt der Einreichung des Eilantrags (§4 ZPO) – die Möglichkeit, dass der Umsatz des Antragstellers durch den Verkauf von Büchern in Zukunft wachsen könnte. In Anbetracht dieser Wachstumserwartung, die der Antragsteller durch die Vorlage von Einkaufsrech­nungen bekräftigt hat, und unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falles erscheint es angemessen (§ 3 ZPO), den Streitwert auf 1.000,00 EUR festzu­setzen. Dies entspricht dem in der Beschwerdeschrift als Rechtsmittelziel genann­ten (Höchst-) Betrag.

Die vorgelegten Einkaufsrechnungen sind jedoch nicht geeignet, einen Streitwert von mehr als 1.000,00 EUR zu rechtfertigen. Zwar beläuft sich der bisherige Ein­kaufswert in der Summe bereits auf 3.619,81 EUR. Der palettenweise Einkauf von Büchern zu einem Durchschnittspreis von unter einem Euro pro Buch, wie er aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlich wird, erscheint aber nur bedingt dazu geeignet, mit der Antragsgegnerin· in einen erfolgversprechenden Wettbewerb um Kunden einzutreten, die konkrete Buchtitel im Internet nachfragen und auswählen. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.10.2008 vorgetragen hat, er habe in den letzten Wochen regelmäßig über 50 Bücher gleichzeitig auf seiner Ver­kaufsplattform „trend-garage“ angeboten, sagt dies zum einen wenig über die er­zielten und weiter zu erwartenden Verkaufserfolge aus. Zum anderen hat bei ei­nem Streitwert von immerhin 1.000,00 EUR eine nicht unerhebliche Ausweitungstendenz des zuvor nur marginalen Bücherumsatzes des Antragstellers bereits hinrei­chend Berücksichtigung gefunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) kommt im Hinblick auf §§ 66 III 3, 68 I 5 GKG nicht in Betracht.

Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2/18 0 242/08

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