OLG Frankfurt a.M.: Von Tietwagen und Maxen / Ein Mietwagenunternehmen darf im Telefonverzeichnis unter dem Buchstaben „T“ (wie Taxen) Werbeanzeigen schalten

veröffentlicht am 28. August 2010

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.07.2010, Az. 6 U 186/09
§§ 3; 4 Nr. 10; 5 UWG;
§ 49 IV 5 PBefG

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass ein Anbieter von sog. Mietwagen auch dann in einem örtlichen Telefonverzeichnis unter dem Buchstaben „T“, welcher üblicherweise für Taxendienste genutzt wird, werben darf, wenn er deutlich macht, dass er keine Taxen-, sondern nur Mietwagendienste anbietet. Der Beklagte hatte seine Werbeanzeige direkt unter dem Buchstaben „T“ platziert und mit „Mietwagen …“ überschriebenen. Der Kläger hielt dies für „unlauteren Kundenfang“ und einen Verstoß gegen § 49 IV 5 PBefG, da die Werbung zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr führen könne. Schließlich sei, so der Beklagte, die Werbeanzeige in dem Abschnitt für Stadt X auch deshalb zu beanstanden, weil das Unternehmen des Beklagten in Stadt Y ansässig sei und bei Aufträgen aus Stadt X unter Berücksichtigung des für Mietwagen geltenden Rückkehrgebots (§ 49 IV 3 PBefG) eine entsprechend längere Anfahrt anfalle. Dem folgte der Senat nicht: Der Beklagte habe für ein wettbewerbswidriges Ausspannen und Abfangen von Kunden sich zwischen diese und den Mitbewerber stellen müssen, „um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehme“. Der Umstand allein, dass sich die Werbemaßnahme auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken könne, reiche hierfür nicht aus. Eine Verdrängung scheitere, da der Beklagte sich nicht zwischen die Mitbewerber und deren Kunden, sondern gleichsam neben die Mitbewerber stelle, um den an einer Taxifahrt interessierten Verbrauchern sein Leistungsangebot als – frei wählbare – Alternative zu präsentieren. Sofern keine der den Taxen vorbehaltenen Zeichen und Merkmale betroffen seien (§ 49 IV 6 PBefG), genügt die Übernahme eines einzelnen typischen Ausstattungsmerkmals (hier: Buchstabe „T“) auch nicht für eine Irreführung, insbesondere wenn die Werbung eine deutlich herausgestellte Überschrift „Mietwagen …“ aufweise. Letztlich sei auch eine Irreführung über die Anfahrtswege ausgeschlossen, da in der Anzeige deutlich sichtbar auf den Betriebssitz Stadt Y hingewiesen werde. Angesichts der abweichenden Entscheidung des OLG Bamberg, NJW-RR 1993, 50 wurde die Revision zugelassen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 09.09.2009 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Limburg abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte, der ein Mietwagenunternehmen betreibt, warb in dem von der Streithelferin verlegten Telefonverzeichnis „Das Örtliche“ für Stadt1, Stadt2 und Umgebung, Ausgabe 2008/2009, in den Abschnitten für Stadt1 und Stadt2 jeweils mit einer direkt unter dem Buchstaben „T“ platzierten und mit „Mietwagen …“ überschriebenen Werbeanzeige wie aus der Anlage zur Klageschrift (Bl. 25 f. d.A.) ersichtlich.

Der Kläger ist Inhaber eines Taxiunternehmens in Stadt1. Er hält die Werbung des Beklagten für unlauteren Kundenfang, da Verbraucher, die sich anschickten, fernmündlich ein Taxi zu bestellen, gezielt abgefangen würden. Außerdem wirft der Kläger dem Beklagten eine Irreführung des Verkehrs und einen Verstoß gegen § 49 IV 5 PBefG vor, da die Werbung zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr führen könne. Schließlich sei die Werbeanzeige in dem Abschnitt für Stadt1 auch deshalb zu beanstanden, weil das Unternehmen des Beklagten in Stadt2 ansässig ist und bei Aufträgen aus Stadt1 unter Berücksichtigung des für Mietwagen geltenden Rückkehrgebots (§ 49 IV 3 PBefG) eine entsprechend längere Anfahrt anfalle.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 115 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Telefonbuch „Das Örtliche“ von Stadt1 und von Stadt2 Einträge bzw. Werbung unter dem Buchstaben T vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Weiter hat es den Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 775,64 EUR nebst Zinsen verurteilt.

Gegen dieses Urteil wenden sich der Beklagte und die Streithelferin mit der Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Beklagte und die Streithelferin beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen sowie die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. II. Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die angegriffene Werbung ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ein unlauteres Abfangen von Kunden liegt nicht vor.

Das Ausspannen und Abfangen von Kunden ist allein dann wettbewerbswidrig, wenn auf Kunden, die bereits dem Mitbewerber „zuzurechnen“ sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Eine unangemessene Einwirkung auf den Kunden liegt insbesondere dann vor, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend sind Maßnahmen, die dem Anlocken von Kunden dienen, nicht schon deshalb als unlauter anzusehen, weil sie sich auf den Absatz des Mitbewerbers nachteilig auswirken können, sondern erst dann, wenn sie auf die Verdrängung des Mitbewerbers abzielen oder den Kunden unzumutbar belästigen oder unangemessen unsachlich beeinflussen (vgl. BGH, GRUR 2009, 416, Tz. 16 – Küchentiefstpreis-Garantie m.w.N.; Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 4 Rn 10.25).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Eine unzumutbare Belästigung (vgl. § 7 UWG) oder unangemessene unsachliche Beeinflussung (vgl. § 4 Nr. 1 UWG) der Verbraucher liegt ersichtlich nicht vor und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Auch eine auf die Verdrängung von Mitbewerbern abzielende geschäftliche Handlung (§ 4 Nr. 10 UWG) ist zu verneinen.

In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil ist allerdings davon auszugehen, dass der Beklagte die Platzierung seiner Werbeanzeige unter dem Buchstaben „T“ bewusst gewählt hat, um Verbraucher, die im Telefonbuch nach einem Taxiunternehmen suchen, auf sein Leistungsangebot aufmerksam zu machen. Der Einwand der Streithelferin, der Beklagte habe mit der Wahl des Buchstabens „T“ in Anlehnung an den Werbetext bzw. die Art der Dienstleistung an „Tradition“, „Transport“ oder „Transfer“ anknüpfen wollen, entbehrt bei lebensnaher Betrachtung der Plausibilität.

Indem der Beklagte seine Werbung in der Nähe der Rubrik „Taxi“ lokalisiert, unter der die Telefoneinträge einiger Taxiunternehmen erscheinen (vgl. Bl. 26 d.A. für den Abschnitt Stadt2), zielt er jedoch nicht auf die Verdrängung der mit ihm im Wettbewerb stehenden Taxiunternehmen. Er stellt sich nicht zwischen die Mitbewerber und deren Kunden, sondern gleichsam neben die Mitbewerber, um den an einer Taxifahrt interessierten Verbrauchern sein Leistungsangebot als – frei wählbare – Alternative zu präsentieren. Besonders deutlich wird dies, wenn sich die Werbeanzeige des Beklagten und die Einträge unter der Rubrik „Taxi“ auf derselben Seite befinden und vom Leser gleichzeitig wahrgenommen werden können wie in dem für Stadt2 geltenden Abschnitt des Telefonbuchs (Bl. 26 d.A.). In dem für Stadt1 geltenden Abschnitt (vgl. Bl. 25 d.A.) befindet sich die Rubrik „Taxi“ erst auf der (nicht vorgelegten) Folgeseite. Aber auch unter diesen Umständen wird ein durchschnittlich verständiger Verbraucher – sofern er die Einträge unter dem Buchstaben T überhaupt vorne beginnend studieren sollte – durch die Werbeanzeige des Beklagten nicht davon abgehalten, die Einträge unter der Rubrik „Taxi“, die er auf der nächsten Seite erwartet, aufzusuchen und auf dieser Basis seine geschäftliche Entscheidung zu treffen.

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Ein Unternehmer handelt nicht schon dann gemäß § 4 Nr. 10 UWG wettbewerbswidrig, wenn er die Aufmerksamkeit, die Angebote der Wettbewerber beim angesprochenen Verkehr finden, dazu nutzt, um auch auf sein konkurrierendes Leistungsangebot hinzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2009, 500, Tz. 23 – Beta Layout – zu adword-Anzeigen). Dementsprechend darf ein Mietwagenunternehmer seine Leistung grundsätzlich im Telefonbuch unter „T“ bewerben (vgl. Harte / Henning / Omsels , UWG, 2. Auflage, § 4 Nr. 10, Rn 81; Piper / Ohly / Sosnitza, UWG, 5. Auflage, § 4 Rn 10/49; a.A. OLG Bamberg, NJW-RR 1993, 50).

Auch ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot (§ 5 UWG) bzw. gegen § 49 IV 5 PBefG (i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG) lässt sich nicht feststellen.

Gemäß § 49 IV 5 PBefG darf Werbung für Mietwagenverkehr nicht geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. Dabei mag ein relativ strenger Maßstab anzulegen und eine deutliche Trennung zwischen der Personenbeförderung durch Taxen einerseits und Mietwagen andererseits zu fordern sein. Sofern keine der den Taxen vorbehaltenen Zeichen und Merkmale betroffen sind (§ 49 IV 6 PBefG), genügt die Übernahme eines einzelnen typischen Ausstattungsmerkmals allerdings nicht für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes, wenn gleichwohl keine Verwechslungsgefahr besteht (vgl. BGH, GRUR 1986, 621 f. – Taxen-Farbanstrich).

Vorliegend besteht der einzige Umstand, der für die Annahme einer Verwechslungsgefahr angeführt werden kann, darin, dass sich die Werbeanzeige unter dem Buchstaben „T“ und damit in der Nähe der Rubrik „Taxi“ und der dortigen Eintragungen befindet. Hingegen kann dem Beklagten in diesem Zusammenhang nicht noch zusätzlich vorgehalten werden, dass sich sein Leistungsangebot, auf das er in der Anzeige besonders hinweist (Flughafentransfer, Krankenhausfahrten [sitzend], Busse à 8 Personen), mit dem Angebotsspektrum der Taxiunternehmen überschneidet.

Die Nähe der Werbeanzeige zu der Rubrik „Taxi“ führt nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles aus der – für die Bewertung maßgebenden – Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der die Werbung mit situationsadäquater Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt, keine Verwechslungsgefahr herbei. Dass der Beklagte keinen Taxenverkehr anbietet, geht aus der deutlich herausgestellten Überschrift „Mietwagen …“ hervor. Zudem wird in dem betreffenden Telefonbuch die Rubrik „Taxi“ als solche deutlich kenntlich gemacht, wodurch sich dem Betrachter unmittelbar erschließt, dass sich die Werbung des Beklagten nicht an dem nach dem Alphabet für die Taxenbranche vorgegebenen Platz befindet.

Schließlich ist die angegriffene Werbung des Beklagten in dem Stadt1 betreffenden Abschnitt des Telefonbuchs auch nicht deshalb irreführend, weil sie beim angesprochenen Verkehr unzutreffende Vorstellungen über den Anfahrtsweg erzeugen könnte. In der Anzeige wird deutlich sichtbar auf den Betriebssitz Stadt2 hingewiesen. Dementsprechend rechnet ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der in Stadt1 die Dienste des Beklagten in Anspruch nehmen möchte, damit, dass der Mietwagen aus dem benachbarten Ort Stadt2 anfahren wird.

Nach allem war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Streithelferin zu tragen, da er unterlegen ist (§§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Bamberg (NJW-RR 1993, 50) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Außerdem ist, auch nach den Erklärungen der Parteien im Verhandlungstermin, zu erwarten, dass die (generelle) Zulässigkeit einer Mietwagenwerbung in Telefonbüchern unter dem Buchstaben „T“ in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich sein wird, so dass dieser Frage grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.

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